Sport:Nachbarschaftshilfe

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Der TSV 1860 München gewinnt ein Benefizspiel in Fürstenfeldbruck mit 7:0 Toren. 1100 Zuschauer wollen das sehen und bringen 10 000 Euro in die leeren Kassen des Sportclubs. Für seine Rettung muss in Kürze aber der zehnfache Betrag vorliegen

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die beiden jungen Mölders-Fans, unschwer zu erkennen am weiß-blauen Löwen-Trikot mit dem Schriftzug des Stürmers, sind noch zu klein, um vom Sitzplatz in der ersten Reihe auf der Haupttribüne im Fürstenfeldbrucker Sportzentrum über die Bande blicken zu können. Dass ihr Idol dort neben der Seitenlinie liegt, weil es sich bei einem Zweikampf verletzte, muss den fröhlichen Jungs entgangen sein. Macht aber nichts, nach kurzer Behandlung ist Mölders wieder fit zum Weitermachen. Zusammen mit seinen Kollegen vom TSV 1860 München ist der 32-Jährige am Samstag in Fürstenfeldbruck zu einer Art Nachbarschaftshilfe unter Gleichgesinnten zu Gast: Immerhin sind sich die Münchner Löwen und der SC Fürstenfeldbruck (SCF) nicht unähnlich als Vereine, die wegen diverser Kapriolen immer wieder in die Schlagzeilen geraten und häufig knapp bei Kasse sind. Als Benefizspiel sollte die Partie dem Brucker Sportclub Einnahmen verschaffen und dazu beitragen, ihn vor der Insolvenz zu bewahren.

1100 Zuschauer sorgen dafür, dass schon mal gut 10 000 Euro hängen geblieben sind beim 7:0-Sieg der Löwen. Bekanntlich soll der SCF bis zum Mittwoch das Zehnfache davon gesammelt haben, damit kein Insolvenzverfahren gegen ihn eröffnet und stattdessen mit Finanzamt und Stadt Fürstenfeldbruck weiterverhandelt wird. Die beiden Behörden sind die Hauptgläubiger jener 210 000 Euro, die dem SCF nach einer Betriebsprüfung nachträglich als Steuern auferlegt wurden und die seine Finanzkraft übersteigen.

Nicht nur ein Fußballspiel: Im Sportzentrum hängen Plakate, die zur drohenden Insolvenz des SCF Stellung beziehen. (Foto: Günther Reger)

Nicht alle Besucher werden des Benefizgedankens wegen gekommen sein, denn noch immer haben die Löwen, die zuletzt vor knapp 14 Monaten ebenfalls zu einem Testspiel gegen den damaligen Bundesligisten FC Ingolstadt in Fürstenfeldbruck waren, ausreichend Anziehungskraft, obwohl sie nur noch in der viertklassigen Regionalliga spielen. Dort sind sie immerhin Tabellenführer und deshalb ist klar, dass die Partie gegen den Zehnten der drei Spielklassen tiefer eingestuften Bezirksliga Süd

kein Duell auf Augenhöhe sein würde. Doch die Fußballer aus Fürstenfeldbruck, die nach der Winterpause erst eine Trainingseinheit absolvierten, machen ihre Sache nicht schlecht und man wundert sich bisweilen, warum sie in ihrer Liga gegen den Abstieg spielen. Alle im Kader kommen zum Einsatz. Seine Mannschaft habe die Vorgaben "taktisch super umgesetzt", wird sie hinterher ihr Trainer Michael Westermair loben: "Die Jungs haben es insgesamt gut gemacht und haben sich gut verkauft. Das Ergebnis spielt in so einem Spiel keine Rolle."

Die Löwen Sascha Mölders (Mitte) und Kodjovi Koussou versuchen, an SCF-Keeper Maximilian Knobling vorbeizukommen. (Foto: Günther Reger)

Den Ehrentreffer hätten sie freilich schon gerne erzielt. Marcel Berger hat dazu kurz vor der Halbzeit die Chance, als er sich bis in den Strafraum aufmacht, den Ball dann aber am langen Pfosten vorbeischiebt. Mehr als die Brucker Angreifer steht an diesem Nachmittag ihr Keeper Maximilian Knobling im Mittelpunkt. Einen Freistoß von Daniel Wein faustet er aus der Gefahrenzone, einen Mölders-Kopfball fängt er ab. Beide Male gibt es Szenenapplaus von den Besuchern. "Es war schon in Ordnung. Wir haben ganz gut mitgespielt", befindet Knobling, der in der Jugend mal für Sechzig im Tor stand, nach der Partie: "Es hat auf jeden Fall Spaß gemacht vor dieser Kulisse."

Vor der Pause treffen Sascha Mölders und dreimal Markus Ziereis zur Münchner 4:0-Führung, später noch Ugur Türk, Felix Bachschmid und Marvin Zimmermann. Nach intensiven Trainingswochen habe man es "ordentlich gemacht, nicht überragend", fasst Ziereis seine Sicht nach dem Spiel zusammen. Kritischer sieht Günther Gorenzel, der sportliche Leiter der Löwen, die Leistung: "Mit dem Spiel sind wir nicht zufrieden, weil die Inhalte, die der Trainer gefordert hatte, nur bedingt umgesetzt wurden."

Ersatzkeeper Johann Hipper darf Autogramme schreiben. (Foto: Günther Reger)

Unter die Besucher gemischt hat sich an diesem Samstag auch Insolvenzverwalter Oliver Schartl. Er lobt die reibungslose Organisation des Fußballevents und leitet aus dem Benefiznachmittag die Hoffnung ab, "dass es doch noch funktionieren könnte". Eine Spekulation auf die Zukunft des SCF sollte das freilich nicht sein: "Es ist alles noch völlig offen." Nach Recherchen der SZ wird es wohl in dieser Woche ein Gespräch geben, an dem auch Ehrenpräsident Albrecht Huber sowie ein Vertreter aus der ehemaligen Vereinsführung teilnehmen sollen, um darüber zu beraten, wie jene 100 000 Euro gestemmt werden könnten. "Ich hoffe, dass alles in Bewegung gesetzt wird, dass man eine Insolvenz verhindert", betont Fußballtrainer Michael Westermair: "Das muss man doch hinkriegen!" Im Fall einer Insolvenz müsste seine Mannschaft automatisch in die Kreisliga absteigen - unabhängig von ihrem sportlichen Abschneiden. Auch andere bangen um den Traditionsverein. Wie Ernst Klaschus. Der 74-Jährige geht gerne auf den Fußballplatz. Seit 64 Jahren ist er Mitglied beim SC Fürstenfeldbruck und muss jetzt möglicherweise mit ansehen, wie sein Verein von der Bildfläche verschwindet. Das würde ihn schon traurig stimmen, sagt er. Vor allem wegen der Jugendarbeit, die der Verein leiste.

© SZ vom 29.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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