Fürstenfeldbruck:Pfleger und Ärzte im Visier

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Manchmal müssen alkoholisierte Patienten, die in der Notaufnahme handgreiflich werden, von der Polizei "verarztet" werden, so wie hier während der Wiesnzeit in der Notfallambulanz einer Münchner Klinik. (Foto: Stephan Rumpf)

Immer häufiger treten in der Kreisklinik aggressive Patienten oder Angehörige in Erscheinung. In anderen Krankenhäusern kümmert sich längst Sicherheitspersonal um Notaufnahme und Stationen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Hat die Kreisklinik Probleme mit aggressiven Patienten oder Angehörigen? Darüber gehen die Meinungen auseinander: Der Personalrat sieht durchaus Handlungsbedarf und weiß die Bayerische Krankenhausgesellschaft hinter sich, die das Engagement eines Sicherheitsdiensts für ein probates Mittel hält. Die Klinikleitung hingegen sieht bislang keinen Beleg für eine bedrohliche Entwicklung.

Immer häufiger klagen Rettungskräfte über handgreifliche Störer, von denen sie in ihrer Arbeit behindert werden, wie jüngst bei den Silvesterfeiern, als Feuerwehrleute sogar mit Waffen bedroht worden sind. "Die Attacken gegen Einsatzkräfte haben lebensbedrohliche Ausmaße angenommen", sagte der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt. Die Hemmschwelle, Gewalt anzuwenden, sinkt offenbar. So kann auch in der Kreisklinik nicht von heiler Welt die Rede sein, mag der besonders krasse Fall einer Messerattacke auf eine Schwester auch schon 20 Jahre zurückliegen und die Tötung eines Patienten sogar 40 Jahre. Das Problem mit aggressiven Patienten oder Angehörigen "nimmt leider permanent zu", sagt Unfallchirurg Holger Geißler. Der Personalratsvorsitzende drängt auf Gegenmaßnahmen, um medizinisches Personal und Patienten zu schützen. Das sehen nicht alle so: Kaufmännischer Direktor Marcus Schlund warnt vor übertriebenem Aktionismus und will eine Tendenz zur Gewaltanwendung nicht bestätigen. Es gebe "keine einschlägigen Statistiken". Gleichwohl werde das Pflegepersonal in den letzten Jahren im Umgang mit Patienten, Angehörigen und Besuchern speziell geschult.

Eine Statistik fehlt in der Tat, das räumt Eduard Fuchshuber, Sprecher der Bayerischen Krankenhausgesellschaft, unumwunden ein. Und doch gebe es sehr deutliche Erfahrungswerte: Die Situation auf den Stationen und in der Notaufnahme werde häufiger kritisch als noch vor einigen Jahren oder eskaliere sogar. Michael Fischer, stellvertretender Leiter der Brucker Polizeiinspektion, pflichtet ihm bei. "Es ist nicht so, dass wir dreimal die Woche in der Klinik wären", aber die Einsätze häuften sich im Vergleich zu etwa vor sechs oder sieben Jahren spürbar. Fischer: "Dass Polizisten angepöbelt werden, das ist man ja schon fast gewöhnt" - dass aber nun immer häufiger Vertreter von Hilfsorganisationen angegangen würden, das gebe einem schon zu denken.

Geißler spricht von einem oder sogar mehreren Fällen pro Woche, in denen Pfleger, Krankenschwestern oder Ärzte aggressiv angegangen würden. Manche Patienten stünden sichtlich unter dem Einfluss von Alkohol oder Drogen und seien "kaum beherrschbar". Die bisweilen mehrstündigen Wartezeiten befördern offenbar auch Pöbeleien durch Patienten oder Angehörige. In Extremfällen mussten solche handgreiflichen Personen bereits "fixiert" und von der Polizei abgeholt werden. Dabei bewegen sich medizinisches Personal und Ordnungshüter laut Geißler "auf einem schmalen Grat" - muss doch in jedem Einzelfall sehr genau geprüft werden, ob beispielsweise ein randalierender, alkoholisierter Patient überhaupt transport- beziehungsweise haftfähig ist.

Leicht ist dem Problem gestiegener Aggression nicht beizukommen. Kliniken wie jene in Großhadern und Nürnberg beschäftigen Sicherheitskräfte. Solche Kosten freilich werden den Einrichtungen nicht erstattet. Gerade die kleineren, nicht selten bereits defizitären Einrichtungen tun sich da oftmals schwer.

© SZ vom 05.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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