Gröbenzell:Stadt, nein danke

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In der Gemeinde Gröbenzell pfeift eine Mehrheit auf einen Ehrentitel

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Es soll Leute geben, die ein unglaubliches Engagement für ihre Mitmenschen und die Allgemeinheit erbringen, sich dafür aber auf keinen Fall mit einem Orden ehren lassen wollen. Das würden sie kategorisch ablehnen, wird immer wieder erzählt, auch von Menschen, die im Landkreis leben. An Gemeinden, die qua Aufgabe verpflichtet sind, altruistisch zu handeln und sich um die Anliegen ihrer Bürger zu kümmern, werden zwar keine Orden verteilt. Aber immerhin gibt es Ehrenbekundungen wie den Titel Stadt, den in Bayern das Innenministerium verleiht. Als für Gröbenzell vor fünf Jahren das Angebot bestand, von einer Münchner Gartenstadt-Vorortgemeinde zu einer richtigen Stadt zu werden, pfiff die Mehrheit der Wahlberechtigten bei einem Bürgerentscheid großzügig auf diese Ehre.

Immerhin 52 Prozent der Berechtigten stimmten damals ab. Und zwei Drittel von ihnen sprachen sich gegen die Stadterhebung aus. Das war ein eindeutiges Votum. Geschickt nutzten im Vorfeld der Stadterhebung Gröbenzeller Kommunalpolitiker wie Martin Runge (Grüne) und der später zum Bürgermeister gewählte Martin Schäfer (UWG) das Angebot, Stadt zu werden, dazu, um eine Diskussion über das besondere Lebensgefühl in der Gemeinde zu führen. Bei dieser Debatte ging es um Emotionen und um die Vorstellungen, die Gröbenzeller mit den Eigenheiten ihres Wohnorts und im Gegensatz dazu mit den Vorstellungen vom Wohnen in einer Stadt verbanden. Bei diesem Abwägungsprozess gab letztlich das Bauchgefühl den Ausschlag. Eine städtisches Lebensumfeld galt für die Gegner der Erhebung als unvereinbar mit dem Leitbild ihrer Gartenstadt. Durch eine städtische Entwicklung sah man den die Gemeinde prägenden Baumbestand mit großen Gärten gefährdet.

Gefährdet ist die beschauliche Struktur vom Wohnen im Grünen in unmittelbarer Nähe zu München jedoch nicht abstrakt durch den Ehrentitel Stadt, sondern ganz konkret durch eine andere Entwicklung. Grundstückspreise von inzwischen annähernd 1200 Euro für den Quadratmeter Bauland und der Trend, die Frei- und Grünflächen der verbliebenen größeren Grundstücke zunehmend zu bebauen, verändern den Charakter der Gartenstadt zunehmend. Bürgermeister Schäfer beteuert zu recht, das seiner Gemeinde ohne den Titel Stadt nichts fehle. Aus dem eindeutigen Votum des Bürgerentscheids ließe sich jedoch eine andere Aufgabe ableiten. Die Verpflichtung, die vorgegebene Struktur und damit das Lebensgefühl zu bewahren.

© SZ vom 29.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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