Fürstenfeldbruck:Schräge Lage

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780 Biker tasten sich auf dem Fliegerhorst bei Slalom und Bremsübungen an die eigenen Grenzen und an die ihrer Maschinen heran. Der Brucker Motosportclub ist zuversichtlich, dass es nicht das letzte Sicherheitstraining war

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Manche lassen Supersportwagen wie Bugatti Veyron beim Spurt von null auf 200 keine Chance und schaffen Tempo 300 : Motorräder wollen gebändigt sein, zumal sie im Grenzbereich viel schwieriger zu fahren sind als Autos. Das ist auch beim Sicherheitstraining des Brucker Motorsportclubs (MSC) am Wochenende auf dem Fliegerhorst deutlich geworden. Wer es auf den Straßen übertreibt oder überfordert ist, kommt nicht mit Dreher oder Blechschaden davon: Motorradfahrer landen auf dem Hosenboden, ihre Knautschzone ist bestenfalls eine gute Schutzkleidung.

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(Foto: Günther Reger)

Im Slalomparcours können sich die Teilnehmer an die eigenen Grenzen und auch die Schräglagenfreiheit ihrer Maschinen herantasten.

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(Foto: Günther Reger)

Ausrutscher (hier der Fahrer einer BMW S1000RR ) bleiben die Ausnahme und gehen ohne Leitplanken sowie Gegenverkehr allesamt glimpflich ab.

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(Foto: Günther Reger)

Horst Haina (links) und Oskar Merl vom ausrichtenden Motorsportclub 1949 Fürstenfeldbruck sind seit vielen Jahren ein eingespieltes Team.

All das weiß auch Otto Schwarz, bekannt als Organisator der Kaiserzeit-Oldtimer-Ausfahrt in Haag an der Amper. Der 77-Jährige ist der Älteste im Team der Instruktoren. Mit 16 fing er auf einer 50er an, jüngst stieg er von einer Ducati auf einen BMW R1200R-Boxer um. Er nutzt das Training auch selbst, um sich "warmzufahren und locker zu werden" für die Saison. An den vier Tagen von Christi Himmelfahrt bis Muttertag kümmern sich insgesamt 133 MSC-Helfer um die 780 Teilnehmer aus ganz Bayern, die mit allen erdenklichen Bikes auf den Fliegerhorst gekommen sind - vom Motorroller über die Cross-Maschine bis zum Triumph-Rocket-Tourer mit 2,3-Liter-Dreizylindermotor. Ein Teilnehmer kommt sogar aus Bielefeld. Dass die von Horst Heina, dem Chef des 213 Mitglieder zählenden Vereins, und seiner rechten Hand Oskar Merl organisierte Veranstaltung einen exzellenten Ruf in der Szene genießt und schnell ausgebucht war, ist nicht verwunderlich: Einen ganzen Tag lang können sich die elf Gruppen an den übers Gelände verteilten Stationen unter fachlicher Betreuung an die eigenen Grenzen und die ihrer Maschinen herantasten. Später auf den von Leitplanken gesäumten Straßen und bei Gegenverkehr kann es überlebenswichtig sein, die Reserven zu kennen. Zu wissen, das Reifen und Fahrwerk in der Regel viel mehr Reserven haben als der Fahrer. Zu wissen, dass man auch in Schräglage einen 20 Zentimeter breiten Splitstreifen oder ein Holzbrett problemlos überfahren kann, sofern man sich nicht verkrampft - und dass es auf der Geraden in Notsituationen vor allem auf den beherzten Einsatz der Vorderradbremse ankommt. Nach acht Stunden im Sattel - lediglich unterbrochen von Mittagspause, Erste-Hilfe- sowie TÜV-Station und dem Vortrag über gesetzliche Regelungen und Unfallzahlen von Polizist Hans Heinzelmann - wissen das auch die Teilnehmer. Leider sind zu wenige derer da, die es besonders nötig hätten: Biker zwischen 18 und 24. Vor allem diese Altersgruppe ist gefährdet, das hat erst am Montag wieder Bayerns Verkehrsstaatssekretär Gerhard Eck in Erinnerung gerufen. Deren Probleme: geringe Fahrpraxis, fehlende Routine, nicht angepasste Geschwindigkeit, zu hohe Risikobereitschaft. An knapp einem Drittel der Verkehrsunfälle mit Personenschaden war diese Altersgruppe beteiligt. Auch der Motorradfahrer, der am Freitag nahe Germering schwer verletzt wurde, ist 23 Jahre alt. Er hatte eine Autokolonne überholt und übersehen, dass das erste Fahrzeug links abbog. Eck warb bei einer Veranstaltung in Weiden eindringlich für Sicherheitstrainings, wie sie auch die Verkehrswacht unter dem Titel "Könner durch Er-Fahrung" in ganz Bayern, so auch in Jesenwang, anbietet. Wer mitmacht, senkt sein Unfallrisiko statistisch um rund ein Drittel. Unabhängig vom Alter geht jeder zweite Unfall unter Beteiligung eines Motorradfahrers auf dessen eigene Kappe, das macht auch MSC-Mitglied Heinzelmann deutlich. Natürlich unterschätzen oder übersehen Autofahrer häufig deren schmale Silhouette. Oftmals sind aber auch die Biker zu schnell unterwegs, überholen riskant die ganze Kolonne oder fahren zu dicht auf. Trotz des zunehmenden Einzugs von ABS oder elektronischen Stabilitätskontrollsystemen ist die Zahl der Motorradunfälle 2015 im Vergleich zum Vorjahr von 72 auf 81 gestiegen. Peter Grießer vom Präsidium in Ingolstadt beziffert die Zahl der Verletzten auf 73 - das sind fünf mehr als im Vorjahr. 2015 kam ein Motorradfahrer ums Leben, im Vorjahr waren es zwei.

