Gröbenzell:Büchermeer und Menschenmassen

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Zur 25. Auflage des Gröbenzeller Flohmarkts kommen noch mehr Besucher als sonst. Schon kurz nach der Eröffnung muss die Feuerwehr die Wildmooshalle wegen des großen Andrangs sogar vorübergehend schließen

Von Ariane Lindenbach, Gröbenzell

Im Kinderwagen liegt ein gutes Dutzend von Henning Mankells Wallander. Daneben, auf dem Turnhallenboden, lehnt im Schneidersitz eine junge Frau an der Wand. In ihrem Arm schläft ein Säugling, während sie mit der freien Hand Buch für Buch von einem Stapel nimmt, es auf ein Knie legt, darin blättert und liest, bevor sie es auf einen der beiden kleineren Stapel legt. Die junge Mutter ist, wie andere, die sich in ruhige Bereiche am Rand der Dreifach-Turnhalle zurückgezogen haben, dabei, ihre Ausbeute vom Bücherflohmarkt zu dezimieren. Eigentlich ist alles wie immer am Wochenende nach Fasching in Gröbenzell, wenn der Verein "Gröbenzell hilft" seinen großen Markt mit 80 000 Büchern, Spielen, Schallplatten, CDs und DVDs für einen guten Zweck organisiert. Und doch ist es dieses Mal ein bisschen anders, noch ein bisschen mehr Rummel. Schließlich feiert der Bücherflohmarkt in Gröbenzell dieses Mal sein 25-jähriges Bestehen.

"Der Bücherflohmarkt in diesem Jahr war auf jeden Fall ein Rekord in jeder Hinsicht." Mehr Besucher, mehr verkaufte Bücher, mehr Umsatz. Dieses so eindeutige Resümee kann Renate Müller, als Vorsitzende von "Gröbenzell hilft" eine der Hauptverantwortlichen, bereits am Sonntagvormittag ziehen. Wie viele Besucher an beiden Tagen zum Freizeitzentrum an der Wildmoosstraße kommen, kann Müller nicht sagen, die Fluktuation ist zu groß: "Die strömen rein und raus." Im Team habe man überschlagen: 5000 vielleicht am Tag? Doch ob das zutrifft, lässt sich nicht feststellen, ohne die Besucher alle zu zählen. Und dazu haben die 120 ehrenamtlichen Helfer wirklich keine Zeit.

Fest steht jedoch, dass die Halle, kaum war der Bücherflohmarkt am Samstagmorgen von Bürgermeister Martin Schäfer und Karin Seehofer, der Gattin des bayerischen Ministerpräsidenten, eröffnet worden, von der Feuerwehr vorübergehend geschlossen wurde. Bei 800 Besuchern ist Schluss, mehr dürfen nicht rein. "Vielleicht war das ja, weil die alle die Frau Seehofer sehen wollten", spekuliert Müllers Kollegin Christa Bumeder. Nach 20 Minuten konnten die Türen wieder geöffnet werden. Und drinnen begeisterte Frau Seehofer mit einem sorgfältig ausgewählten Zitat von Heinrich Heine, dem hochgelobten Enfant terrible der deutschen Literatur. "Von allen Welten, die der Mensch erschaffen hat, ist die der Bücher die gewaltigste." "Das passt ja so gut", kommentiert Müller doppeldeutig. Jeder, der die Großveranstaltung in der Dreifach-Turnhalle schon einmal erlebt hat, muss ihr recht geben.

"Ja, es sind noch mehr Leute da dieses Jahr", Menschen mit Angst vor Nähe oder engen Räumen seien hier falsch, sagt Barbara Brückner aus Gemünden am Main (Kreis Unterfranken). Seit etwa acht Jahren begleitet sie ihren Mann Matthias zum Wochenendtrip. Er betreibt ein Online-Antiquariat und kauft in Gröbenzell vor allem Sachbücher. "Das Interessante ist die große Auswahl", zu jedem Sachgebiet gebe es viele Titel und die Bücher seien sehr gut erhalten, begründet Brückner seine Geschäftsreise. Nach zwei ganzen Tagen in der Turnhalle reist das Paar mit etwa 350 Büchern zurück nach Hause.

Es ist inzwischen Nachmittag, in der Halle ist es nicht mehr ganz so voll. Vielleicht 500, 600 Leute vom Baby bis zum Greis. Diese Menschenansammlung ist bemerkenswert ruhig, verhaltenes Gemurmel liegt wie eine Käseglocke über der Masse. Am Hintereingang bei der Schnellkasse stehen drei Männer in grünen Overalls - alle Helfer tragen übrigens Grün - vor einem offenen Geräteraum. Dahinter: bis zur Decke gestapelte Kartons. "Wir sind die Kartonverwalter", erklärt Walter Kniprath. Die stabilen Bananenkisten - 2500 waren es dieses Mal - sind praktisch, aber vom Aussterben bedroht. Deswegen werden die leeren, noch gut erhaltenen eingelagert und im nächsten Jahr wieder verwendet. Immer wieder bringen andere Helfer leere Kartons, die Verwalter nehmen sie entgegen und schichten sie fachmännisch auf.

In der Reihe mit den Schulbüchern tummeln sich beflissene Eltern, zum Teil mit ihren nicht gerade glücklich aussehenden Kindern. Sie komme schon seit ein paar Jahren gezielt wegen Schulbüchern, da habe sie schon einige Schnäppchen gemacht, erzählt eine Frau. Am anderen Ende der Halle, die mit jeweils drei Mal zwei Tapeziertischen voller Bücher in Bananenkisten gefüllt ist, gibt es links des Mittelgangs Romane, rechts davon Krimis. Deren Beliebtheit lässt sich an der großen Leere in vielen Kisten ablesen. "Die großen Ks, Krimis, Kochen, Kunst und Kinderbücher gehen gut", bestätigt Müller. Da man glücklicherweise diesmal ein paar Kisten voller Bücher mehr hatte - "so viele wie wir noch nie hatten" - habe man auch schon mehr nachgelegt. Die leergekauften Kisten werden nämlich regelmäßig aufgefüllt.

16.45 Uhr. Eine Durchsage bittet die Besucher, nun zu den Kassen zu gehen. Auf dem Weg dorthin bildet sich eine kleine Schlange. Vereinzelt stehen noch Käufer vor den Tapeziertischen. "Bevor ich mich da anstelle, schau ich doch noch ein bisschen", sagt eine Frau. Ein paar Gänge weiter sucht eine Seniorin Eat, Pray, Love für ihre Nichte. Unter 80 000 Büchern ist eben fast für jeden was dabei.

© SZ vom 15.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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