Fürstenfeldbruck:Turnhallen bleiben Dauerunterkünfte

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Landrat Karmasin geht davon aus, dass er noch mehr Sportstätten für die Flüchtlinge braucht. Nun will er prüfen, ob der Fliegerhorst weitere Räume bereitstellen kann und ob sich die Tiefgarage am Bahnhof Buchenau eignet

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Schwierigkeiten, im Landkreis Unterkünfte für Flüchtlinge zu finden, werden immer größer. Schulen und Vereine müssen sich deshalb darauf einrichten, länger als geplant auf die Nutzung ihrer Turnhallen zu verzichten. "Ich sehe nicht, welche Halle wir räumen könnten", sagt Landrat Thomas Karmasin (CSU). "Im Gegenteil, wir werden weitere belegen müssen." Gleichzeitig hat Karmasin Kontakt mit der Bundeswehr aufgenommen. Er möchte versuchen, dort über das Kontingent der Erstaufnahmestelle hinaus weitere Flüchtlinge einzuquartieren. Auch die Tiefgarage unter dem Geschwister-Scholl-Platz am Bahnhof Buchenau wird er nun als Unterbringungsmöglichkeit prüfen lassen.

Die betroffenen Schulen müssen improvisieren, um im gerade gestarteten Schuljahr überhaupt Sportunterricht erteilen zu können. "Noch sind wir mit dem Wetter glücklich und können rausgehen", sagte Beate Sitek, Leiterin des Gymnasiums Olching am Mittwoch. Ihre Schule wurde schon im Frühjahr vom Landkreis für den Notfallplan der Regierung von Oberbayern genannt. Jetzt wurden in der Turnhalle Betten und Schränke für 150 Personen sowie Tische und Stühle zum Essen aufgestellt. Ob und wann Flüchtlinge dort einziehen, steht allerdings noch nicht fest. Eingezogen in die auf dem Schulgelände befindlichen Klassenzimmer-Container, die das Olchinger Gymnasium für Unterrichtszwecke nicht mehr benötigt, sind vorige Woche 45 unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Am 6. Oktober findet dazu in der Schulaula eine Bürgerversammlung mit Vertretern von Schule, Stadt und Landkreis statt.

Für den Notfall vorbereitet ist die Turnhalle des Gymnasiums in Olching. Dort ließ das Landratsamt Betten für 150 Flüchtlinge aufstellen. (Foto: Günther Reger)

In Puchheim sind bereits Anfang August fast 200 Asylbewerber in den beiden Turnhallen des Schulzentrums, das Gymnasium und Realschule bilden, untergekommen. Die Schulleiter hatten erst wenige Tage zuvor davon erfahren. In der Dreifachhalle des Gymnasiums stehen die Betten, in der Einfachhalle wurde der Essensbereich eingerichtet. Nach 16 Uhr nachmittags, wenn die Schüler zu Hause sind, dürfen die Flüchtlinge den sogenannten roten Platz mitbenutzen, dann wird der Sicherheitszaun vom Sicherheitsdienst um ein paar Meter verschoben, berichtet Puchheims Gymnasialdirektor Georg Baptist. Der hatte ohnehin nicht damit gerechnet, dass seine Sporthalle bis Schuljahresbeginn wieder frei würde. Auch die Tatsache, dass Mitte Oktober das Flüchtlingsquartier der Stadt an der Siemensstraße für 160 Asylbewerber bezugsfertig sein wird, dürfte auf lange Sicht kaum etwas daran ändern. Wenn dem Landkreis wie derzeit pro Woche 43 weitere Flüchtlinge zugeteilt würden, "reicht das gerade mal für vier Wochen", sagt Landrat Karmasin.

Derweil muss Schulleiter Baptist umdisponieren. Vor allem für die Oberstufenschüler sind Ausweichquartiere schon gefunden, sie könnten im Sportzentrum an der Bürgermeister-Ertl-Straße, am Gerner Platz und in Gröbenzell unterkommen. Die Sportstunden der übrigen Klassen von Gymnasium und Realschule könnten in der Laurenzer Halle in Puchheim-Ort und in der Halle an der Heckenstraße in Olching stattfinden. Doch abgesehen von der Frage, ob es sinnvoll ist, dass Schüler für eine Doppelstunde in eine andere Gemeinde gebracht werden, ist auch die Frage der Finanzierung der Schülerbeförderung nicht geklärt. Baptist sagt klipp und klar: "Meine Erwartung ist, dass das bezahlt wird." Karmasin indes sagt: "Die Frage ist, ob jeder Fünftklässler irgendwo hinfahren muss." Bis zu den Herbstferien gibt der Landrat den Sportplänen der Puchheimer grünes Licht, danach sollen die Kreisgremien darüber befinden, ob der Landkreis die Kosten für die zusätzlichen Busfahrten übernehmen wird. Auch die neue Einfachturnhalle in Maisach, die Real- und Mittelschule gemeinsam nutzen, bleibt vorerst für den Sport tabu. Die 15 minderjährigen Flüchtlinge, die dort untergebracht wurden, sind zwar in den Olchinger Container umgezogen, Nachmieter aber sind bereits wieder eingezogen.

Landrat Karmasin verlangt jetzt, dass die großen Städte und Gemeinden mehr Verantwortung über- und mehr Flüchtlinge aufnehmen. Wenn der Zustrom weiter anhalte, könne er "den Gesichtspunkt der gerechten Verteilung nicht mehr priorisieren", kündigt der Landrat an. Das heißt, dass auch die Quotenregelung über eine Verteilung auf alle Kommunen, die man im vergangenen Jahr mühevoll erarbeitet hat, Makulatur ist. Das heiße aber nicht, dass sich die kleinen Gemeinden jetzt entspannen könnten, warnte Karmasin. In Germering wird eine Traglufthalle errichtet, auch Puchheim und Esting hatten dafür Grundstücke angeboten. Zudem möchte der Landrat klären, ob im Fliegerhorst weitere ungenutzte Räume frei werden könnten. Auch die Stadt Fürstenfeldbruck hat sich bereits auf die Suche nach Alternativen gemacht. SZ-Informationen zufolge soll auch die Eignung der Marthabräuhalle als Unterkunft geprüft werden. Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV) hatte Ende August Bedenken gegen die Belegung der Turnhallen angemeldet und angeregt, beheizbare Zelte aufzustellen. Kommenden Donnerstag wird der Kreisausschuss darüber befinden. Auch die Tiefgarage unter dem Geschwister-Scholl-Platz, unter deren Fahrzeugebene sich ein Bunker befindet, nennt Karmasin "eine Option" als Notunterkunft und fragt: "Was soll ich tun im Notfall an einem Dezembertag bei Eiseskälte?" Dort wäre Platz für 2000 Leute. Auch in Österreich würden Tiefgaragen für die Flüchtlingsunterbringung genutzt.

Derzeit befinden sich etwa 1900 Asylbewerber im Landkreis, davon knapp 800 in der Erstaufnahmeeinrichtung im Fliegerhorst. Wöchentlich kommen 43 Erwachsene hinzu. Karmasin rechnet nicht damit, dass es ausreichen wird, 3000 Flüchtlinge in diesem Jahr im Landkreis aufzunehmen, es könnten auch 1000 mehr werden. Neue Zahlen seien angekündigt, aber noch nicht da, sagt Sprecherin Ines Roellecke: "Wenn die krass höher werden, können wir unsere Pläne in den Mülleimer werfen."

© SZ vom 18.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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