Fürstenfeldbruck:Schwierige Erinnerung

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Ein Tagungsband widmet sich dem geplanten Gedenkort für die Opfer des Olympia-Attentats von 1972

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Erinnerungsort für die Opfer des Olympia-Attentats von 1972 auf dem Fliegerhorst wird wohl nicht vor 2022, dem 50. Jahrestag, fertig. Geklärt werden muss, zu welchem Preis der Bund das Gelände des Towers als Ort der Ereignisse hergibt, und auch die inhaltliche Konzeption. Der Stand der Diskussion, viele Ideen und Hinweise sind in der Publikation "Von der Vision zur Realisation" zu finden, die im Herbst veröffentlicht wurde. Sie enthält die Grußworte und Vorträge eines Symposiums, das das Landratsamt im September 2015 veranstaltete.

Ebenso typisch wie anregend für solche Veranstaltungen sind die unterschiedlichen Perspektiven und das Qualitätsgefälle. Auf dem eintägigen Symposium nahmen die Grußworte zu viel Raum ein. In gedruckter Form fällt das weniger auf. Bei der neuerlichen Lektüre mancher Statements und auch von Beiträgen aus der Wissenschaft muss man allerdings um die Botschaften fürchten, die von der vorgeschlagenen Ausstellung ausgehen könnten.

Der Überfall der palästinensischen Terroristen war eine Tat, die sich gegen Juden und gegen Israel als jüdischen Staat richtete. Die Morde waren unmissverständlicher Ausdruck eines eliminatorischen Antisemitismus. Etliche Beiträge in dem Tagungsband könnten einen dagegen glauben machen, die "olympische Idee", "unsere freie Welt" oder gar die Deutschen seien die eigentlichen Opfern gewesen. Die Palästinenser hätten die "heiteren Spiele" kaputt gemacht, heißt es mehrfach. Die Deutschen hätten sich doch so bemüht, fröhliche Spiele ohne uniformierte Polizisten zu veranstalten, im bewussten Gegensatz zur Propagandaveranstaltung der Nazis von 1936. Eine Instrumentalisierung des Sports zur Imagepflege von Staat und Nation war in beiden Fällen beabsichtigt.

Richtig krass wird es, wenn der damalige IOC-Präsident Avery Brundage als eine Art Widerstandskämpfer glorifiziert wird. Er habe den Terroristen getrotzt, ist zu lesen, in dem er erklärte: "The games must go on". Dabei war Brundage einer jener Sportfunktionäre, die einen Boykott der Nazispiele vehement abgelehnt hatten. Eine Diskriminierung der Juden und der jüdischen Sportler im Dritten Reich leugnete er. Legendär ist sein berüchtigter Kommentar, dass "in meinem Verein in Chicago Juden ebenfalls nicht zugelassen" seien. Bei soviel Geschichtsblindheit einiger Autoren wäre es verwegen, Hinweise darauf zu erwarten, dass Rituale der Olympischen Spiele, etwa der Fackellauf und das Medaillenranking der Nationen, um das bis heute der größte Bohai gemacht wird, Zutaten aus dem Hause Goebbels sind.

Die Kritik israelischer Behörden am Verhalten der deutschen Verantwortlichen während des Attentats, am Polizeieinsatz und an der Freilassung der drei überlebenden Terroristen durch die Bundesregierung einige Wochen später nach einer Flugzeugentführung wird ebenso wenig erwähnt wie der Umstand, dass Hinterbliebene jahrzehntelang mit deutschen Behörden um Aufklärung und Entschädigungen streiten mussten.

Auf der anderen Seite sind eine Reihe von informativen, differenzierten und anregenden Beiträgen dank der Dokumentation nun öffentlich zugänglich, etwa das Plädoyer der Kulturreferentin des Brucker Stadtrates, Birgitta Klemenz (CSU), für eine Trennung von Dokumentations- und Erinnerungsort. Der Architekt Ferdinand Krissmayr, Verfasser eines Gebäudegutachtens für den Alten Tower, verdeutlichte anhand von Fotos, dass dieses Gebäude seit 1972 durch Umbauten die Charakteristika verloren hat, die es zu einer Ikone für den Terroranschlag machten: Die für einen Tower typische Stahl- und Glaskonstruktion auf dem Dach ist längst abmontiert, der Schriftzug "Fürstenfeldbruck" verschwunden. "Der Zustand von 1972 wäre von zentraler Bedeutung, lässt sich aber im Detail nicht mehr feststellen", lautete Krissmayrs Fazit.

Jörg Skriebeleit, der die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, leitet, berichtet von der Irritation, die diese Einrichtung für Nachbarn und Besucher bedeutet. Die Gedenkstätte erinnert die Bewohner der Siedlung daran, dass sie "auf einer Schädelstätte leben". Skriebeleit möchte Begriffe wie Erinnerungsort und Erinnerungskultur dekonstruieren. Unter Rückgriff auf den Soziologen Jean Baudrillard betont er die symbolische Aufladung von Orten, die nicht per se existiere, sondern diskursiv ausgehandelt werden müsse.

Während einige die Geschichte des Fliegerhorstes, zunächst eine Einrichtung der Wehrmacht, soweit wie möglich von dem besonderen historischen Ereignis Olympiaattentat fernhalten wollen, erinnerte Skribeleit daran, dass der Fliegerhorst als größte Luftkriegsschule und Prestigeobjekt des nazistischen Deutschland entstand. Sein Beitrag endet mit dem Appell, den Erinnerungsort Olympia-Attentat so zu entwickeln, dass der Symbolwert, die ikonische Aufladung, das reale Ereignis und die rezeptionsgeschichtlichen Formungen und Verformungen berücksichtigt werden. Bleibt zu hoffen, dass die Verantwortlichen dem folgen.

Landratsamt Fürstenfeldbruck, Hrsg.: Von der Vision zur Realisation. Der Erinnerungsort Olympia-Attentat 1972 in Fürstenfeldbruck, Fürstenfeldbruck 2016, 143 Seiten, 9,90 Euro. Erhältlich im Buchhandel und im Bürgerservice-Zentrum.

© SZ vom 14.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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