Fürstenfeldbruck:Mut zum Risiko

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Peter Frisée beherrscht moderne Stücke genauso wie klassisches. (Foto: Ran Keren)

Gelungene Orgelmatinee mit Peter Frisée

Von KLAUS MOHR, Fürstenfeldbruck

In einer Orgelmatinee steht im Vergleich zu einem abendfüllenden Konzert nur eine sehr begrenzte Zeit zur Verfügung, um das Publikum mit der Musik des Programms und der spezifischen Spielweise des Interpreten bekannt zu machen. Da mutet es auf den ersten Blick mutig an, wenn ein Organist eine Programmfolge anbietet, in der Musik vom 16. bis zum 20. Jahrhundert erklingt, die zudem keine chronologische Abfolge aufweist. Peter Frisée, 33-jähriger Organist aus Wien, gastierte in der Sommermatinee in der Klosterkirche Fürstenfeld. Er ging das Risiko ein - und gewann.

Mit "Alderhande Danserye" von Tilman Susato erklang gleich zu Beginn das älteste Werk. Die einzelnen Teile, denen unterschiedliche Themen zu Grunde lagen, schienen die naheliegenden klanglichen Möglichkeiten der Fux-Orgel nicht nur für den Organisten, sondern auch für die Hörer freizulegen: Auf den akkordisch festen Satz mit fulminanter Klangfülle im Bass folgte ein melodiöser Abschnitt mit Verzierungen, dann ein Teil in der Mittellage in fließender Bewegung.

Mit dem im Geburtsjahr von Peter Frisée komponierten Werk "Souvenir" von John Cage fügte der Organist den im vorigen Stück gezeigten Klängen der Fux-Orgel weitere hinzu. Die einstimmige Melodie in hoher Lage zu Beginn erinnerte an den Ausschnitt aus einem gregorianischen Choral. Diese wurde durch eine zweite Linie ergänzt und dann mit kurzen, fast ruppigen Klängen aus der Tiefe kontrastiert. Daraus ergaben sich Liegetöne in der Mitte, die durch ein dichteres Stimmgewebe erweitert wurden. Fast geräuschhafte Klänge aus dem Pedal leiteten am Ende zur Einstimmigkeit des Anfangs zurück. Bei allen Überraschungen, die das Stück bereithielt, nahm es doch den Hörer gut mit. Dass Peter Frisée das gleiche Stück kurz vor Ende seines Programms noch einmal erklingen ließ, war eine besonders gelungene Idee: Wie so häufig bei neuer Musik erschlossen sich bei der Wiederholung weitere Details.

Die zahlreichen Akkordrepetitionen im Kopfsatz (Presto) des Concerto alla rustica von Antonio Vivaldi haben im originalen Streichersatz etwas Bebend-Luftiges. In der Übertragung auf die Orgel unterschätzte der Interpret die Klangmacht des Instruments und des Tempos etwas: Dadurch entstand ein etwas forcierter Eindruck, der quasi nach Entspannung rief. Diese folgte von der Komposition her mit dem Adagio-Mittelsatz, der von einer kräftig registrierten Oberstimme lebte.

Den 1984 gestorbenen Komponisten Hermann Schroeder kennt man heute kaum noch. Seine Präambel in D-Dur klang wie eine Neuinterpretation historischer Vorbilder, harmonisch zwar deutlich geweitet, aber doch in keiner Weise revolutionär dissonant. Diesen Traditionsbezug stellte Peter Frisée auch durch seine vorsichtige, eindringlich-schlichte Registrierung heraus. Drei Stücke aus Robert Schumanns "Kinderszenen" op. 15 folgten: "Am Kamin" geriet in der Akustik der Kirche vielleicht etwas schnell und damit indifferent. Die Registrierung des Stücks "Von fremden Ländern und Menschen" als "Drehorgelvariante" nahm den Verlauf mit den vielen Wiederholungen der gleichen Motivik hervorragend auf und übertrug ihn ins Klangliche. Das "Kind im Einschlummern" mutete angesichts der murmelnd-bebenden Unterstimme am Anfang fast wie eine mystische Erfahrung an. Auf dieser Basis entwickelte die schön hervorgehobene Melodie in der Oberstimme eine sehr beeindruckende Plastizität. Eine Chaconne in F von Johann Caspar Ferdinand Fischer rundete den Programmbogen ab: Das am Anfang in punktiertem Rhythmus vorgetragene Harmonieschema wurde im Verlauf vielen unterschiedlichen Variationen unterzogen und fand schließlich in einen ganz festlichen Ausklang. Viel Beifall und eine Zugabe am Ende.

© SZ vom 20.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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