Grafrath:Mit Rilke zu Franziskus

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Komponist, Dirigent und Sänger: Tobias Peschanel. (Foto: Albert Chuapoco/oh)

Uraufführung von Peschanel-Messe in Grafrath

Von Heike A. Batzer, Grafrath

Zu Anfang war Rainer Maria Rilke. Früher, sagt Tobias Peschanel, habe er Rilke nicht leiden können, dann aber hat er sich doch irgendwann mit dem deutschen Lyriker beschäftigt. Vor allem mit dessen drei Stundenbüchern, einem 1899 bis 1903 entstandenen Gedichtzyklus, in dem Rilke sich intensiv mit dem Heiligen Franz von Assisi auseinandersetzt. "Es ist äußerst religiös und kirchenkritisch, was in den Stundenbüchern steht", stellt Peschanel fest. Er beschäftigt sich mit den Texten, liest sich in Sekundärliteratur ein. Schließlich macht er Rilkes Stundenbücher und Christian Morgensterns Lyrikband "Wir fanden einen Pfad" zur Textgrundlage seiner "Wörther Franziskusmesse", die am Sonntag in der Wallfahrtskirche Sankt Rasso in Grafrath im Rahmen der Feierlichkeiten zum 180 Jahre langen Wirken der Franziskaner dort erstmals aufgeführt wird.

Dass die Messe den Zusatz "Wörth" im Namen führt, ist eine Reminiszenz an den Umstand, dass die erste Kirche in Grafrath noch auf einer Insel zwischen Amper und Ampermoos stand, die den Namen Wörth trug. Es ist die zweite Messkomposition des 33-jährigen Sängers, Komponisten und Dirigenten aus Steindorf im Landkreis Aichach-Friedberg. Seit Jahresbeginn leitet er den Chor der Grafrather Rassokirche. Anderthalb bis zwei Jahre hat er an der Komposition gearbeitet. Die Suche nach der passenden Melodie ist mühsam, "da brüte ich ziemlich lange", sagt Tobias Peschanel. Wie bei jedem kreativen Prozess gibt es auch beim Komponieren Phasen, an denen man nicht weiterkommt. Immer wieder wird umgeformt, bis schließlich der Punkt erreicht ist, an dem "es in einem selber zu klingen anfängt". Dann kommt der Komponist "in einem Flow", wie Peschanel sagt, "in dem der nächste Klang logisch ist".

Peschanel studierte am Richard-Strauss-Konservatorium und der Hochschule für Musik und Theater in München bei Wilfried Hiller und Jan Müller-Wieland Komposition und bei Ulrich Nicolai Dirigieren. Von Elisabeth Haumann und den Kammersängerinnen Sena Jurinac und Christel Goltz wurde er zum Opernsänger ausgebildet. Seine Studien in Gesang und Schauspiel komplettierte er bei Edda und Stefan Sevenich und in diversen Meisterkursen, unter anderem bei Kammersängerin Brigitte Fassbaender. Das Werkregister des Komponisten Peschanel umfasst unter anderem Auftragswerke für den Kulturkreis Gasteig, die Landeshauptstadt München, für die Ernst-von-Siemens-Musikstiftung, den Ökumenischen Kirchentag 2010, die Bayerische Akademie der Schönen Künste und die Ammerseerenade. Von 2010 bis 2014 arbeitete Peschanel für den Studiengang Regie an der Bayerischen Theaterakademie August Everding, er dirigierte dort unter anderem Carl Maria von Webers "Abu Hassan" und Luigi Dallapiccolas "Volo di notte" in eigenen Bearbeitungen und hielt Vorlesungsreihen zum Musiktheaterschaffen von Richard Strauss und Carl Orff. In Augsburg leitete er eine Produktion von Viktor Ullmanns "Der Kaiser von Atlantis" mit Solisten des Staatstheaters am Gärtnerplatz. Als Singschauspieler ist er am Alten Stadttheater Eichstätt, dem Ellinger Musiksommer und den Festspielen auf Schloss Rheinsberg unterwegs, Guglielmo und der Graf Almaviva, die Baritonpartie in Carl Orffs "Carmina Burana" und der Coppélius in "Hoffmanns Erzählungen" gehören zu seinen Rollen. Auch in der Region ist Peschanel in Konzerten und Liederabenden zu hören, unter anderem in den Münsterkonzerten Dießen. 2012 erhielt er den Sudetendeutschen Förderpreis, zudem ist er Preisträger des Internationalen Gesangswettbewerbs Kammeroper Schloss Rheinsberg. Von November an wird er drei Monate lang an der Nationaloper im slowenischen Maribor als Vocal Coach an der Einstudierung von Richard Wagners "Rheingold" beteiligt sein.

Seine "Wörther Franziskusmesse" besteht aus fünf Meditationen. "Die Musik", so sagt er, "legt dabei den Weg vom Äußerlichen in unser Innerstes zurück". Hörbar wird diese Entwicklung daran, dass die Klänge im Verlauf der fünf Teilstücke immer leiser und unbewusster werden - bis am Ende des Morgenstern-Gedichts "Ich habe den Menschen gesehen" alle Stimmen ihren Ruhepunkt in einem langen D-Dur-Akkord finden, der sich ewig auszubreiten scheint.

"Wörther Franziskusmesse" mit Rassochor und den Solisten Edda Sevenich (Mezzosopran) und Stefan Sevenich (Bariton). Sonntag, 23. Oktober, 16.30 Uhr, Rassokirche Grafrath

© SZ vom 20.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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