Haspelmoor:Hungerlohn und Bonus

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Ein Modell zeigt, wie die einzelnen Arbeitsschritte beim Bau der Eisenbahnlinie ausgesehen haben. (Foto: Johannes Simon)

Etwa 6000 Arbeiter schufteten beim Bau der Linie München-Augsburg

Von Peter Bierl, Haspelmoor

Der Bahnhof von Haspelmoor und die umliegenden Häuser stehen wie auf einer Halbinsel, auf einer Endmoräne, die in das Moor hineinragt. Vor 175 Jahren existierte hier noch keine menschliche Siedlung. Haspelmoor ist einer der seltenen Fälle, wo die Gründung eines Dorfes genau datiert werden kann, mit der Eröffnung des Bahnhofes. Eine Ausstellung an jenem Ort, wo alles anfing, widmet sich der elenden Lage der Bahn- und Torfarbeiter. Sie wird am Sonntag eröffnet und ist ein hervorragendes Beispiel für die Aufarbeitung lokaler Sozialgeschichte.

Objekte aus der Gründerzeit gibt es nicht. Die Ausstellung besteht aus Texttafeln und Fotos, darunter historischen Aufnahmen. Dazu haben die Experten um Toni Drexler ein Modell angefertigt, das zeigt, wie der Gleisbau durch das Moor vonstatten ging. Zuerst wurden links und rechts der Trasse Entwässerungsgräben angelegt, damit das Wasser abfließen konnte. Dann gruben die Arbeiter Löcher, füllten diese mit Lehm und stampften ihn fest. Auf diese Tonpfeiler, die den torfigen Untergrund komprimieren sollten, wurde der eigentliche Bahndamm errichtet. Der Bau galt als technische Meisterleistung, der international beachtet wurde, sogar in England, dem Mutterland der Eisenbahn, und als Anfang der ökologischen Zerstörung der Landschaft, wie Drexler betont.

Gezeigt wird in der Ausstellung ein Ausschnitt aus einem Stummfilm mit Buster Keaton, der mit einen Bahn durch eine Moorlandschaft rumpelt. So ähnlich könnte es im Haspelmoor ausgesehen haben, aber die Arbeit und das Leben dort waren kein bisschen lustig. Im Sommer schufteten die Arbeiter bis zu 15 Stunden auf den Baustellen, manche im Akkord. Der Lohn reichte gerade zum Leben. 40 Kreuzer bekamen die Männer pro Tag für die Schufterei, die Frauen weniger, allein Brot kostete 15 Kreuzer. Die meisten schliefen in Baracken auf Stroh und mit Wolldecken. Wenn man bedenkt, dass der Bau bei schlechtem wetter ruhte und die Arbeiter nichts bekamen, aber ihren Unterhalt bestreiten mussten. wird nachvollziehbar, dass ihnen nichts übrig blieb.

Der Baudirektor der privaten Aktiengesellschaft, Ulrich Himbsel, kassierte hingegen ein Salär von 6000 Gulden im Jahr plus einen Bonus von 18 000 Gulden und hatte sich schon als Baurat von München ein Haus am Starnberger See leisten können. Schon damals war die Rede von der Leistung reine Rechtfertigungsideologie.

Den Bahnarbeitern folgten die Torfstecher. Seit 1847 wurden Torfziegel als Brennmaterial für Lokomotiven in Bayern verwendet. 1857 stellte der Staatsbetrieb im Haspelmoor etwa 30 Millionen Stück her. Etwa 1000 bis 1600 Wanderarbeiter waren es in den Sommermonaten, die überwiegend in Althegnenberg, Hörbach und Hattenhofen wohnten. Ihre Zahl überwog die der Einheimischen in den Dörfern. Durch den Einsatz von Maschinen reduzierte sich die Zahl in wenigen Jahren drastisch auf 50 bis 60 Arbeiter.

Die Bahnlinie wurde 1840 zwar eröffnet, aber die Haltestelle Haspelmoor wurde erst dreizehn Jahre später eingerichtet. Es folgte der Bahnhof, drumherum siedelten sich bald Bahn- und Torfarbeiter an.

Die Ausstellung wird am Sonntag, 3. Oktober, um 15 Uhr eröffnet und ist im Oktober an jedem Sonntagnachmittag geöffnet. Am Wochenende, 10. und 11. Oktober, finden auf der Strecke Fahrten mit historischen Dampflokomotiven statt, die auch in Haspelmoor halten. Am Sonntag, 11. Oktober, wird am Bahnhof ein kleines Fest mit Musik gefeiert.

© SZ vom 01.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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