Fürstenfeldbruck:Musik zum Selbstzweck

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Durch intensive Interpretation der Werke entsteht ein sehr stimmiger Klangeindruck. (Foto: Günther Reger)

Gastspiel des Ensemble 392 bei "Alte Musik im Kurfürstensaal"

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Was macht einen rundum gelungenen Konzertabend aus? Diese zunächst banale Frage drängte sich beim Konzert des ungewöhnlich besetzten "Ensemble 392" mit Marie-Sophie Pollak (Sopran), Julia Stocker (Traversflöte), Johannes Ötzbrugger (Theorbe und Barockgitarre) sowie Tizian Naef (Cembalo) geradezu auf. Die Gruppe gastierte im Rahmen der Reihe Alte Musik im Kurfürstensaal. An erster Stelle steht sicher das überzeugende Erlebnis von Musik, und da gab es kaum nennenswerte Abstriche, was auch der Beifall bewies. Auch vermittelten die musikalischen Charaktere, in der Sprache des Barock Affekte genannt, einen ganz unmittelbaren Eindruck.

Der konkrete Zusammenhang mit dem jeweiligen Text der Vokalwerke blieb jedoch im Dunkeln, gerade so, als wenn man einen Film ohne Ton betrachtet und ausschließlich aus den Gesten der Akteure schließen muss, was gerade passiert. Zwar gab es im Vorfeld jeweils kurze Erläuterungen zum Inhalt, doch blieb angesichts der französischen und italienischen Texte der Zusammenhang eher vage. Das war bedauerlich, weil es den Gesamteindruck deutlich schmälerte. Das Programmheft enthielt zwar ausführliche Biografien der Musiker, doch keinerlei Erläuterung, warum das Konzert mit "Bouillabaisse" betitelt war, dem Namen einer südfranzösischen Fischsuppe. Warum zu den im Untertitel des Konzerts genannten "Chansons und Kantaten aus Frankreich" auch solche von Antonio Vivaldi, also italienischer Provenienz erklangen, erschloss sich dem Zuhörer nur aus einer Nebenbemerkung. Die Musiker folgten hier wohl eher unbewusst und für dieses Repertoire auch unangemessen dem Zitat aus einer Salieri-Oper "Prima la musica e poi le parole" ("erst die Musik und dann die Worte"). Die Aufgabe der Musiker als Vermittler zwischen Werk und Hörer muss über die schöne Musik hinaus jedoch hinausgehen: Eine überzeugende Programmkonzeption erfordert auch eine angemessene Präsentation der Musik im Kontext von historischen Bezügen und Texten.

In der französischen Kantate "Europpe" von François Colin de Blamont wird die Sage der Europa aus der griechischen Mythologie thematisiert. Auf ein einleitendes Rezitativ folgte eine Arie, in der die Flöte als Alter Ego der Sängerin agierte. In weichem Ton ergänzten sich die beiden Linien. Das Rezitativ vor der Schlussarie war von klarer Diktion bei der Sängerin charakterisiert. Es bereitete die vitalen Synkopen im Vorspiel der folgenden Arie wunderbar vor, die dann dem frei anmutenden Gesang mit Umspielung durch die Flöte Raum gaben.

Die italienische Kantate "Aure, voi più non siete" von Antonio Vivaldi hat den Liebeskummer zum Thema. Im Vergleich zum weichen und sehr ausgeglichenen französischen Stil war der Klangeindruck hier viel direkter, Virtuosität in Form von ausgedehnten Koloraturen nahm immer wieder einen großen Stellenwert ein. Der fast perkussive Einsatz der Gitarre konturierte nicht nur überzeugend das einleitende Rezitativ, sondern auch die folgende Arie "Ti confido il pianto", so dass sich die Koloraturen zu Bögen verbanden. Für den wütenden Gestus im Rezitativ "Infelice Daliso" wechselte Johannes Ötzbrugger zum weicheren Klang der Theorbe, wodurch sich die Darstellung des Affekts allein auf die Sängerin fokussierte.

Drei Chansons von Michel Blavet eröffneten den zweiten Teil nach der Pause. In ihrer melodischen Anlage waren sie eher schlicht und hatten Wiederholungen. Durch die intensive Interpretation entstand ein sehr stimmiger Klangeindruck. Für die dreisätzige Sonate op. 3 Nr. 2 von Michel Blavet für die Instrumente gab es großen Beifall, weil ihr klanglicher Facettenreichtum sehr beeindruckend war. Eine weitere Chanson folgte am Ende als Zugabe.

© SZ vom 11.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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