Hattenhofen:Tödliches Hexenwerk

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Verendende Pferde und ein verhängnisvoller Kampf zweier liebestoller Männer geben Rätsel auf - wobei eine der Legenden wohl einen wahren Hintergrund hatte.

Von Manfred Amann, Hattenhofen

Pferde, in der Region meist Rösser genannt, waren bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts, bis die ersten Schlepper eingesetzt wurden, neben Ochsen die Zug- und Arbeitstiere und auch der ganze Stolz der Bauern. Darum wurde auch fürsorglich darauf geachtet, dass die Tiere möglichst nicht zu Schaden kommen und stets gut versorgt sind. Der überlieferte Bauernspruch "Rossverrecka is a Schrecka - Weibersterm is koa Verderm" zeugt drastisch von der hohen Wertschätzung für Pferde im 17. und 18. Jahrhundert. Wurde ein Ross aber krank und kein Mittel, kein Brauch, wie geweihte Kräuter füttern oder Ausräuchern des Stalles, und kein Hilferuf an den Tierheiligen Leonhard bewirkte etwas, dann konnte nur eine Trud oder eine Hexe mit ihren schwarzen Künsten dahinter stecken. So geschehen irgendwann bei irgendeinem Bauern in Hattenhofen, wovon die Sage "Die verhexten Pferde von Hattenhofen" erzählt. Aus der Zeit stammt aber auch die Sage "Der geisterhafte Zweikampf bei Hattenhofen", der wohl keinen mystischen, sondern einen realen Hintergrund hatte und einem Flurstück die Bezeichnung "Scheidaus, Scheideck" einbrachte. Diesen Namen taufte der Hattenhofener Volksmund aber bald in "Scheißeck" um.

Erst mal zu den Pferden: Der frühere Heimatpfleger Wolfgang Völk hat dazu aufgeschrieben, dass ein "rechtschaffener Bauersmann", der gut zu seiner Frau und den Kindern gewesen sei und sich das ganze Jahr hindurch abgerackert habe, ab und an Pech im Stall gehabt habe, sich aber dennoch nicht unterkriegen ließ. "Einmal aber grauste es sogar diesem an Schicksalsschläge gewohnten Bauern". Seine reinste Freude habe er mit seinen Pferden gehabt und sogar welche nachgezüchtet, um stets genügend Zugkraft für die meist vollen Erntewagen zu haben.

Die Pferde von Hattenhofen scheinen buchstäblich durch die Hölle gegangen zu sein. (Foto: Juan Gonzalez/dpa)

Mit sichtlichem Wohlbehagen sei er an Sonntagen nach der Nachmittagsandacht mit der Bäuerin und den Kindern auf die Felder und zur Weide seiner Pferde gegangen, die, wie in der Region üblich, "seine guten Heißen" waren. "Doch eines Tages war er sehr betrübt", schrieb Völk, weil zwei seiner Stuten voller Schweiß im Stall standen und am ganzen Körper zitterten. Der Bauer habe ihnen zugeredet, sie gestreichelt, aber sie seien so matt gewesen, "als hätten sie die ganze Nacht über schwerste Fuder gezogen". Die Mähne und die Schwänze der Rösser seien zu kleinen Zöpfen geflochten gewesen. Dies alles sei dem Bauern nicht erklärlich gewesen. Und weil weder gutes Zureden, Trocknen und Striegeln noch Stoßgebete geholfen hätten und die Stuten verendet seien, habe der Bauer geargwohnt, dass Truden oder eine Hexe für diese scheußliche Tat verantwortlich gewesen sein mussten. "Dass das Treiben von Truden und Hexen schuld ist, wenn etwas Unverständliches und Unerklärliches geschieht, war damals fester Bestandteil des Volks- oder besser Aberglaubens in ganz Altbayern", weiß Gisela Schinzel-Penth, die seit Jahrzehnten Sagen und Legenden erforscht und in Sammlungen veröffentlicht. In Bad Tölz zum Beispiel sei einer Sage nach eine Trud schuld daran gewesen, dass ein Bauer nicht am Leonhardiritt habe teilnehmen können.

Mit Truden und Hexen hat "Der geisterhafte Zweikampf bei Hattenhofen" nichts zu tun, aber irgendwie sagenhaft ist das angebliche Ereignis schon. Es geht um die Liebe und um zwei Burschen, die sich um ein schönes, immer fröhliches und fleißiges Mädchen streiten, die eine ansehnliche Mitgift erwarten lässt. "Ein Bursche aus dem Dorf machte sich große Hoffnungen auf das begehrte Mädchen und sah mit scheelen Augen, dass dieses auch einem jungen Mann aus dem Nachbarort mit gleicher Freundlichkeit begegnete wie ihm selbst", erzählt die Sage. Sie hätten "bis auf die Knochen" gestritten, dann aber vereinbart, auf einem Grundstück außerhalb des Ortes nordöstlich vom Ortsteil Haspelmoor um sie zu kämpfen.

SZ Karte (Foto: N/A)

"Mit bloßen Fäusten, aber mit umso größerer Wut", seien sie aufeinander losgegangen und jeder habe von seinem Gegner laut "scheid' aus, scheid' aus" gefordert, wenn er mal die Oberhand bekommen habe. Keiner habe nachgegeben, und der Kampf sei immer verbissener und brutaler geworden, "bis sie einander endlich gegenseitig totgeschlagen hatten". Seit der Zeit, so wird erzählt, ist es auf dem Flurstück, das fortan "Scheidaus" und "Scheideck" hieß, nicht mehr geheuer, denn zu bestimmten Zeiten könne man die beiden Burschen immer noch "scheid' aus" rufen hören. Das Feld nebenan, auf dem die Rivalen vor ihrem Kampf verhandelten, also um das Mädchen geschachert hatten, wird seither "Schacher" genannt.

Helmut Loder und Alfred Beheim, die an der neuen Ortschronik mitarbeiteten, die anlässlich der 950-Jahrfeiern herausgeben wurde, kennen die Sagen, wenngleich ihnen eine zeitliche oder namentliche Zuordnung nicht möglich ist. Über Truden und Hexen findet man in der Chronik nichts, zum "Scheißeck" schreibt Beheim, dass aus dem "d" von Scheideck wohl ein "ß" geworden sei. Loder hat auch das Dialekt-Gedicht, "Sage zum Schacherstreit" wiedergefunden, das er in der achten Klasse vortragen durfte: "An Schacher und an Scheideck draus, do geht's dra diami zua, bei Vollmondschei und Mitanacht, a Stund lang is koa Ruah! Do sausts und pfeifts und schlagts und krachts, a Lärm is und a Gschroa, und Messa schwirrn in da Luft! Und d' Burschn plärrn oizwoa: Hau her! Hau hi! Scheid aus!"

© SZ vom 15.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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