Grafrath:Begeisterung für den klaren Ton

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Einweihungskonzert für den Nachbau eines Cristofori-Hammerflügels

Von KLAUS MOHR, Grafrath

Musik entsteht immer im Zusammenhang mit den konkreten Möglichkeiten ihrer klanglichen Realisierung. Die historische Aufführungspraxis versucht, die Bedingungen der Entstehungszeit von Werken aus früherer Zeit soweit wie möglich wiederherzustellen. Ein besonders spannendes Phänomen ist dabei die Musik für Tasteninstrumente, weil sich die Klaviere nicht nur hinsichtlich ihrer Tonerzeugung, sondern insbesondere auch im Hinblick auf das Klangresultat immer wieder deutlich verändert haben. Der Cellist Reinhold J. Buhl hat in seinem Musikhaus in Marthashofen im Laufe vieler Jahre durch unermüdliches Engagement in ideeller wie finanzieller Hinsicht eine Reihe von originalen Hammerflügeln versammelt, mit denen Kompositionen verschiedener Perioden des 18. und 19. Jahrhunderts jeweils adäquat dargestellt werden können.

Gefehlt hat noch ein Instrument, das quasi den Anfang der Musik für Hammerklavier um 1720 abdeckt. Diese Lücke konnte die Christa und Reinhold J. Buhl Stiftung jetzt durch den Nachbau eines Hammerflügels des in Padua geborenen und in Florenz gestorbenen Instrumentenbauers Bartolomeo Cristofori schließen. Stolz präsentierten Reinhold J. Buhl, die Erbauerin des Instruments Kerstin Schwarz sowie der "Hauspianist" in Marthashofen, Christoph Hammer, den Flügel im Rahmen eines Einweihungskonzerts am Samstag, bei dem kein Stuhl frei blieb. Mitwirkende war auch die Musikerin Dorothea Seel mit ihrer Flauto traverso.

Zu Beginn erklang die allererste bekannte Sonate für Hammerklavier, die von Lodovico Giustini stammt und 1732 in Florenz gedruckt wurde. Giustini gab dieser Sammlung von Sonaten den Titel "Sonate da Cimbalo di piano, e forte detto volgarmente di martelletti". Die entscheidenden Hinweise, dass die Werke nicht für das damals gebräuchliche Cembalo geschrieben wurden, finden sich in den Worten "piano e forte", was die unterschiedliche Dynamik im Spiel explizit nennt, sowie in "martelletti", was übersetzt "Hämmerchen" bedeutet. Hinter der Bezeichnung "Sonate" verbirgt sich in diesem Fall eine Abfolge aus Suitensätzen.

Der Zuhörer vernahm gleich zu Beginn einen äußerst zuverlässig ansprechenden Ton, der nicht allzu laut war, so dass er den intimen Rahmen des Kammermusiksaals wunderbar füllte. Dabei blieb die Mechanik des Instruments nicht ganz unhörbar, was dazu führte, dass der Hörer quasi Zeuge des Entstehungsprozesses jedes einzelnen Tons wurde. Christoph Hammer begegnete diesen Bedingungen mit einem sehr klaren Anschlag, der im Detail nuanciert war. Im raschen Kopfsatz Balletto entstanden aus den empfindsamen Abstufungen der Töne zunächst dynamische Bögen, die zur Grundlage von Spannungsbögen wurden. Der folgende Corrente-Satz bestach in der transparenten Unterscheidung von gebundenen und gestoßenen Tönen und gewann dadurch seine Struktur. In der Sarabanda kam in ganz zartem Ausdruck der Ton nicht aus dem Nichts. Dem eigentlichen Ton ging die hörbare Bewegung des Hammers voraus, so dass der Prozess der Tonerzeugung wie in Zeitlupe vorgeführt wurde. Vital und präzise war das Spielwerk in der Giga, so dass ein Hauch von Virtuosität auch im Funktionieren der Mechanik des Instruments entstand.

Giovanni Battista Ferrandini wurde zwar in Venedig geboren, war aber lange Zeit am Münchner Hof tätig. Von ihm erklang eine Sonate für Flauto traverso und Basso continuo. Im langsamen ersten Satz war der Klang beider Instrumente gut austariert zwischen der von Dorothea Seel reich ausgezierten Linie der Flöte und der sensiblen Begleitung durch das Hammerklavier. Das verbindende Element beider Partner war die feine, nie spitze, aber mit zahlreichen Obertönen angereicherte Klangcharakteristik. In Verbindung mit der ganz prägnanten Ansprache der Töne ergab sich eine hohe Zuverlässigkeit im Zusammenspiel, die der Musik weiten Raum eröffnete.

Auch der nächste Komponist, Giovanni Benedetto Platti, war ein in Italien geborener Musiker, der lange Zeit seines Lebens in Würzburg wirkte. Eine Sonate für Barockcello und Basso continuo stand mit Reinhold J. Buhl und Christoph Hammer auf dem Programm. Der Cellist vermied jede Härte im Bogenstrich, setzte auf einfühlsame Kantilenen und sparsames Vibrato, und stellte so eine klangliche Verbindung zum Ton des Hammerklaviers her. Besonders überzeugend waren dabei die Stellen, an denen die Instrumente eng ineinander verzahnt waren.

Zum Schluss gab es langen Beifall und eine Zugabe. Der größte Anteil des Beifalls dürfte jedoch dem neuen Hammerflügel gegolten haben, der die Anwesenden absolut begeistert hatte.

© SZ vom 28.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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