Fürstenfeldbruck:Spieglein, Spieglein

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Der Heimat- und Trachtenverein D'Maisachtaler führt auf der Stadtsaalbühne einen Sterntanz auf. (Foto: Günther Reger)

Was ist schöner: Volkstracht, Gebirgstracht oder Fantasietracht? Schaulaufen beim Fürstenfelder Kirta

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Diesmal scheint dem Himmel das Weiß ausgegangen zu sein, das er sonst so gerne als Qualitätsmerkmal ins Felde führt und als Beleg für die bayerische Herkunft: Am Sonntag jedenfalls ist fast kein Wölkchen am Himmel zu sehen. Das bunte Treiben im Innenhof von Fürstenfeld erinnert denn auch eher an einen sommerlichen Biergarten. Kurze Hemden sind Standard, hier und da sind Strohhüte und Sonnenbrillen zu sehen. Dabei ist dies das Kirchweihfest. Und ein Blick auf den Kalender beweist das, was man bei Temperaturen an die 20 Grad kaum glauben mag: Es ist der dritte Sonntag im Oktober in einem fortgeschrittenen Jahr.

Auf Wolken verzichten die zahlreichen Besucher gerne. Sie genießen den Fürstenfelder Kirta in vollen Zügen, flanieren, kaufen sich am Stand der Furthmühle ein frisches "Kiacherl, während die Kinder in der Strohballenburg herumtollen, Schiffschaukeln oder Löwe und Schwan auf den kleinen Karussells fest am Zügel nehmen. Zwei Männer, die gemächlich durch die Tenne bummeln, stechen sofort ins Auge. Während auf der einen Seite die kleinen Holzspeichenräder der Handspinngilde surren und auf der anderen Seite Handarbeiten wie Körbe oder bemalte Holzkassetten angeboten werden, wirken sie wie Felsen in der Brandung, wie Konstanten im Fluss der Zeit. Sie tragen schwarz glänzende Faltenstiefel über den ledernen Stiefelhosen und zweireihige Westen mit Silberknöpfen unterm G'vattersrock. Ralf Thelen, 59, aus Emmering wird von seiner Frau Silvia und von Stefan Konicsek begleitet. Die beiden Männer tragen die Dachauer Bauerntracht, wie sie ums Jahr 1870 herum im ganzen Ampertal verbreitet war. 450 Mitglieder zählt der Verein D'Ampertaler, die seit Generationen den traditionellen Volksfestaufzug in Dachau dominieren. "Das ist eine Volkstracht und keine Gebirgstracht", betont Konicsek. Es klingt so, als wehre er sich gegen den Vergleich der sprichwörtlichen Äpfel mit Birnen. Dabei hat der Trachtenwart der Ampertaler nichts gegen Gebirgstrachten. Aber die Volkstrachten sind halt die hochwertigeren Varianten - allein schon wegen der Vielfalt und der Originalität. So werfen sich die Ampertaler im Winter sogar einen hochherrschaftlichen Kaisermantel um. An diesem Tag verzichten die beiden Ampertaler dann aber doch lieber auf so einen Umhang. Sie nutzen den Kirta lieber, um einfach die Tracht auszuführen, beim Handwerkermarkt einzukaufen und das bunte Treiben in Fürstenfeld zu genießen.

Vor der offenen Stadtsaalbühne steht derweil eine Gruppe des Heimat- und Trachtenvereins D'Maisachtaler. Ebenso wie die Ampertaler oder weitere Vereine in Gröbenzell, Grafrath, Olching sowie Germering tanzen die Maisachtaler quasi auf mehreren Hochzeiten: Es wird getanzt, musiziert, gesungen und natürlich vorzugsweise bairisch gesprochen. Der Kirta, der auf Geheiß der Obrigkeit seit 1866 die traditionelle Kirchweihe in den vielen Dörfern an einem zentralen Ort ersetzt und mittlerweile eher ein weltlicher denn kirchlicher Festtag ist, wird von den Maisachtalern gerne als Bühne genutzt. Während die Blasmusik Schöngeising kurz die Instrumente aus den Händen legt und als vielstimmiger Chor die Verbundenheit mit dem schönen Bayernland beteuert, bereiten sich die Maisachtaler auf ihren Auftritt vor. Ganz nebenbei beweisen sie, dass auch Gebirgstrachten - in diesem Fall die Miesbacher Variante - sehr ansehnlich sind. Mittendrin in dem Pulk: die Jugendwartin Margarete Gschwandtner. Sie steht für den Anspruch, traditionelle Werte und Bräuche an die nächsten Generationen weiterzugeben. Einen gewissen Wandel gelte es zu akzeptieren, erklärt sie. Ganz nach dem Motto: leben und leben lassen. Deshalb beobachtet sie auch den Trend hin zur Tracht auf dem Oktoberfest ohne Bauchgrimmen, mag dort auch nicht jedes Dirndl oder jede Lederhose den gehobenen Ansprüchen von Trachtenvereinen genügen. Etwa 30 der gut 100 Mitglieder des 1955 gegründeten Vereins D'Maisachtaler sind aktiv. Was das heißt, zeigen sie auf der Bühne: Beim Sterntanz bilden sechs Paare mit zwölf Sternspitzen wechselnde Figuren. Wichtig sei es, dabei nie den Takt zu verlieren, verrät einer der Tänzer. Komplizierter wird das Zusammenspiel auch dadurch, dass die Tanzpartner immer wieder "neu zusammengemischt" werden. Ein paar Monate dauerte es, bis alles saß.

Im Obergeschoss der Tenne hat der aus dem Landkreis Pfaffenhofen angereiste Verkäufer von bayerischem Trachtenschmuck seinen Grant. An seinem Stand gibt es Gamsbärte, Charivaris, kleine Hirschhörner oder Taschenmesser. Alles, was man halt so brauchen könnte. Aber natürlich lässt auch dies sich nicht immer mit der "reinen Lehre" der Trachtler vereinbaren. Und weil eine Trachtenschneiderin jüngst in der SZ zu Protokoll gegeben hatte, sie könne nichts mit solchen Jagdtrophäen oder "Tote-Viecher-Teilen" anfangen, möchte sich das g'standene Mannsbild mit dem riesigen Gamsbart auf dem Hut lieber gar nicht mehr äußern zum Thema Trachtenschmuck. An der Tracht und mithin an der korrekten Bekleidung für den Kirta, scheiden sich also manchmal auch die Geister.

D'Maisachtaler feiern in gut zwei Wochen ihr 60-jähriges Bestehen. Im Saal des Bräustüberls Maisach spielt am Freitag, 5. November, von 20 Uhr an die Iada-Musi zum Kirtatanz auf. Tischreservierung bei Christa Turini-Huber unter Telefon 08141/95 875

© SZ vom 17.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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