Gesundheit:Anonyme Aids-Tests geben Gewissheit

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Jährlich lassen sich bis zu 100 Personen im Gesundheitsamt auf eine HIV-Infektion untersuchen

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Wann kann man sich schon zu hundert Prozent sicher sein? In der Medizin liefert erst ein Test die absolute Gewissheit. Und weil es im Fall des HI-Virus wichtig ist, so früh wie möglich von der Ansteckung zu erfahren, wirbt das bayerische Staatsministerium für Gesundheit und Pflege in der HIV-Testwoche, die am Donnerstag beginnt, für mehr Aufmerksamkeit. Auch das Gesundheitsamt in Fürstenfeldbruck bietet bis 30. November verstärkt Informationen über das Virus an. Dort können alle, die sich nicht ganz sicher sind, kostenlos und anonym einen HIV-Test machen.

Rudolf Summer, der das Gesundheitsamt an der Hans-Sachs-Straße leitet, schildert den Ablauf: Wer sich testen lassen möchte, muss keinen Namen nennen, lediglich den dritten Buchstaben vom Nachnahmen und einen Teil der Postleitzahl. Das sei nötig, um in der Statistik Doppelmeldungen zu vermeiden. Ein Amtsarzt fragt, welche Motivation den Patienten zu ihm bringe und nimmt ihm dann zwei bis drei Milliliter Blut ab. Dieses geht anschließend per Post an das Landesamt für Gesundheit in Oberschleißheim. Etwa eine Woche muss der Patient auf das Ergebnis warten. Und hier werde es oft kritisch, sagt Summer. Denn obwohl es sehr selten vorkomme, dass tatsächlich jemand HIV-positiv getestet werde, sei die Angst vor dem Ergebnis groß. "Für viele ist es immer noch eine Art Krebsdiagnose." Früher sei es tatsächlich ein Todesurteil gewesen, zu hören, dass man mit dem Virus infiziert wurde, sagt er. Aber heute ermögliche die Kombination verschiedener Virostatika ein "fast normales Leben". Je früher die Ansteckung erkannt und medikamentös behandelt werde, desto wirksamer sei die Therapie. Allein deshalb ist es laut Summer wichtig, das Angebot des anonymen, kostenlosen HIV-Tests wahrzunehmen, den man im Übrigen nicht nur in dieser Woche, sondern das ganze Jahr über machen kann.

Jährlich kommen zwischen 80 und 100 Menschen zum HIV-Test ins Gesundheitsamt. "Das ist nicht die Welt", sagt Summer. Die Angabe der pro Jahr bei ihm positiv Getesteten lautet "null bis eins". Aber diese niedrigen Zahlen können täuschen. Erstens muss eine unbekannte Dunkelziffer bedacht werden. Zweitens erhebt das Robert-Koch-Institut (RKI) jedes Jahr bundesweit die Zahlen. Aus ihren Berichten geht hervor, dass die HIV-Neudiagnosen in Deutschland seit Jahren steigen, im Jahr 2016 gab es mit rund 3400 Neudiagnosen allerdings einen leichten Rückgang um acht Prozent zum Vorjahr. In Bayern leben etwa 11 600 Menschen mit dem Virus. Bis Ende 2015 gab es im Freistaat etwa 390 Neudiagnosen. Verbindliche Zahlen für den Landkreis gibt es Summer zufolge nicht, weil sich viele nicht dort testen lassen, wo sie gemeldet sind.

Summer weiß seine Patienten in Gruppen einzuteilen. Ins Brucker Gesundheitsamt würden oft die Ängstlichen kommen, also diejenigen, die eigentlich keinem großen Risiko ausgesetzt waren, sich aber aus Sicherheitsgefühl oder für das eigene Gewissen ein erhofftes negatives Ergebnis einholen möchten. Die machten etwa 20 Prozent der Besucher aus. Etwa genauso viele sind jene, die zu zweit kommen, und eine neue Beziehung anfangen wollen. Denen sei es wichtig, von Anfang an mit offenen Karten zu spielen. "Eine rationale Geschichte", sagt Summer. Diejenigen, die einmalig einem realen Risiko ausgesetzt waren, kommen auch. Etwa, weil sie ungeschützten Sex hatten, bei dem es zu einer Blutung kam. Aber "da wäre es gut, wenn da mehr kommen würden", sagt Summer. Arzthelfer oder Polizisten, die durch berufliche Kontakte gefährdet seien, stellten Einzelfälle dar. Intravenös Drogensüchtige und Homosexuelle, laut Summer Angehörige der zwei Risikogruppen, würden jedoch "sehr selten" zum Test nach Bruck gehen. Meist nutzten sie spezielle Angebote, wie von der Aids-Hilfe, in München. Außerdem überwiege in vielen Fällen das Misstrauen gegenüber staatlichen Einrichtungen.

Aus dem RKI-Bericht geht hervor, dass rund 93 Prozent der Neudiagnostizierten in Deutschland Männer sind. Die Entwicklung unter schwulen Männern präge hierzulande "primär" das gesamte Infektionsgeschehen, schreibt das Institut. Summer sagt jedoch, dass entscheidender als die Sexualpraxis die Stabilität der Beziehung sei. Natürlich wünscht er sich, dass mehr Menschen den Test machten, aber noch wichtiger sei die Aufklärung. "Wenn, dann bitte schön mit Kondom!"

© SZ vom 23.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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