Gröbenzell:Autopanne mit Folgen

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Der Gröbenzeller Georg Mittermaier blieb 1989 mit seinem Wagen auf einer Landstraße bei Pilisvörösvár liegen. Er wurde so herzlich aufgenommen, dass daraus eine Städtepartnerschaft entstand. Nun wird das Jubiläum gefeiert

Von Gerhard Eisenkolb, Gröbenzell

Autopannen sind immer ärgerlich. Autopannen können aber durchaus erfreuliche Seiten haben. Beispielsweise wenn sich daraus dauerhafte Freundschaften und sogar eine Städtepartnerschaft wie die zwischen Gröbenzell und Pilisvörösvár entwickeln. Wäre Georg Mittermaier nicht vor 26 Jahren mit seinem Auto auf einer Landstraße beim ungarischen Pilisvörösvár liegen geblieben, gäbe es in der Zeit von 3. Bis zum 7. Juni keine Feiern zum 25-Jährigen Bestehen der Jumelage und zum ebenso langen Bestehen des Deutsch-Ungarischen Vereins in der Gartenstadt.

Die Hilfe, die Mittermaier Ende der Achtzigerjahre erfuhr, war umwerfend. Zuerst bleiben zwei Männer aus Pilisvörösvár mit ihrem Wagen neben dem Auto des gestrandeten Gröbenzellers stehen, um ihm zu helfen. Dann schleppten sie dessen Pannenfahrzeug ab, bewirteten die Gröbenzeller bei sich und kümmerten sich auch noch selbst um die Reparatur des Wagens. Mehr kann man nicht tun.

Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass sich jemand, der so viel Gastfreundschaft erlebt, dankbar zeigen wollte. Mittermaier sprach schon kurz nach seiner Rückkehr im Gröbenzeller Rathaus beim damaligen Bürgermeister Bernd Rieder vor, um eine Partnerschaft mit dem ungarischen Ort anzuregen, in der er so hilfsbereite Menschen getroffen hatte. Mittermaier, der damals noch Vorsitzender des Gröbenzeller Sportvereins FC Grün-Weiß war, fand mit seinem Herzensanliegen offene Ohren. Auch weil schon 1988, also ein Jahr zuvor, die meisten Gröbenzeller Vereine und Verbände bei einer Umfrage der Gemeinde signalisiert hatten, eine Städtepartnerschaft tatkräftig zu unterstützen. Zudem sprachen sich damals die meisten der Befragten für eine Verbindung mit einer ungarischen Kommune aus. Das Land schnitt in der Gunst der Gröbenzeller weit besser ab als Frankreich, die Schweiz oder Österreich.

Welche Rolle vor 25 Jahren bei der Unterzeichnung der Partnerschaftsurkunden die Tatsache spielte, dass viele der Bewohner von Pilisvörösvár deutschen Wurzeln haben, ist nicht überliefert. Von den 46 Ungarn, die an diesem Mittwochabend mit einem Bus in Gröbenzell eintreffen, tragen viele immer noch deutsche Namen oder Namen, denen der deutsche Ursprung immer noch anzumerken ist. Sie heißen Feldhoffer, Kohlhoffer, Krupp, Hau, Laub, Scheller oder Szontág, Ludvig, Kosztka-Huber und Kreiszl.

Im Gegensatz zu Gröbenzell bietet Pilisvörösvár eine eindrucksvolle Bergkulisse. Die Stadt liegt im Naherholungsgebiet der Budapester. (Foto: oh)

In einem Punkt haben die Gröbenzeller allerdings mehr Ausdauer gezeigt als die Ungarn. Während ihr vor 25 Jahren gegründeter Deutsch-Ungarischer Verein (DUVG) zwar überaltert ist, aber immer noch 94 Mitglieder zählt, gibt es den damals parallel dazu gegründeten ungarndeutschen Heimatverein Werischwar bereits seit zehn Jahren nicht mehr. Alle Versuche von Göbenzeller DUVG-Aktiven, einen Ableger ihres Vereins in Ungarn zu gründen, blieben erfolglos.

