Fürstenfeldbruck:Mehr Vielfalt im Wald

Lesezeit: 4 min

Reine Fichtenbestände werden im Landkreis keine Chance mehr haben. Die Förster setzen auf artenreichere Mischwälder, die den veränderten Bedingungen im Klimawandel standhalten können

Von Ingrid Hügenell, Fürstenfeldbruck

Seit 40 Jahren dürfen die Buchen im Schönwald bei Kottgeisering ungestört in den Himmel wachsen und auch zu Boden fallen. In dem Naturwaldreservat soll sich so mit der Zeit ein Zustand einstellen, wie er ähnlich in Urwäldern herrschte. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Mächtige Buchen, die Stämme mit Efeu bewachsen, ragen in den Himmel. Ihre Kronen bilden hoch oben ein grünes Dach. Man muss den Kopf in den Nacken legen um ganz hinaufzuschauen. Darunter ist es schattig und kühl. Unzählige Vögel singen. Der Schönwald bei Kottgeisering ist seit 40 Jahren ein Naturwaldreservat. 1978 wurde die 19,3 Hektar große Fläche aus der forstlichen Nutzung genommen und soll sich nun etwas entwickeln, was einem Urwald nahekommt. Wie das geschieht, beobachten und erforschen Forstwissenschaftler - "für einen artenreichen Wald von morgen". So steht es auf einer Informationstafel am Parkplatz, die auch vor Gefahr durch herabfallende Äste und umstürzende Bäume warnt.

Der Schönwald ist mit seiner Fläche, die etwa 27 Fußballfeldern entspricht, nicht riesig und im Landkreis eine große Ausnahme. Aber auch die Wirtschaftswälder sollen wieder naturnäher und artenreicher werden als die lange vorherrschenden Fichtenwälder. Der weitaus meiste Wald ist Wirtschaftswald. Insgesamt hat der Landkreis unterdurchschnittlich viel Waldfläche: nur 9340 Hektar, das sind knapp 22 Prozent. Deutschlandweit sind 32 Prozent der Fläche bewaldet, in Bayern sind es fast 37.

Das Land an Lech, Amper und Glonn ist uraltes Kulturland, - seiner Böden wegen. Das zeigen drei großformatige Stiche aus der napoleonischen Zeit, die Günter Biermayer in seinem Büro aufgehängt hat. Sie bilden in etwa das Gebiet der drei Landkreise ab, für die der Leiter des Amts für Landwirtschaft und Forsten in Fürstenfeldbruck zuständig ist: Fürstenfeldbruck selber, Landsberg am Lech und Dachau. Deutlich zu sehen ist natürlich, dass die Ortschaften vor etwa 200 Jahren wesentlich kleiner waren als heute. Aber auch damals gab es schon ausgedehnte Ackerflächen. Denn vor allem in den heutigen Landkreisen Fürstenfeldbruck und Dachau sind in der jüngsten Eiszeit sehr fruchtbare Lehmböden mit einer Lössschicht darüber entstanden. "Schon in vorrömischer Zeit ist hier Ackerbau betrieben worden", erklärt Biermayer. Dementsprechend spielt der Wald eine geringere Rolle als beispielsweise im Alpenvorland. Etwa ein Drittel der 9340 Hektar Wald gehört dem bayerischen Staat. 670 Hektar sind Körperschaftswald, befinden sich also im Eigentum von Gemeinden oder der Kirche. Die Stadt München ist einer der Eigentümer. Der weitaus größte Teil ist in Privatbesitz. Die durchschnittliche Größe eines solchen Privatwaldes beziffert Biermayer mit 4,2 Hektar, die bundesdeutsche Durchschnittsgröße liegt bei drei Hektar.

1 / 4
(Foto: imago/blickwinkel)

Die Roteiche stammt aus Amerika. Sie kann mehr als 30 Meter hoch werden.

2 / 4
(Foto: Robert Nörr/oh)

Die Douglasie ist ein Nadelbaum, der Trockenheit recht gut verträgt. Sie stammt ebenfalls aus Amerika.

3 / 4
(Foto: picture alliance / dpa)

Ein junger Buntspecht in einer Baumhöhle. Spechte finden in alten Bäumen Nahrung und Wohnraum.

4 / 4
(Foto: Günther Reger)

An Totholz wachsen viele Schwämme, die oft recht farbenfroh sind. Sie zersetzen das Holz.

Anlässlich der Woche des Waldes gibt Biermayer Auskunft darüber, wie es dem Wald im Landkreis geht. Seine Einschätzung: "Im Vergleich zu den 1980er-Jahren besser, was den Schadstoffeintrag betrifft." Denn es sei weniger Schwefeldioxid in der Luft, das damals zu saurem Regen und großen Waldschäden führte. Heute gefährdet andere Luftschadstoffe den Wald: Stickoxide und Ammoniak. Sie überdüngen den Waldboden und tragen zu dessen Übersäuerung bei. Die Bäume werden dadurch instabiler und können Stürmen und Trockenheit schlechter standhalten.

