Fürstenfeldbruck:Vergängliche Kunst

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In der Ausstellung "Latitüden" im Haus 10 zeigen Hama Lohrmann und Dagmar Langer ihre Werke aus Naturmaterialien. Die beiden verbindet eine Klarheit in der Form und ihre Einstellung zur Welt

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Normalerweise sieht das Arbeitsumfeld von Hama Lohrmann anders aus: Statt in einem Ausstellungsraum arbeitet er gewöhnlich in der Natur. Sei es im Hochgebirge oder in der Wüste, jeder Ort der ihn inspiriert, kann ihm als Raum für seine Kunst dienen. Für die aktuelle Ausstellung im Haus 10 hat der Land-Art-Künstler seine gewohnte Umgebung allerdings verlassen. Gemeinsam werden er und die Keramikkünstlerin Dagmar Langer drei Skulpturen schaffen und außerdem jeweils einige eigene Werke zeigen. Zu sehen ist die Ausstellung "Latitüden" von diesem Freitag an.

Noch sieht es im Haus 10 jedoch eher wie in einem Baumarkt aus, als in einem Ausstellung: Eine Wanne mit Ziegelmasse steht da, daneben Säcke mit Erde und Tonmehl. Lohrmann und Langer arbeiten mitten im Raum an einer großen Skulptur. Eingerahmt von Blumenerde liegen da bereits zwei lange Streifen aus Ziegelmasse, die mit Porzellan bestrichen und mit Schilfrohren gespickt sind und die eine Fläche markieren, deren Boden mit rotem Tonmehl bestreut ist. In der Mitte stehen zwei große, glatte Flusssteine, die Lohrmann vom Lech hat. So entsteht eine Verbindung aus Natur und menschlicher Schaffens- und Gestaltungskraft. Geradezu archaisch wirkt es, wie der Mensch da versucht, die Natur nach seinen Vorstellungen zu formen. Da passt es nur all zu gut, dass die Skulptur zum Ende der Ausstellung wieder aufgelöst wird und verschwindet.

Langers Skulpturengruppe zeigt fünf Münder. (Foto: Günther Reger)

Langer und Lohrmann haben bereits mehrfach zusammen gearbeitet. Verbunden werden sie durch formale Gemeinsamkeiten genauso wie durch ihre künstlerische Haltung. "Wir sind keine intellektuellen Künstler, die lange über einer Idee brüten. Uns geht es darum etwas zu tun, mit unseren Händen etwas zu schaffen", sagt Lohrmann und Langer ergänzt: "Wir sind der Meinung, dass wir die Welt nur über das Tun, über das Handeln, erfahren können." Die Zusammenarbeit mit Lohrmann habe sie erst so richtig in die Natur gebracht, dahin also, wo die Materialien, die sich verwendet, herkommen. "Außerdem arbeitet er seit Jahren mit Linien in seinen Bildern, einer Art, in der ich vor vielen Jahren auch gezeichnet habe", sagt Langer. Formal legen beide Wert auf klare Konturen und eine gewisse Strenge im Ausdruck.

In einem klar definierten Raum zu arbeiten, sei für ihn durchaus eine Einschränkung, aber auch eine Herausforderung, betont Lohrmann. "Es geht darum, so mit dem Raum zu arbeiten, dass die Betrachter die Sinnlichkeit der Kunst spüren. Darum, die Offensichtlichkeit des Nicht-Besitzen-Könnens zu zeigen", sagt Lohrmann, der bereits mehrere Kunstpreise gewonnen hat, darunter den Förderpreis seiner Heimatstadt Augsburg und der eine Ausbildung zum Zimmermann absolviert hat. In der Natur gebe es unzählige Faktoren, die ein Kunstwerk beeinflussen und auf die man achten müsse, während im Raum ganz andere Voraussetzungen herrschen, so der 50-Jährige. Da seine Kunst nicht transportabel ist, zeigt er in der Ausstellung Fotografien seiner Werke, wie einen großen Kreis aus Lavasteinen am Strand von Lanzarote. Außerdem sind Bilder von Gemeinschaftsarbeiten von Lohrmann und Langer zu sehen. Etwa ein großer Tonkreis im Wald, in dem ein großes Feuer brennt oder eine felsige, spärlich begrünte Landschaft in der ein nackter Mensch liegt.

Gemeinsam arbeiten Hama Lohrmann und Dagmar Langer an einer Installation aus Ton, Ziegelmasse, Porzellan und Erde. (Foto: Günther Reger)

Dagmar Langer arbeitet hauptsächlich mit Ton und Porzellan. Es ist der Widerspruch zwischen diesen beiden Materialien, der sie fasziniert. "Das Porzellan ist weiß und dem gegenüber steht die Keramik, die ich im Freien im Feuer brenne und die ganz schwarz wird", erzählt Langer, die nach der japanischen Raku-Technik arbeitet. Rot, Schwarz und Weiß seien ihre Farben. Lange wurde 1961 in Meißen geboren und hat nach einer Ausbildung zur Zahntechnikerin zuerst im Privatunterricht, dann an der Hochschule für Bildende Künste Dresden und in der Meißener Porzellanmanufaktur das Kunsthandwerk gelernt. Von ihr ist unter anderem eine Gruppe aus fünf Skulpturen zu sehen. Sie erinnern an menschliche Körper, die jedoch keine Glieder und Köpfe, sondern nur Münder haben. Kommunikation reduziert aufs Wesentliche.

Die Ausstellung ist eine erfrischende Abwechslung im Haus 10, da sie ungewöhnliche und meist vergängliche Werke zeigt und damit eine ganz eigene Kunsterfahrung schafft, die sich angenehm von klassischen Malereien und Skulpturen abhebt. Die Kraft, die bereits die halb fertig gestellten Skulpturen ausstrahlen, regt zur Auseinandersetzung mit dem Verhältnis zwischen dem Menschen und der Umwelt und im Besonderen zwischen der Kunst und der Natur an.

Ausstellung "Latitüden" mit Werken von Dagmar Langer und Hama Lohrmann im Haus 10, Kloster Fürstenfeld, ist vom 18. April bis zum 3. Mai zu sehen. Vernissage am Freitag, 17. April um 19 Uhr.

© SZ vom 16.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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