Der Gröbenzeller Bürgermeister Martin Schäfer weiß, dass ihn die meisten der Ungarn gut verstehen werden, wenn er sie am Mittwoch gegen 18 Uhr auf der Rathausplatz willkommen heißen wird. Wie er berichtet, hatte es ihn schon 2014 überrascht, als er zur 325-Jahrfeier der Ansiedlung von deutschen Auswanderern in Pilisvörösvár weilte, wie intensiv dort die deutsche Sprache beziehungsweise das "Schwobisch" noch immer gepflegt wird. Vor allem weil er sich verstanden fühlte, habe er sich in der Partnerstadt so wohl gefühlt, berichtet Schäfer bei einem Pressetermin im Vorfeld der Jubiläumsfeiern im Rathaus.

Die Ungarn und Gröbenzeller verbindet neben der Sprache auch eine gemeinsame Kultur. So ist zu erwarten, dass die Gäste aus Pilisvörösvár mit Trachten im Gepäck anreisen, die denen ihrer oberbayerischen Gastgeber vom Trachtenverein Almfrieden durchaus ähneln. Die Trachten brauchen die Donauschwaben für den Heimatabend am 5. Juni im Freizeitheim mit Volkstänzen und Volksmusik. Kein Wunder, dass die Ungarn von den oberbarischen Trachtlern früher mal das Schuhplatteln lernen wollten. Seit mehr als 120 Jahren verfügt die Gröbenzeller Partnerkommune bereits über eine ebenfalls in Trachten auftretende ungarndeutsche Blaskapelle, deren Polkas in jedem bayrischen Bierzelt gespielt werden könnten.

Pilisvörösvár gilt als die ungarische Kommune mit dem größten Anteil deutschstämmiger Bewohner. Dieser liegt immer noch bei 28 Prozent der rund 14 000 Einwohner. Um 1900 waren es noch 80 Prozent. Deren Ahnen waren Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts vor allem aus Baden, Württemberg und Bayern, aber auch aus dem Elsass, ins damalig Werischwar ausgewandert, so lautet der deutsche Name des im Umland von Budapest liegenden Pilisvörösvár. Die als gute Handwerker bekannten Donauschwaben waren in dem nach den Türkenkriegen ausgebluteten Land willkommen. Erst die österreichische Kaiserin Maria Theresia stoppte 1773 die großzügige Finanzierung der Kolonisation. Nach dem Zweiten Weltkrieg saßen wegen der Vertreibung auch in Pilisvörösvár viele der deutschstämmigen Bewohner auf gepackten Koffern. Die meisten von ihnen durften jedoch bleiben, weil die in der Regel gut ausgebildeten Techniker für den Betrieb eines in der Nähe gelegenen Bergwerks unverzichtbar waren.

Die Partnerstadt von Gröbenzell hat nicht nur einen ungarischen und einen deutschen Namen, sondern auch ein Friedrich-Schiller-Gymnasium, dessen Schüler in zwei Sprachen unterrichtet werden. Die deutsche Kultur wird also noch gepflegt. Die Werischwarer Ungarndeutschen verfügen im Internet über ein eigenes deutschsprachiges Portal, auf dem unter anderem Beiträge zur Geschichte der Auswanderer, zur Ahnenforschung und zur Lage der deutschen Minderheit zu finden sind.

Es gibt aber noch weitere Entsprechungen zwischen den beiden Kommunen als gemeinsame kulturelle Wurzen. So liegen beide in einem Ballungsraum in unmittelbarer Nähe einer Großstadt. Pilisvöresvár soll demnächst bekommen, was Gröbenzell seit langem hat: eine S-Bahnverbindung. Pilisvörösvár liegt im Naherholungsgebiet vom Budapest etwa siebzehn Kilometer nordwestlich der Hauptstadt in den Budaer Bergen. In den vergangenen 25 Jahren haben sich viele Dinge entwickelt, die weit über den üblichen Jugendaustausch, Sport- und Kulturveranstaltungen, Kunstausstellungen oder Begegnungen von Vereinen hinausreichen. So erhielten die Ungarn 2000 Bücher aus dem Bestand der Gröbenzeller Gemeindebibliothek. In den Anfangsjahren richteten freiwillige Helfer des Gröbenzeller Veteranenvereins mit Unterstützung des Bauhofes der Gemeinde einen verfallenes deutschen Kriegsgräberfeld bei Pilisvörösvár wieder her.

© SZ vom 03.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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