Grafrath:Zeitraubende Dialoge

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Das Leben verläuft nicht immer optimal und die Änderungsfrist ist vorüber: Im Stück "Sonny Boys" hadern zwei ehemalige Bühnenstars im Rentenalter mit ihrer Situation. Die Inszenierung des Rassoburg-Theaters gestaltet sich bisweilen zäh

Von Valentina Finger, Grafrath

87 Jahre hat Neil Simon schon verlebt. Als er etwa halb so alt war, schrieb der US-amerikanische Theater- und Drehbuchautor seine Broadway-Komödie "The Sunshine Boys", ein Stück über zwei gealterte Varieté-Schauspieler, von denen einer nicht wahrhaben will, dass seine große Zeit auf der Bühne vorbei ist. Dieses Problem scheint der beinahe 90-jährige Simon nicht zu haben, denn um ihn ist es bereits vor Jahren ruhig geworden. "Sonny Boys", wie man das Stück hierzulande nennt, bekam nicht nur in Deutschland diverse Bühnen- und Fernsehadaptionen. Das Rassoburg-Theater Grafrath führt es derzeit in der Bearbeitung von Günter Mayr im Dachsaal des Altenwerks Marthashofen auf.

Die beiden ehemaligen Bühnenstars im Rentenalter, deren Kleinkrieg den Kern des Stücks bildet, sind treffend besetzt: Günter Mayr spielt Willie Clark, ein abgehalftertes Komödien-Urgestein, das in einer Hotelsuite lebt, deren größere Version es sich früher einmal leisten konnte. Barthl Sailer ist als dessen ehemaliger Bühnenpartner Al Lewis der Grund für Clarks Zorn: Nach 43 Jahren hat Lewis ihrer gemeinsamen Sketch-Show den Rücken gekehrt, um Börsenmakler zu werden. Bereits elf Jahre ist das her. Doch die Wut darüber bricht von Neuem aus Clark heraus, als sein Neffe und Agent Ben Silverman, gespielt von Andreas Drakopoulos, ihm die Möglichkeit bietet, seine ruhmvolle Zeit noch einmal aufleben zu lassen: Für das Fernsehen soll eine Show zu den Glanzmomenten der Komödie produziert werden. Auch Clark könne dabei sein - jedoch nicht ohne Lewis, den Mann, dem er die Schuld für sein vorzeitiges Karriere-Aus gibt: "Ich war noch nicht so weit. Ich wollte noch weiterspielen."

Bis Clark und Lewis alias Mayr und Sailer schließlich aufeinandertreffen, passiert nicht viel. In dem bisweilen langatmigen Dialog zwischen Onkel Willie und Neffe Ben, der ihn zur erneuten Zusammenarbeit mit seinem früheren Partner zu überreden versucht, kommt keine wirkliche Dynamik zustande - was ein Problem ist in einem Stück, das, fast ausschließlich konzipiert aus Zweier-Gesprächen, von seinen Dialogen lebt. Im Wortwechsel stoßen Mayr und Drakopoulos auf so manche Stolpersteine, gelegentlich wirkt die Auseinandersetzung ihrer Figuren mehr wie ein abwechselndes Nebeneinander zweier Monologe. Die Intensität des Disputs zwischen einem, der seinen brennenden Wunsch, wieder auf der Bühne zu stehen, von verletztem Stolz besiegen lässt, und einem zweiten, der auch für seine eigene Reputation kämpft, bleibt aus.

Die zentralen Motive kommen jedoch trotzdem an: Da ist die Trauer über unwiederbringliche Momente, die Enttäuschung durch einen engen Freund und die Unfähigkeit, sich einzugestehen, dass das Leben eben nicht optimal verlaufen und die Änderungsfrist nun vorüber ist. All dies steckt in Mayrs Interpretation. Die uneinsichtige Tollpatschigkeit seiner Figur weckt tiefes Mitleid für einen Mann, der nicht versteht, wieso die dreijährigen Kinder seines Neffen keine Ahnung haben, welch ein Star ihr Großonkel einst war. Verpackt ist dieses Dilemma leider in zeitraubende, repetitive Dialoge, die, teils zäh und monoton vorgetragen, das Stück ohne merkliche Höhen und Tiefen ausklingen lassen.

Einen Ausbruch aus dieser Schnörkellosigkeit gibt es in den beiden mittleren Akten durch das Aufeinandertreffen von Clark und Lewis. Der Gleichmut des überheblichen, aber im Grunde besonnenen Alt-Schauspielers steht Barthl Sailer gut. Ein bisschen Reue, sehr viel Stolz und dasselbe Unvermögen, mit Vergangenem abzuschließen, liegen in den teilnahmslosen Blicken, die Sailer auf seinen Gehstock gestützt in die Leere wirft. Nach etlichen Wortgefechten über Puffmais und New Jersey artet das Wiedersehen in einen Halbzeit-Showdown aus, der auf das Stück wie eine Adrenalinspritze wirkt: Mit einem Messer in der Hand geht Clark auf Lewis los. Es folgt Geschrei und eine Wiederaussöhnung bis zur nächsten Eskalation. Während der Rahmen eher farblos bleibt, machen jene Zweikämpfe mit Sailers aggressivem Entsetzen und Mayrs verzweifelter Hysterie manches wieder gut.

Weitere Termine: Freitag und Samstag, 19./20. Juni, 20 Uhr, und Sonntag, 21. Juni, 17 Uhr; Karten unter 08144/7962.

© SZ vom 15.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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