Fürstenfeldbruck:Partytime

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Handballspiele der dritten Liga in Fürstenfeldbruck sind ein Event. Die sportlichen Hauptdarsteller laufen bei Kunstnebel und Spot-Beleuchtung ein. Auf den Tribünen bringen sich die Zuschauer mit Fan-Choreografien in Stimmung

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Das Licht ist aus, nur ein Spot ist an. Der leuchtet im Dunkel der Wittelsbacher Halle auf einen unscheinbaren Eingang, der direkt auf das Spielfeld führt. Von dort kommen sie, die Handballer. Einzeln laufen sie ein, von Kunstnebel eingehüllt. Der Hallensprecher ruft ihre Namen, der Hallen-DJ spielt Shaun Bakers Techno-Mix namens "Power" ein, der dem Publikum einen ebenso einfachen wie genialen Rhythmus vorgibt: Die Zuschauer auf den Tribünen lassen sich sofort mitreißen, klatschen in die Hände oder begleiten den Takt mit den eigens ausgeteilten Klatschpappen. "Das baut Stimmung auf", weiß Hallen-DJ Bastian Wöller, der die Musik aussucht: "Wir wollen, dass da ein bisschen mehr los ist." Es ist mittlerweile ein Ritual zu Beginn jedes Handballspiels der dritten Liga in Fürstenfeldbruck. Der Handballabend wird zur Show, die Sporthalle zur Partylocation.

Die Fans empfangen die Handballer mit der riesigen Vereinsfahne. (Foto: Günther Reger)

Bei großen Sportveranstaltungen ist der Eventcharakter längst üblich, auch, dass das Publikum eine aktive Rolle übernimmt, die im besten Fall leistungssteigernd auf die eigene Mannschaft wirkt und das Quäntchen Überlegenheit frei setzt, das es braucht, um ein Spiel zu gewinnen. Und so war kürzlich bei den Fußballern des FC Augsburg die größte Fan-Choreografie in der Vereinsgeschichte zu sehen. Noch eine Nummer größer war das, was die Anhänger des Fußball-Drittligisten Dynamo Dresden jüngst angezettelt hatten: Sie hatten mit einem 450 Meter langen Banner die ganze Zuschauertribüne rings um das Spielfeld eingehüllt. Es war die größte Choreografie, die es je in einem europäischen Stadion gab.

Von solchen Dimensionen ist ein Handball-Drittligist wie der TuS Fürstenfeldbruck weit entfernt, und dennoch: Auch dort hat man mittlerweile eine 45 Quadratmeter große Fahne in den Vereinsfarben rot und weiß genäht und sie schon mehrmals vor Spielbeginn über die Köpfe der Zuschauer hinweg ausgerollt. Die erste Brucker Fan-Choreo freilich gab es zum Saisonstart, als zum ersten Heimspiel ausgerechnet der mehrmalige Deutsche Meister TV Großwallstadt anrückte. Alle Zuschauer in der Halle schwenkten bei der Begrüßung der Teams Luftballons in den Farben rot, weiß und schwarz - ein Bild, das es vorher noch nie gab. Ein anderes Mal versuchten sie es mit Popkonzertstimmung, als alle Tribünengäste aufgefordert wurden, die Halle mit ihren Handys zum Leuchten zu bringen. Der Frankfurter Soziologieprofessor und Sozialpsychologe Rolf Haubl hat die Faszination von Massenevents in einem Interview der WDR-Fernsehsendung Planet Wissen mal so erklärt: "Plötzlich bekennt sich ein ganzes Stadion mit dem Schwenken von Feuerzeugen zu einem romantischen Gefühl, das im normalen Leben eigentlich nur lächerlich wäre." Aber im Rahmen von Events seien solche Gefühle eben erlaubt.

