Fürstenfeldbruck:Vom Bettenmacher zum Facharzt

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Die vielen Facetten des Krankenhausalltags lernt Praktikant Rony Said am Klinikum Fürstenfeldbruck kennen. Er macht ein Praktikum als Pfleger. (Foto: Günther Reger)

Der 18 Jahre alte Rony Said aus Syrien macht im Klinikum Fürstenfeldbruck ein Praktikum. Der Flüchtling sieht das als Basis für ein Medizinstudium an. Bis er aber zugelassen wird, wartet noch eine wichtige Prüfung auf ihn

Von Anna Landefeld-Haamann, Fürstenfeldbruck

Ein verheerender Bürgerkrieg hätte fast den Traum eines kleinen Jungen zerstört, der sich schon früh in den Kopf setzte: Ich will Arzt werden. Aber eben nur fast. "Rony Said, mein Name", sagt der heute 18 Jahre alte Syrer und deutet lächelnd auf das Ansteckschildchen an seiner hellblauen Krankenhauskluft. Seit drei Wochen absolviert der junge Asylbewerber ein Pflegepraktikum auf der urologischen Station in der Brucker Kreisklinik.

"Ich habe viel gelernt und freue mich, dass ich einiges auch schon ohne die anderen Pfleger machen durfte", erzählt er stolz. Blutdruck messen, Urinproben auswerten, Essen verteilen, Patienten waschen und Betten machen - für Said ist das in der Zeit auf der Station zum Alltag geworden. Nur an das frühe Aufstehen zur 6-Uhr-Schicht, daran müsse er sich noch ein bisschen gewöhnen, fügt er augenzwinkernd hinzu. Im kommenden Jahr möchte er in Deutschland Medizin studieren. "Ich will Menschen helfen", sagt er entschlossen. Gesundheit, das hätten ihm die vergangenen Jahre sehr deutlich gezeigt, sei wertvoller als jeder Luxus und alles Geld.

Seit einem Jahr lebt Said in Fürstenfeldbruck. Zuerst kam er gemeinsam mit 13 anderen minderjährigen Flüchtlingen im katholischen Landschulheim in Grunertshofen unter, heute wohnt er im Brucker Hotel Drexler. Mehr als zehn Monate wartete er auf den Bescheid über seine Duldung. Davor lebte er ohne offizielle Papiere. "Diese Zeit war schlimm für mich, weil ich nicht wusste, was mit mir passieren wird", erzählt Said. Doch der ehrgeizige Syrer möchte sich auch mit der Duldung nicht zufrieden geben. "Ich weiß, ich bin sehr ungeduldig. Ich will so viel machen, aber ich darf nicht", erzählt er und kann den Ärger darüber in seiner Stimme kaum verbergen. Er hofft auf eine Aufenthaltserlaubnis, mit der er arbeiten und auch studieren darf.

"Allein das Studium wird mindestens sechs Jahre dauern. Wenn dann noch die Facharztausbildung dazukommt, bin ich locker bei zwölf", erzählt Said lebhaft und rechnet mithilfe seiner Finger lieber noch einmal nach. Später irgendwann will er den Führerschein machen, denn Autofahren fasziniert ihn sehr. Spanisch und Französisch lernen, reisen, vielleicht heiraten, eine Familie gründen, all das wolle er erreichen. Für das nächste halbe Jahr heißt es aber erst einmal lernen: Die DSH steht an, die Deutsche Sprachprüfung für den Hochschulzugang. Bei dieser muss Said zeigen, dass er Vorlesungen und Seminaren an der Uni problemlos folgen kann. Bloß keine Zeit verschwenden und - vielleicht das Entscheidende für Said: Unabhängigkeit. "Es ist mir unangenehm, auf Kosten des Staates leben zu müssen", sagt er leise und beginnt aus Verlegenheit seine Hände zu kneten. Momentan könne er aber nichts weiter tun, als dankbar dafür zu sein, in Sicherheit zu leben.

Dass seine Flucht aus dem Bürgerkriegsgebiet beschwerlich und kräftezehrend gewesen sein muss, deutet er häufig nur an. Mitten im Satz stoppt er, presst die Lippen aufeinander, als er von seinen Erlebnissen in den serbischen Wäldern zu erzählen beginnt. "Ich bin über die Türkei, Bulgarien, Serbien und Ungarn bis nach Deutschland gekommen. Manchmal bin ich mit dem Auto gefahren. Meistens musste ich laufen", fasst Said seine zweimonatige Odyssee nüchtern zusammen. "Ich bin hier, nur das zählt jetzt für mich", schließt er mit einem Lächeln. 


Doch sofort nimmt sein Gesicht wieder einen ernsten Ausdruck an. Die aktuelle Situation in seiner 4000 Kilometer entfernten Heimat, bedrückt ihn sehr. "Dieser Krieg ist Wahnsinn. Kein Mensch weiß noch, wer sich da bekämpft und warum." Oft sei er in Gedanken bei seinen Eltern und seinen Geschwistern, die noch in Syrien leben. "Ich möchte meine Familie so gerne zu mir holen", sagt Said plötzlich wieder mit fester Stimme. Irgendwann wieder gemeinsam leben zu können, wieder eine Familie sein, das sei neben dem Arztberuf sein sehnlichster Herzenswunsch.

© SZ vom 19.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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