Gröbenzell:Ökologische Schatzkiste

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83 geschützte Tier- und Pflanzenarten leben einer Studie zufolge im Böhmerweiher oder an seinem Ufer. Die Gröbenzeller Grünen wollen deshalb aus dem Badesee ein Naturerlebnisgebiet machen.

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Der Erholungsflächenverein muss seine Planungen zum Ausbau des im Osten der Lena-Christ-Straße in Gröbenzell gelegenen großen Böhmerweihers in der jetzigen Form zu den Akten legen. Diese Schlussfolgerung ziehen die Gröbenzeller Grünen aus einer fünf Jahren alten, aber erst jetzt der Gemeinde und den Gemeinderäten zur Verfügung gestellten ökologischen Studie zu dem Gewässer und dessen Umgebung. Auf hundert Seiten listet die Machbarkeitsstudie zum Ausbau als Badegewässer an und in den Weihern 83 Arten der Roten Liste Bayerns auf, also vom Aussterben bedrohte Pflanzen und Tiere.

Von den Gewässern soll das größere zu einem Bade- und Erholungsgelände mit Liegewiesen, Grillplätzen, Kiosk, einer Wasserrettungsstation und Beachvolleyballplätzen ausgebaut werden. Stattdessen, so die Hauptforderung der Gröbenzeller Grünen, sollte das 270 000 Quadratmeter große Areal nun in ein "Naturerlebnisgebiet mit beschränkter Badenutzung" umgewandelt werden.

Dokumentiert werden unter den 37 gefährdeten Pflanzenarten allein sechs seltene Orchideenarten. Dazu kommen noch zwölf gefährdete Vogelarten wie Purpur-Reiher und Mauersegler, Reptilien, Amphibien, Libellen, Tagfalter, Laufkäfer, Weichtiere, Großkrebse, Fische und Insekten. Allein von den 17 an den beiden Weihern nachgewiesenen Libellenarten stehen fünf auf der Roten Liste. Die höchste Schutzklasse genießt die Libellenart Helm-Azurjungfer, die weltweit vom Aussterben bedroht ist. Die Verfasser der ökologischen Studie zählten an den beiden zusammen etwa sieben Hektar großen Böhmerweihern insgesamt 200 Helm-Azurjungfern.

Der Erholungsflächenverein, die Stadt München und die beiden Landkreiskommunen Puchheim und Gröbenzell hatten die Weiher und deren Umgriff mit einer Fläche von 27 Hektar vor zwei Jahren erworben, um dort in einem Teilbereich ein überregionales Erholungsgebiet zu errichten. Das gesamte Gelände liegt auf Münchner Flur im Landschaftsgebiet Aubinger Lohe. Bei den Weihern handelt es sich um ein aufgelassenes Kiesabbaugebiet, das seit 1976 brach liegt und zurzeit als Hundewiese dient, das aber auch Spaziergänger und Reiter nutzen. In den Sommermonaten findet dort auch ein wilder, ungeregelter Badebetrieb statt. Die Kiesfläche zwischen den beiden Seen wird zwar am stärksten frequentiert, aber genau hier liegen auch die ökologisch wertvollsten Flächen.

Zu deren Schutz greifen die Grünen den Vorschlag der Verfasser der Studie auf, hier einen aufgeständerten Bretterweg anzulegen. Ein solcher Bretterweg könnte Besuchern vermitteln, dass sie sich in einem äußerst sensiblen Gelände bewegen, aber die die Flora gefährdenden Trittbelastungen verhindern. Auf den Kiesflächen haben sich auch aggressive Ameisenarten angesiedelt, die Badegäste als störend empfinden. Diese Ameisen-Kolonien ließen sich dazu nutzen, den in bestimmten Bereichen unerwünschten Gästen das Badevergnügen zu vermiesen . Auch diese Idee propagierten Markus Rainer, Daniel Holmer und Walter Voit von den Gröbenzeller Grünen am Montag bei einer Pressekonferenz.

Laut den drei Grünen sind die beiden Weiher ein "kleines ökologisches Schatzkästlein". Obwohl die Gröbenzeller Grünen seit Jahren den Ausbau des Areals durch den Erholungsflächenverein als überdimensioniert kritisieren, zeigten sie sich vom Ergebnis der vom Münchner Baureferat für Gartenbau an das Ingenieurbüro "Ohnes und Schwarz, Diplomingenieure - Landschaftarchitekten" vergebenen Studie "überrascht". Mit einem derart großen Aufkommen an gefährdeten Tieren und Pflanzen hätte niemand rechnen können, beteuerte Voit. Viele der Rote-Liste-Arten wären auch gefährdet, wenn man das Gelände weiterhin sich selbst überlassen würde. Würde die Kiesfläche zwischen den Seen ganz verbuschen, was ohne Pflegemaßnahmen geschähe, würden die meisten der geschützten und gefährdeten Tiere und Pflanzen ihren Lebensraum in absehbarer Zeit wieder verlieren.

In den vergangenen Monaten sammelten die Grünen annähernd 2000 Unterschriften gegen die Planung des Erholungsflächenvereins. Sie sind weiterhin nicht rigoros gegen jede Form der Badenutzung, wollen diese aber nur noch auf einen kleinen Bereich im Nordosten des großen Weihers beschränken. Liegeflächen von bis zu 3000 Quadratmetern halten die Grünen für eine denkbare Kompromisslösung. Die Vorplanung des Erholungsflächenvereins sieht noch Liegeflächen vor, die bis zu zehn Mal so groß wären.

Die aufgelassene Kiesabbaufläche konnte sich nur zu einem wertvollen Biotop entwickeln, weil seit dem Ende der Kiesgewinnung im Jahr 1976 Eingriffe weitgehend unterblieben. Als sogenanntes Sekundär-Biotop ist es zwar durch den Menschen geschaffen worden, aber extrem gefährdet, sollte es zu baulichen Maßnahmen kommen. In der Studie wird anhand von mehreren Beispielen belegt, welch gravierende Folgen selbst nicht fachgemäß durchgeführte Pflegemaßnahmen haben. Als vor sechs Jahren der westliche Bachablauf des großen Böhmerweihers geräumt worden war, waren in dem auf den Böschungen abgelagerten Baggeraushub verendete Exemplare der besonders geschützten Gemeinen Teichmuschel und streng geschützte, bayernweit gefährdete Edelkrebse gefunden worden.

© SZ vom 03.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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