Kristin Gutsch, 27, aus Germering hat nur 500 Kilometer Bike-Erfahrung. (Foto: Stefan Salger)

Bei etwa der Hälfte der von Bikern verschuldeten Unfälle gibt es gar keinen weiteren Beteiligten. Manchmal sind Biker schlicht überfordert, verkrampfen sich, fahren in der Kurve einfach geradeaus. Hier setzt das 22. Sicherheitstraining des MSC an. Heina und Merl hoffen, dass es weitere Auflagen gibt und das Militärareal in den nächsten Jahren erneut zur Verfügung steht. 2015 hatte es noch nach einem finalen Abgesang ausgesehen. Mittlerweile haben Luftwaffe und Grundeigentümer Bima aber offenbar erkannt, dass dieses Event gut fürs Image der Bundeswehr ist.

Der älteste Instruktor Otto Schwarz, 77, hingegen ist längst ein Routinier. (Foto: Stefan Salger)

Längst erkannt haben bereits am Vormittag auch alle Teilnehmer, dass die Übungen Pflicht und Kür gleichermaßen sind. Es macht schlicht Spaß, um die Pylonen zu wedeln und beim Bremstest das Hinterrad leicht anzulupfen. Kristin Gutsch aus Germering sitzt am Rande des kurvenreich abgesteckten "Brille-Banane"-Rundkurses und macht kurz Pause. Die 27-Jährige ist das erste Mal dabei und hat sich für die Anfängergruppe gemeldet. Letztes Jahr ist sie vom Moped auf eine Honda CB 500F umgestiegen und hat mit ihr 500 Kilometer abgespult. Aber erst an diesem Tag lernt sie ihre Maschine richtig kennen. Beim Überfahren von Split und Brett pocht ihr das Herz, aber sie gewinnt schnell an Sicherheit und zieht bald schon flott ihre Runden. Ihr Resümee: "Macht echt Spaß und ist prima organisiert."

© SZ vom 11.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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