Gesprächsrunde:Im Seelengekröse das schlummernde Böse

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"Positives Streitgespräch" vor leerem Haus: Unter der Moderation von Werner Wallner (rechts) lassen sich Brigitte Molnar und Rainer Langhans über den Seelenhaushalt der Menschheit aus. (Foto: Günther Reger)

Der Ex-Kommunarde Rainer Langhans und die Therapeutin Brigitte Molnar reden über Trump und Erdoğan. Diese reagieren angeblich entweder kindliche Traumata ab oder halten anderen den Spiegel von deren Schlechtigkeit vor

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Parole, das Private ist politisch, stammt von der zweiten Frauenbewegung. Gemeint ist, dass patriarchale Strukturen, im weiteren Sinn jede Form von Herrschaft, noch unsere privatesten Beziehungen, etwa zwischen Mann und Frau, formen. Im Zerfallsprozess der Neuen Linken kaperten Exponenten der Esoterik- und Psychoszene diese Parole und verdrehten sie zur Nabelschau nach dem Motto: Im Seelengekröse des Menschen schlummert das Böse. Gesellschaftliche Verhältnisse spielen in diesem Weltbild keine große Rolle, sie gelten dem Erleuchteten als Spiegelung und Illusion.

Wie solches Geschwurbel auf die Weltlage angewandt wird, führten Rainer Langhans und Brigitte Molnar am Donnerstag exemplarisch im Veranstaltungsforum Fürstenfeld vor. Unter dem Titel "Das Private ist das Politische" sollten die Therapeutin und der Ex-Kommunarde über Angela Merkel, Donald Trump und die Lügenpresse diskutieren und im Anschluss ihre Bücher signieren. Der Dschungelcamp-gestählte Langhans erwies sich allerdings nicht als Publikumsmagnet. Nicht einmal ein Dutzend Zuhörer kam.

Nach Ansicht von Langhans verwirklicht das Internet heute die Utopien der 68er-Rebellen. In jenem Jahr seien viele "so verrückt, wie ich immer war", gewesen, mit Love and Peace, Sex and Drugs and Rock'n'Roll - und hätten in einer anderen Realität gelebt. Anschließend seien die meisten in die Normalität zurückgefallen und er ziemlich verzweifelt gewesen, bis er begriffen habe, dass Spiritualität das einzig Wahre sei. Heute ermögliche das Internet jene "All-Liebe", die die Rebellen angestrebt hätten, weil wir alle miteinander in unendlicher Geschwindigkeit verkehren und verschmelzen können.

Bloß könnten die Leute das Neue nicht ertragen, hätten Angst davor, ihre Daten preiszugeben, bedauerte Langhans. So wie die Kommunarden einst die Hüllen fallen ließen, gilt es demnach, im virtuellen Raum die Hosen runterzulassen. Das eigentliche und größte Hindernis auf dem Weg zur Glückseligkeit sind wir jedoch selber, der Faschist und Krieger in uns. Deswegen würden wir ständig Kriege führen und den Planeten zerstören. Mit dem Verstand sei das nicht zu lösen, die ganze Aufklärung seit Kant habe nichts gebracht und die Mission von Trump sei dazu da, uns den Spiegel vorzuhalten. Nun gibt es die Überlegungen von Adorno und Horkheimer zum autoritären Charakter und zur Selbstzerstörung der Aufklärung, sofern sie das Destruktive des Fortschritts nicht bedenkt und sich als blindlings pragmatisiertes Denken in den Dienst eines Systems von Herrschaft und Ausbeutung stellt. Allerdings reflektiert kritische Theorie immer auf die reale Konkurrenz- und Leistungsgesellschaft, während Langhans zwischen dem biologistischen Verdikt, der Mensch sei dem Menschen ein Wolf, und spiritueller Erlösung schwebt.

Langhans gelingt an diesem Abend eine Gratwanderung. Es blieb unklar, was er an den Rechten findet oder ob er sie lediglich als blinde Werkzeuge höherer Mächte sieht. So schwadronierte er über Trump den Macho, der verkünde, allen Frauen zwischen die Beine fassen zu können, während die Frauen sagen würden: "Komm', mach!" Der US-Präsident und die AfD würden echte Alternativen anbieten, während Merkel alternativlos sei, behauptet er. Trump wolle "raus aus dem System". Wir alle lebten in einer faschistoiden Welt und gerade gingen wir da ein Stück raus "und Trump geht voran", denn der sei "der Bewussteste", ähnlich wie Wilders, Erdoğan oder die AfD. Einige Zeit später beschied Langhans dieser vermeintlichen Avantgarde des Bewusstseins das Gegenteil: "Sie alle sind unbewusste Agenten einer heilsgeschichtlichen Entwicklung, nicht bloß die Agenten des Unheils." Bereits vor mehr als drei Jahrzehnten hatte sich Langhans ähnlich über die Nationalsozialisten geäußert: Die Nazis hätten ein Gefühl für den schonenden Umgang mit den Gaben der Natur gehabt, für dezentrale Kreisläufe und Autarkie, Blut und Boden bedeute eigentlich "Wiederverzauberung". Bloß seien die männlichen Nazis dem blutsaufenden Aspekt verfallen. Beim Auftritt in Bruck bezeichnet er den Nationalsozialismus als "Missgeburt einer eigentlichen Heilsgeschichte". Seinerzeit trug ihm das von Ex-68er-Genossen heftige Vorwürfe ein. Allein wie Langhans mit dem Faschismusbegriff um sich wirft, wie in schlechter linker Tradition, trägt zur Relativierung und Verharmlosung bei.

Molnar taugte in der Diskussion nicht mal als Sparringspartner. Mal beklagte sie den Zustand der Welt, dann stellte sie fest, wie lebten in einer "unglaublich paradiesischen Zeit". Ihre Diagnose ist denkbar schlicht: Politiker reagierten im Stress nach Mustern, die auf kindliche Traumata zurückgehen, und produzierten deshalb "Fehlleistungen seit Jahrtausenden". Erdoğan sei als Straßenkind aufgewachsen und schwer traumatisiert, Merkel sei Pastorentochter und habe darum 2015 die Grenze geöffnet. Über Trumps Kindheit wusste die Heilpraktikerin für Psychotherapie nichts Genaues, vermutet aber, dass er es auch nicht leicht hatte und sein Trauma mit dem Slogan "America first" ventiliere. Und Bill Clinton habe den Krieg gegen Jugoslawien bloß eröffnet, um von seiner Sexaffäre mit Monica Lewinsky abzulenken. Mit Brecht möchte man fragen, hatte er nicht wenigstens einen General an seiner Seite beim Kriegführen.

Auf die Frage aus dem Publikum, was die Kanzlerin angesichts der Flüchtlinge hätte tun sollen, meinte Molnar, sich mit den EU-Partnern abstimmen. Im übrigen betreibe sie keine Politikberatung. Entscheidend sei die Erkenntnis des psychologischen Zusammenhangs, darum sollte ihr Buch "Selbst-Heilung mit Inneren Bildern" gelesen werden, vor allem von Multiplikatoren. Und alles wird gut.

© SZ vom 18.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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