Gröbenzell:Ein Papa zum Tauschen

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Von den Fußballern des 1. SC Gröbenzell gibt es ein Sticker-Album wie von WM-Spielern

Von Christoph Leischwitz, Gröbenzell

Schon nach ein paar Tagen war es soweit: "Papa, ich habe dich!", rief Frank Reichelts Sohn durch die Wohnung, während er seine neuesten Bilder auspackte. Der 45-jährige Reichelt hat zwar in den Neunzigerjahren immerhin in der Regionalliga für den FC Augsburg gespielt, doch um es in ein Album für Abziehbildchen zu schaffen, hatte das nicht ganz gereicht. Dafür musste er erst Jugendtrainer beim SC Gröbenzell werden.

Die Idee war im vergangenen Sommer während der Fußball-EM in Frankreich entstanden. Stürmer Florian Obermayer aus der Kreisliga-Mannschaft hatte sie gehabt. "Sensationell", das sei seine erste Reaktion gewesen, erzählt Zweiter Abteilungsleiter Reichelt heute. Nicht nur, weil sein neunjähriger Sohn in der Schule jetzt seinen Vater tauscht wie zu EM- oder WM-Zeiten Cristiano Ronaldo und Manuel Neuer. Sondern vor allem deshalb, weil sich die über 600 Fußballerinnen und Fußballern des SC Gröbenzell dadurch ein kleines bisschen besser kennen lernen. Das Sammelalbum soll dazu beitragen, die zwangsläufige Anonymität in diesem großen Breitensportverein zu verringern. Zwischen dem Vereinswappen auf Seite drei und der ersten Mannschaft auf Seite 50 finden sich zahlreiche Teams, die F-Jugend ebenso wie die B-Juniorinnen. So wirkt das Album wie das Jahrgangsabschluss-Magazin einer großen Schule, an der alle beschlossen haben, zum Klassenfoto Fußballschuhe anzuziehen. "Ungefähr 90 Prozent der Kinder sind dabei"; schätzt Reichelt. Einige Eltern hatten allerdings Vorbehalte und darum gebeten, ihre Söhne und Töchter nicht abzulichten.

Anderthalb Tage dauerte das Fotoshooting, 210 Alben wurden bei einer österreichischen Firma gedruckt sowie 45 000 Sticker in Auftrag gegeben - damit ist jeder Spieler 100 Mal zu kaufen. Ein enormer Aufwand, logistisch wie finanziell. "Es gab schon ein Risiko, aber es war kalkulierbar", sagt Reichelt über die 6000 Euro Ausgaben. Weil die Auflage im Vergleich zum Branchenriesen Panini sehr niedrig ist, war der Druck relativ teuer. Deshalb kostet ein Päckchen mit zehn Bildern immerhin auch zwei Euro. Allerdings sind die Kosten fast schon wieder reingeholt, allein am ersten Tag, beim Ligaspiel der ersten Mannschaft gegen den SC Oberweikertshofen II vor drei Wochen, hat der Verein 40 Alben verkauft.

Zu kaufen gibt es die Bilder übrigens bei Schreibwaren Böhmer und im Vereinsheim des SC. "Einer hat gleich 45 Päckchen gekauft. Er hat gesagt, er macht das bei Panini auch immer so", erzählt Reichelt und grinst. Natürlich gibt es dann auch viele Doppelte, man kennt das ja. Dabei wurde versichert, dass alle Aufkleber richtig gut durchgemischt wurden. Womöglich ist es also doch nur eine Verschwörungstheorie, dass Panini bestimmte Bildchen weniger drucken lässt als andere, um sie begehrter zu machen.

Die Idee, lokale Amateursportler zu Sticker-Stars zu machen, kommt immer wieder einmal auf. Vor zwei Jahren etwa hatte der Bayernligist SV Heimstetten solch ein Album zu Weihnachten heraus gegeben. Trotzdem scheint der SC Gröbenzell diesmal einen Trend gesetzt zu haben. Die Handballer des TuS Fürstenfeldbruck planen ein Sticker-Album, in Neuried kann man in Supermärkten Päckchen mit Spielern des TSV kaufen. "Ich finde es gut, dass es so eine Resonanz findet. Das zeigt uns, dass wir eine gute Idee hatten", sagt Reichelt. In jedem Fall wird das SC-Album helfen, die Freunde aus der Mannschaft besser in Erinnerung zu behalten. Selbst eingeklebte Bilder verbessern nachweislich das Langzeitgedächtnis. Anders ist es gar nicht zu erklären, dass Reichelt noch detaillierte Erinnerungen an sein erstes Panini-Album hat. "WM 1982. Und ich weiß bis heute: Da war ein argentinischer Spieler, Ardiles, mit der Rückennummer eins. Als Feldspieler!" Analog dazu wird man in 30 Jahren das SC-Album aufschlagen und sagen: Schau mal, der Reichelt, der war zugleich Trainer der A- und der F-Junioren.

© SZ vom 22.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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