Grafrath:Stiftung leidet unter Niedrigzinspolitik

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Die Einrichtung in Marthashofen hat große Probleme, einen Wertzuwachs zu erwirtschaften. Für die Projektfinanzierung ist sie auf Erträge angewiesen. Riskante Anlagen sind mit der Philosophie nicht vereinbar

Von Florian J. Haamann, Grafrath

Die anhaltend niedrigen Zinsen sind nicht nur für Anleger ein Problem. Auch Stiftungen geraten durch diese Entwicklung immer stärker unter Druck. Umso mehr gilt das, wenn sie so ausgerichtet sind wie die Marthashofen-Stiftung. "Wir achten sehr darauf, dass wir mit unserem Geld nicht risikoreich spekulieren. Wir investieren nur, wenn eine Anlage unseren Werten entspricht und Nachhaltigkeit verspricht", sagt Günter Kaul, seit zwei Jahren Vorsitzender der Stiftung, die ihren Sitz auf dem Gelände der Gesellschaft für Sozialgestaltung in Marthashofen bei Schöngeising hat.

Dort gibt es neben einer Altenpflegeeinrichtung einen Kindergarten, ein Sozialtherapie-Zentrum und ein Musikhaus. Ziel der 1976 gegründeten Einrichtung ist es, jedem Menschen die freie Entfaltung zu ermöglichen, unabhängig von Geld, Bildung und Herkunft. Die 2003 gegründete Stiftung soll über die Grenzen des etwa sechs Hektar großen Geländes hinaus dieses Leitbild verbreiten. Allerdings kann dafür - wie bei Stiftungen üblich - nur das Geld ausgegeben werden, das mit dem Grundkapital erwirtschaftet wird, der Ertrag also.

Gillhaussen hat in den Siebzigern die bestehene Einrichtung gegründet. Seitdem arbeitet Günter Kaul (Foto) dort. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Eben jenen zu generieren, ohne sich auf Spekulationen einzulassen, wird nun aber immer schwerer. "Wir fallen nicht auf Hochglanzprospekte rein. Schon der Gedanke an Gewinnmaximierung widerspricht unseren Vorstellungen. Denn Geldvermehrung alleine ist für uns kein erstrebenswertes Ziel. Deshalb würden wir auch nie in Atomkraft investieren", so Kaul. Bis vor kurzem seien beispielsweise Windparks für die Stiftung eine sichere Anlage gewesen. Durch die Kürzung der Einspeisevergütung habe sich das geändert, erzählt der 76-Jährige frühere Geschäftsführer der Einrichtung.

Aktuell ist die Stiftung Genosse der Energiewerke Schönau, die Mitte der Achtzigerjahre als "Stromrebellen" bekannt wurden und heute zu den größten Ökostrom-Anbietern gehören. Ebenso hat sie Geld in "Green City München" investiert, einen Verein, der sich für den Klimaschutz einsetzt. Künftig wolle man sich auch noch am Mikrokreditprogramm der GLS Bank beteiligen, das Kleinunternehmer in Deutschland fördert. "Wir wollen schon durch die Auswahl unserer Anlagen ein klares Statement abgeben", so Kaul.

Martha Lazarus (Bild) hat das nach ihr benannte Gelände 1932 an ihren Neffen Hasso Gillhaussen übergeben. (Foto: Carmen Voxbrunner)

"Vor ein paar Jahren konnten wir noch bis zu 30 Projekte fördern. Mittlerweile sind es noch zehn bis 15." Das Spektrum reicht dabei von der Unterstützung von Flüchtlingen über Schulprojekte bis hin zur Förderung der Eurythmie, einer anthroposophischen Bewegungskunst. "Damit wir ein Projekt fördern, müssen zwei Bedingungen erfüllt sein: Die Nachhaltigkeit muss gegeben sein und wir müssen die Organisatoren kennen", erzählt Kaul. Und natürlich muss das Konzept mit den Leitideen der Stiftung vereinbar sein. Eines der ersten Projekte, an das sich Kaul erinnert, war die Hilfe beim Aufbau einer Schule für Roma-Kinder im rumänischen Rosia. "Die sind damals völlig aus dem Bildungssystem herausgefallen. Mittlerweile ist die Schule anerkannt, hat acht Klassen und einen Kindergarten. Im September werde ich wieder dorthin reisen", sagt Kaul. Denn bis heute gibt er dort Seminare für die Schüler. Nur Geld zu geben, reiche aber nicht. "Es geht auch darum zu zeigen, wie man sozial miteinander umgeht."

Die Stiftung verfügt derzeit über ein Guthaben von etwa einer halben Million Euro. Die daraus gewonnen Erträge können nicht immer flexibel eingesetzt werden, wie Kaul erklärt. Denn manche Spender knüpfen ihren Beitrag an einen bestimmten Zweck. "Wir haben einmal einen relativ großen Betrag bekommen, durften das Geld aber eigentlich nur für etwas ganz Bestimmtes ausgeben. Wir haben dann wirklich sehr lange, über Jahre hinweg, versucht, ein passendes Projekt zu finden. Aber es gab einfach keines. In dem Fall kann der Stiftungsrat dann entscheiden, das Geld doch für andere Zwecke zu verwenden", erklärt Kaul. Aber nicht nur das Auffinden passender Projekte und geeigneter Anlagemöglichkeiten beschäftigt den Vorsitzenden. Auch die Gewinnung von Nachwuchs ist ein Problem für die Stiftung. "Wir sind momentan in einer Phase, in der wir intensiv darüber nachdenken müssen, wie wir weiterhin wirken können", sagt Kaul. Dazu gehöre eben auch, engagierte Leute zu finden, die sich für die Stiftung engagieren. "Wir haben es da vielleicht schwerer als andere, weil wir eben der Anthroposophie verpflichtet sind. Deswegen suchen wir Menschen, die dem zumindest offen gegenüber sind."

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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