Der Zuschauer besucht das Sportereignis zuvorderst, um ein gutes Spiel seiner Mannschaft und möglichst einen Sieg zu sehen. Der Zuschauer geht aber auch hin, weil dort richtig was los ist. Das Publikum, sagt Haubl, "will sich heute zunehmend auch selbst feiern". Sport ist Entertainment, und Fürstenfeldbrucks Handballer sind die Vorreiter im Landkreis. Seit sie den Klassenerhalt in der dritten Liga Anfang Juni spät und gerade noch über ein Relegationsturnier geschafft haben, haben sie den Spaßfaktor in ihrer Heimspielstätte Wittelsbacher Halle deutlich erhöht. Das Anfeuern der Mannschaft wird schon länger nicht mehr nur den Jugendlichen aus dem Verein überlassen, das Anfeuern übernehmen eine aus Asylbewerbern bestehende Trommelgruppe und bisweilen auch der Hallen-DJ. Denn längst ist es beim Handball üblich, nach jedem Tor der Heimmannschaft nicht nur den Namen des Torschützen über Lautsprecher zu verkünden, sondern auch einen Musikjingle hinterherzuschicken. 50 verschiedene hat Hallen-DJ Bastian Wöller vorrätig. Das ist nicht unbedingt Standard. Es sei erstaunlich, wie einfallslos da manche Handball-Bundesligisten seien, sagt der 37-Jährige, der selbst viele Jahre in einer der TuS-Mannschaften gespielt hat. Nun sitzt er ganz oben im Mittelblock der Tribüne an seinem Mischpult. Und wenn die Heimmannschaft auf dem Spielfeld Unterstützung braucht, dann spielt er "Put your hands up in the air" ein und die Zuschauer klatschen sich sofort warm. "So was zieht die Leute an und das macht uns interessanter," weiß auch Martin Wild, der fast sein halbes Leben bei den Brucker Handballern verbracht hat - erst als Spieler, seit sechs Jahren als Trainer. Als Marketing-Vorbild gelten den Bruckern die Bundesliga-Volleyballer aus Herrsching. Die treten ganzjährig in Trikots im bayerischen Lederhosen-Design an und nennen sich ganz offiziell "Geilster Club der Welt".

Mit dem Lärm der aufziehenden Partystimmung haben sich aber auch die Älteren, die schon seit vielen Jahren Stammgäste sind beim TuS, keineswegs aus der Halle verdrängen lassen. Viele Besucher kommen auch aus München und Umgebung nach Fürstenfeldbruck, denn Handball auf dieser Leistungsebene gibt es derzeit nirgendwo sonst in Südbayern zu sehen. Zwischen Atmosphäre und Erfolg scheint ein direkter Zusammenhang zu bestehen, denn niemals in den vergangenen zwanzig Jahren waren Brucks Handballer besser als jetzt: Zweiter in der dritten Liga.

So eine Stimmung wie vor zwei Wochen beim Überraschungsheimsieg gegen den Favoriten vom Dresdner HC Elbflorenz habe er noch nie in der Wittelsbacher Halle erlebt, schwärmt Martin Wild. 700 Zuschauer waren damals gekommen. Das entspricht mittlerweile fast der durchschnittlichen Besucherzahl bei einem Heimspiel, manchmal kommen sogar tausend, wie zum Saisonauftakt gegen Großwallstadt. Oder wie im März, als sich Fürstenfeldbrucks Handballer und die Drittliga-Handballerinnen des HCD Gröbenzell zum ersten Mal zu einem "Drittliga-Date" in der Wittelsbacher Halle verabredet hatten. Die Wiederholung folgt an diesem Samstag: Die Gröbenzellerinnen, die vorige Woche erstmals ein Punktspiel verloren in dieser Saison, erwarten um 17 Uhr den Drittletzten ESV Regensburg, die Brucker dann um 19.30 Uhr den Tabellenfünften HSC Bad Neustadt. Schon um 16 Uhr öffnen Kasse, Bierwagen, Glühweinstand und Grillstation, und nach den Spielen trifft man sich zur After-Show-Party. Und natürlich, was Neues haben sie sich auch ausgedacht: Es wird neue Lichteffekte geben und auf der Tribüne werden 20 neue rot-weiße Fahnen wehen.

© SZ vom 12.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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