Fürstenfeldbruck:Stadträte fühlen sich vom OB übergangen

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Nach kontroverser Debatte legt die SPD nun auch offiziell ihr Veto gegen die Genehmigung eines Bauprojekts im Brucker Zentrum ein. Politiker mehrerer Fraktionen werfen Erich Raff vor, geltende Beschlüsse zu ignorieren. Verwaltungsexperten widersprechen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Kann es sein, dass der Stadtrat einen Beschluss fasst und sich ein Oberbürgermeister und seine Stadtverwaltung darüber hinwegsetzen dürfen, weil jener Beschluss mit geltenden Gesetzen kollidiert? Ja, meint der Rechtsexperte. Nein, meinen mehrere Mandatsträger. Die Sache könnte nun ein Nachspiel haben - die SPD will notfalls sogar die Aufsichtsbehörden einschalten.

Im Kern geht es um den Paragrafen 34 aus dem Baugesetzbuch, der in Innenstadtbereichen regelmäßig zur Anwendung kommt, wenn jemand sein Grundstück bebauen will. Wörtlich heißt es dort im ersten Abschnitt in einem etwas sperrigen Juristendeutsch: "Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden."

Zwischen Rathaus (das große Gebäude rechts unten) und der querenden Philipp-Weiß-Straße entstehen Neubauten. (Foto: Google Maps)

In der Praxis heißt das: Handelt es sich um ein überschaubares Bauprojekt im Innenbereich einer Stadt und wird deshalb auf einen aufwendigen Bebauungsplan verzichtet, dann können sich die vom Bauwerber beauftragten Architekten an der Bebauung in der Umgebung orientieren. Natürlich müssen gesetzliche Abstandsflächen eingehalten werden, aber wenn rundherum dreigeschossige Häuser stehen, dann kann die Kommune dem Antragsteller einen dreigeschossigen Bau kaum verweigern.

OB Erich Raff. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Deshalb haben Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) und die Bauverwaltung auch im aktuellen Fall in Eigenregie den nachträglich formulierten Wunsch des Grundeigentümers nach einem dritten Obergeschoss erfüllt - mit Verweis auf eben jenen Paragrafen 34. Bebaut werden soll das Areal zwischen Philipp-Weiß-Straße und Rathaus, das im Osten an das Rössiggelände grenzt. Im Gremium handelte sich der OB dafür harsche Kritik ein. Viele Stadträte, vor allem aus den Fraktionen von SPD und BBV, fühlen sich übergangen, hatte der Stadtrat auf Vorschlag des Bauausschusses doch 2017 noch eine Genehmigung des Bauantrags und damit einen Verzicht auf eine eigene, umfassende Bauleitplanung an Bedingungen geknüpft. Dass nun aber "ohne Gegenleistung" (Baureferent Christian Stangl, Grüne) höher gebaut werden darf und vor allem dass ein ursprünglich vom Bauherrn zugesicherter 4,80 Meter breiter Fuß- und Radweg zwischen Rathaus und Philipp-Weiß-Straße schmaler werden soll, das will auch Alexa Zierl (Die Partei und Frei) nicht hinnehmen: "Wir haben etwas anderes beschlossen." Andreas Ströhle (BBV) wehrt sich ebenfalls gegen die "höchst unglückliche Entscheidung" und dagegen, hier etwas "einfach so hingeklatscht zu bekommen", ohne das Gremium konsultiert zu haben. "Ich fühle mich überfahren", murrt Fraktionskollege Karl Danke. Und auch Gabriele Fröhlich findet, dass man "nicht so mit uns umgehen" kann. Rückendeckung erhält Raff von Stadtjurist Christian Kieser, Stadtbaurat Martin Kornacher und dem Juristen Franz Neuhierl (Freie Wähler), die glauben, dass sich am Paragrafen 34 nicht viel rütteln lässt. CSU-Fraktionschef Andreas Lohde kann die Kritik zwar auch nicht ganz nachvollziehen, plädiert aber angesichts "des Unbehagens im Gremium" für eine erneute Prüfung - die sich an diesem Tag aber nicht durchsetzen lässt, weil der Punkt gar nicht zur Abstimmung steht. Walter Schwarz (SPD) reicht deshalb tags darauf einen Antrag nach und weiß die Fraktionen der Grünen und der BBV sowie Alexa Zierl hinter sich. Darin fordert er Erich Raff auf, "die von Ihnen beabsichtigte Genehmigung nach Paragraf 34 vorläufig noch nicht zu erteilen." Vielmehr müsse der Vorgang nochmals im Fachausschuss beraten werden, "um der geltenden Beschlusslage gerecht zu werden". Alternativ bliebe laut Schwarz noch der Weg über ein Bauleitverfahren, was zwar viel Zeit kosten würde, der Stadt aber ungleich größere Einflussmöglichkeiten geben würde.

In seinem Schreiben widerspricht Schwarz zudem der Darstellung Raffs, die Stadt bekomme den Weg vom Bauwerber quasi zum Nulltarif. Im Januar 2017 sei beschlossen worden, "die geplante Wegefläche für circa 150 000 Euro zu erwerben. Darauf sollte für etwa 30 000 Euro auf Kosten der Stadt die Fuß- und Radwegverbindung zwischen Philipp-Weiß-Straße und Rathausgrundstück mit einer Breite von mindestens vier Metern gebaut werden."

Für den Fall, dass die Stadtspitze das Bauprojekt genehmigt, ohne vorher nochmals den Bauausschuss zu konsultieren, droht Schwarz unverhohlen mit "rechtsaufsichtlichen Schritten"

© SZ vom 06.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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