Kunst:Zahlenwerk

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30 Mitglieder der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft präsentieren in Fürstenfeldbruck unter dem Titel "Hundertzwanzig" eine stilistisch und thematisch weit gefasste Ausstellung. Der Besucher kann dennoch eine Klammer entdecken

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Eine schlichte Zahl ist das, was die Kunstwerke im Kunsthaus miteinander verbindet. Hundertzwanzig. So lautet auch der Titel der Ausstellung von 30 Künstlern der Neuen Münchner Künstlergenossenschaft. Doch selbst wer das weiß, wird lange nach dem Ort suchen, an dem sich die Hundertzwanzig verborgen hält. Die Technik, der Stil, die Farbe und Form geben keinen Hinweis auf die Zahl, die gezeigten Stücke zeigen sowohl konkrete, als auch abbildende und abstrakte Kunst.

Im Obergeschoss etwa liegen auf drei Stelen, geschützt von einem Schaukasten, die filigranen Arbeiten von Esther Glück. Es sind Arbeiten, denen etwas Skurriles innewohnt, die bizarr, auf eine diffuse Weise beängstigend wirken. Ihr "Passion" zeigt ein Silikonherz übersät mit männlichem Brusthaar. Dort, wo üblicherweise eine kräftige Ader entspringt, schließt bei Glück die Ballpumpe eines Parfumflakons an. Übersät ist sie mit vergoldeten Dornen. Es ist eine Arbeit, die mit Assoziationen spielt, die auf der einen Seite an eine Waffe erinnert, mit männlichen und weiblichen Momenten kokettiert, dem Sanften und dem Kämpferischen. Das Brusthaar stammt, soviel verrät Glück, wie auch schon bei einer früheren Arbeit, das zum Teil aus Schamhaar bestand, von einem Spender. Wer das ist, bleibt geheim, nur die grauen Stellen lassen auf eine bereits länger zurückliegende Jugend schließen.

Mysteriös wie der Spender des Brusthaars bleibt die Suche nach der Hundertzwanzig auch bei Nicole Frenzels Arbeit, die den schlichten Titel "Kopf" trägt. Ein Frauenkopf aus Terracotta an der Stirnseite des Raums. Die Augen der Frau sind geschlossen, die Gesichtszüge wirken weich und ruhig. Erst seit Kurzem arbeitet Frenzel so figurativ. Frühere Arbeiten hatten zwar, ähnlich wie der Frauenkopf, immer einen sehr starken Bezug zum Raum, waren aber abstrakter. Die Hinwendung zum Figurativen drückte sich erst nach und nach in Körperformen aus. Frühere Arbeiten der Künstlerin beschäftigen sich mit Armen oder Beinen, die aus einer nackten Wand ragen. Die Arbeit an dem Kopf sei insofern etwas besonderes gewesen, da sich in ihr nicht nur Überlegungen zu Dimension, Proportion und Oberfläche vereinen, sondern auch deshalb, weil gerade beim Porträt die Figur am stärksten zum Gegenüber werde, meint Frenzel. Ihr Werk trägt die Züge ihrer Tochter Dora.

Der Zahl kommt schließlich einen Schritt näher, wer vor Thomas Breitenfelds "Fibonesco" steht. Breitenfeld hat dafür Romanesco abgeformt, die fraktale Form des Gemüses habe ihn interessiert. Der Titel vereint Romanesco mit dem Namen von Leonardo Fibonacci, nach dem die Fibonacci-Folge benannt ist. Eine feste Zahlenfolge, die sich in Verhältnissen, Längen und Abständen als Muster überall in der Natur und auch im goldenen Schnitt wiederfindet. Eine der Besonderheiten an Breitenfelds Bronzeguss ist, dass die Gusshaut auf der Außenseite rau und unbehandelt geblieben ist. Die Innenseite hat der gelernte Holzbildhauer und Bronzegießer poliert. Und ähnlich eines Geästs zeigt sich dort auch das Angusssystem. Erst im Arbeitsprozess, den der Künstler als essenziellen Bestandteil des Kunstwerks begreift, fiel die Entscheidung, das System nicht zu entfernen.

Und die Hundertzwanzig? Der erste Vorsitzende des Fördervereins Kunsthaus FFB, Manfred Hollenbach, und der Organisator der Ausstellung, Gerhard Derriks, lösen auf. Als verbindendes Element der Ausstellung sind sämtliche Bilder, Sockel oder Kunstwerke inklusive Sockel 120 Zentimeter hoch. Eine, die die Vorgabe in mehrfacher Hinsicht umgesetzt hat, ist Charlotte Dietrich. Ihre großformatige Kohlezeichnung "120" besteht aus zwei Teilen und zeigt einmal ein Selbstporträt ihres Körpers 120 Zentimeter kopfabwärts und einmal fußaufwärts. Insgesamt ist Hundertzwanzig eine überaus gelungene Ausstellung, deren Besuch sich absolut lohnt.

Die Ausstellung "Hundertzwanzig" wird am Freitag, 12. Februar, um 19.30 Uhr eröffnet. Geöffnet ist sie bis zum 24. April, dienstags bis samstags von 13 bis 17 Uhr und sonntags von 11 bis 17 Uhr.

© SZ vom 11.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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