Gröbenzell:Erst Notquartier, dann Kulturhaus

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Das leer stehende Gebäude in der Poststraße in Gröbenzell könnte längst Unterkunft für Asylbewerber sein. (Foto: Günther Reger)

Asylbewerber sollen ein von der Gemeinde im Ortszentrum erworbenes Anwesen beziehen. Der CSU-Hinweis, die Liegenschaft langfristig als Heimatmuseum zu nutzen, wird als Affront empfunden

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Seit fest steht, dass in diesen Sommerferien drei Schulturnhallen in Puchheim und Maisach mit Flüchtlingen belegt werden müssen, weil die von den Kommunen angebotenen Quartiere nicht ausreichen, liegen bei einigen Kommunalpolitikern die Nerven blank. Wie nervös die Verantwortlichen inzwischen sind, ist am Donnerstagabend im Gemeinderat von Gröbenzell bei der Debatte über die Unterbringung von Asylbewerbern offenkundig geworden.

Wie in der Sitzung bekannt wurde, hat die Gemeinde ein erst kürzlich gekauftes Geschäftshaus, das an der Poststraße neben der evangelischen Kirche und dem Rathaus liegt, dem Landkreis zur Unterbringung von Flüchtlingen angeboten. In diese Diskussion brachte die ehemalige Kulturreferentin und Sprecherin der CSU-Fraktion, Brigitte Böttger, den Vorschlag ein, das Anwesen doch mittel- und langfristig für kulturelle Zwecke zu nutzen.

Böttger war sich durchaus bewusst, mit ihrer Anregung einen Nerv zu treffen. Schließlich kündigte sei selbst ihren Beitrag als "revolutionären Anfrage" beziehungsweise als einen "Blick in die Zukunft" an. Sie schlug vor, nach einigen Jahren Eigenbedarf für das Flüchtlingsquartier anzumelden und aus dem ehemaligen Geschäftshaus, in dem bis vor kurzem ein in die Kirchenstraße umgezogenes Tee- und Feinkostgeschäft seinen Sitz hatte, ein Heimatmuseum zu machen. Der ehemalige Laden im Erdgeschoss biete sich als Ausstellungsraum an.

Diese Langzeitperspektive brachte wiederum den SPD-Fraktionssprecher Peter Falk in Rage. Laut dem Sozialdemokraten ist es völlig verfehlt, in eine Debatte über ein künftiges Flüchtlingsquartier eine "Museumsdiskussion" hineinzubringen. "Wir haben zu kämpfen um die Unterbringung von Menschen", sagte Falk. Deshalb müssten die "Linderung von Not und die Verhinderung von Zeltstädten" oberste Priorität haben. Auch Marianne Kaunzinger (UWG) reagierte heftig auf die Anregung der CSU-Sprecherin, die nach der Lesart von Kaunzinger so formuliert worden sei, als ob kulturelle Belange Vorrang vor Asyl hätten. In dem ehemaligen Geschäftshaus ein Museum einzurichten, sei eigentlich "keine schlechte Idee", konzidierte die UWG-Gemeinderätin der CSU-Fraktionssprecherin. Nur habe sich diese dafür den völlig falschen Zeitpunkt ausgesucht. Die Angegriffene betonte mehrmals, dass es ihr nur um eine mittel- bis langfristige Perspektive gehe. Schließlich verfügt die Gemeinde noch über kein Kulturhaus, sondern höchstens über Provisorien.

Zu diesem Provisorien zählt Böttger das im Dachgeschoss der Alten Schule untergebrachte Ortsmuseum der Gröbenhüter. Optimal sei das sicher nicht, weder für Ausstellungen noch als Lager für die Museumsbestände. Da ein Heimatmuseum eine lange Planungszeit habe, geht es der CSU-Sprecherin vorerst nur um eine "Willenserklärung" der Gemeinde. Sollte das Museum der Gröbenhüter in fünf bis zehn Jahren von der Alten Schule in ein neues Kulturhaus in die Poststraße um ziehen, können die frei werdenden Räume der ehemaligen Schule laut Böttger ja von Vereinen genutzt werden. Zumindest Bürgermeister Martin Schäfer (UWG) zeigte sich nicht abgeneigt. Darauf lässt sein Hinweis schließen, "dafür haben wir es gekauft".

Gekauft hatte die Gemeinde das auf einem rund 900 Quadratmeter großen Grundstück gelegene ältere Geschäftshaus mit insgesamt etwa 330 Quadratmeter großen Laden- und Wohnräumen auf zwei Etagen erst vor einigen Monaten. Das war mit der Option geschehen, dort eine Dependance der sehr beengt untergebrachten Rathausverwaltung einzurichten. Nach dem Beschluss, die gesamte Gemeindeverwaltung für eine Übergangszeit von fünf Jahren in angemietete Büroräume zu verlegen und das alte Rathaus durch einen Neubau zu ersetzen, benötigt die Gemeinde das Anwesen in der Poststraße nicht mehr für eigene Zwecke. Die Lage in der Ortsmitte gilt als optimal für ein Kulturhaus oder Heimatmuseum.

Schulreferentin Antia Rieger (CSU) wollte wissen, ob damit zu rechnen sei, dass auch die Gröbenzeller Dreifachturnhalle mit Flüchtlingen belegt wird. Laut Schäfer werden zurzeit für diesen Zweck nur Hallen in Beschlag genommen, deren Eigentümer der Landkreis ist. Da die Gröbenzeller Halle dem Landkreis und der Gemeinde gehört, hält es Schäfer für unrealistisch, dass in einem Teil Flüchtlinge wohnen und in einem anderen Teil Sportunterricht erteilt wird. Aus der Zunahme der Flüchtlinge zog der Bürgermeister die Schlussfolgerung, man müsse kreativ sein. Markus Rainer (Grüne) warnte vor Panikmache. Ein Landkreis mit mehr als 200 000 Einwohnern könne durchaus 1000 bis 2000 Asylbewerber verkraften.

© SZ vom 25.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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