Fürstenfeldbruck:Mit Kettenhemd und Schuppenpanzer

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Römer für einen Tag: Jürgen Weber (rechts) erklärt den Besuchern in Fürstenfeld das Leben im alten Rom. (Foto: Günther Reger)

Beim Römertag des Historischen Vereins lernen die Besucher viel über antike Handwerks- und Vermessungstechniken

Von Svenja König, Fürstenfeldbruck

Unter den Kastanien vor dem Museum Fürstenfeldbruck sah es am Sonntag aus wie in einem römischen Lager. An den Bäumen lehnten große bunt bemalte Schilder. Über den Rasen verteilt standen mehrere Messgeräte auf dünnen Holzbeinen. In aufgeklappten Truhen fand sich weiteres Werkzeug, das vier Männer in Kettenhemden und originalgetreuer römischer Soldatenmontur vorführten und erklärten. Anlässlich des internationalen Museumstags lud der Historische Verein Fürstenfeldbruck zu einem Römertag in den Klosterhof Fürstenfeld ein. Die eigens aus Dasing eingeladene Gruppe "Pedites Singulares" führte vielen interessierten Besuchern römische Vermessungstechniken und Handwerkszeug vor.

Der Landkreis ist eine wahre archäologische Goldgrube, wenn es um Funde aus der römischen Antike geht. Noch heute lässt sich die ehemalige Römerstraße, die zwischen Augsburg und Salzburg verlief, rekonstruieren. Die im Museum ausgestellten Originalfunde bieten zwar einen ersten Einblick in die Geschichte, doch die genaue Handhabung vieler Gerätschaften lässt sich erst mit Hilfe von Rekonstruktionen verstehen. Ihre größtenteils selbsthergestellte Ausrüstung entspräche der des römischen Landvermessers des zweiten bis dritten Jahrhunderts, erklärte Florian Weber. Sein Vater Jürgen Weber hatte vor rund 25 Jahren die Gruppe "Pedites Singulares" gegründet. Mit gewöhnlichen Mittelaltergruppen hätten sie nichts zu tun, denn ihre nachkonstruierten Vermessungstechniken entsprächen genau dem heutigen Stand der Forschung.

Mit den Arbeitszeiten von heute seien die römischen Vermessungstechniken auch nicht vergleichbar. Für die Vermessung einer Wasserleitung von der Eifel bis nach Köln hätte man 15 Jahre gebraucht, erzählte Florian Weber. Das Bemerkenswerte hierbar sei jedoch, dass man von beiden Seiten begonnen hätte und sich tatsächlich genau in der Mitte traf. Festhalten wurden diese auf verschiedenen Papyrusarten und Wachstäfelchen. Bei letzterem handelt es sich um eine kleine Holzbox, die innen mit einer Wachsschicht überzogen ist. Sehr gut für schnelle Notizen, aber bei viel Wärme könne alles schmelzen, erklärte Jürgen Weber. Zum eigentlichen Vermessen hatte die Gruppe mehrere Instrumente mitgebracht. 20 bis 25 Männer gehörten damals zu einem Vermessungstrupp. Um Geraden oder Winkel zu bestimmen, gab es die Groma, ein Holzgerüst mit mehreren an Schnüren befestigten Pendeln. Als Höhenmessgerät nutzte man eine Art Wasserwaage. "Alle Messgeräte brauchen das menschliche Auge", erklärte Jürgen Weber.

Viele Besucher interessierten sich auch für die Kleidung und Ausrüstung der römischen Soldaten. Bei der sommerlichen Hitze vom Sonntag beneidete jedoch keiner die Männer der Römergruppe, die den Tag in Kettenhemden verbringen mussten. Diese bestünden aus rund 30 000 Ringen, erklärte Jürgen Weber. Gegen Hiebe und Schnitte seien sie zwar sehr gut, aber kein Stichschutz. Der Schuppenpanzer, den sein Sohn vorführte, sei dafür eher geeignet. Das Gesamtgewicht einer Gefechts- und Marschausrüstung betrug 35 Kilogramm. Mit Schild, Helm und Gepäck auf dem Rücken wurden 20 römische Meilen, rund 30 Kilometer, pro Tag marschiert. Das muss sehr geklappert haben, so Jürgen Weber, deshalb hätte es immer eine Vorhut gegeben, um einen Hinterhalt zu vermeiden. Um die Gebrauchsfähigkeit ihrer rekonstruierten Ausrüstung zu prüfen, hat auch "Pedites Singulares" 2007 einen zehntägigen Marsch gemacht. Nur einer musste währenddessen abgeholt werden, alle anderen hielten bis zum Schluss durch.

© SZ vom 23.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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