Vor allem wird der Klimawandel die Wälder verändern. Reine Fichtenbestände werde es in hundert Jahren im Landkreis nirgends mehr geben, erklärt Biermayer. Sie sind hier auch nicht die natürlich vorkommende Waldart. Das wären Buchenwälder, wie es der Schönwald einer ist.

Das Wetter im ersten Halbjahr 2018 sei für den Wald nicht optimal gewesen, sagt Biermayer. Zwar habe es im Januar zunächst viel Regen gegeben, doch dann seien März und April viel zu trocken gewesen. "Die Frühjahrstrockenheit tut dem Wald weh." Und auch seither habe es noch nicht genug geregnet. "Der Regen ist dem Wald nie zu viel", erklärt der Forstmann. Problematisch seien punktuelle, starke Niederschläge mit dazwischen liegenden längeren Trockenperioden. Vor allem die Fichte, noch immer die bei weitem häufigste Baumart, bekommt auf weniger günstigen Standorten wie Schotter schnell Stress. Diese Böden speichern das Wasser kaum. Die Fichte mit ihren flachen Wurzeln hat anders als viele andere Bäume nicht die Möglichkeit, aus tieferen Schichten Feuchtigkeit zu holen. Doch auch die anderen Nadelbaumarten werden Biermayer zufolge Probleme mit den höheren Temperaturen bekommen.

Die Forstleute streben angesichts der veränderten Wetterverhältnissen im Staatswald Mischwälder mit einem hohen Anteil an Laubbäumen an, und die empfehlen sie auch den privaten Waldbesitzern. Sie sollen dem Klimawandel besser widerstehen können. Ausgangspunkt für den Umbau waren Orkane wie Wiebke 1990 und Lothar 1999, die ganze Fichtenschläge regelrecht ummähten. In der Folge breitete sich der Borkenkäfer stark aus. Reine Fichtenbestände erscheinen seither nicht mehr empfehlenswert.

Biermayer und seine Forstamtsmitarbeiter haben genau ausgearbeitete, farbige Aufstellungen, welche Bäume künftig für welche Standorte taugen. Berücksichtigt haben die Forstexperten Bodenbeschaffenheit und Feuchtigkeit. Darunter sind Baumarten aus Amerika, wie die Roteiche und die Douglasie, aber auch einheimische Gewächse wie Winter- und Sommerlinde, Hainbuche oder Bergahorn. Auch die Fichte werde weiter einen Platz haben, aber in viel geringerem Maß als heute, sagt der Forstamtsleiter. Er kann sie sich als eine Art im Mischwald vorstellen. Zwei der einheimischen "Ausweicharten" machen den Förstern auch Sorgen: Die Ulme wurde durch einen eingeschleppten Pilz stark dezimiert, viele Esche leiden unter einer gefährlichen Pilzerkrankung.

Der Wald der Zukunft wird also vielfältiger sein, und es soll auch naturnäher gewirtschaftet werden. "Der Naturschutz spielt für die Selbstverständnis der Förster eine wachsende Rolle", sagt Biermayer. Das bedeutet vor allem, dass der Wald nicht mehr so ausgeräumt wird.

Im Schönwald liegen alle paar Meter umgestürzte Bäume oder herabgefallene Äste am Boden, in allen Stadien der Verrottung. Manche sind gerad erst gefallen, andere schon fast wieder Humus. Vereinzelt stehen sterbende oder schon tote Bäume da - jeder ein Biotop. Sie dienen einer großen Zahl von Tieren als Nahrungsgrundlage oder Unterschlupf: Spechten, Eulen und Fledermäusen, Käfern, Reptilien und Siebenschläfern. Aber auch verschiedenste Pilzarten sind auf Totholz angewiesen. Eine Art der zu den Amöben zählenden Schleimpilze wurde sogar im Schönwald neu entdeckt.

Auch in den Wirtschaftswäldern des Staatsforsts soll ein bestimmter Prozentsatz an Totholz vorhanden sein und mächtige, alte Bäume, die ein Lebensraum für sich sind, sollen erhalten bleiben. Private Waldbesitzer, die solche Biotopbäume stehen lassen, bekommen staatliche Fördergelder. Biermayer hat oft erlebt, dass die Waldbesitzer stolz sind auf ihre "Methusaleme", wie sie bei den Förstern heißen. "Die sagen dann, den Baum hat schon der Urgroßvater stehen gelassen."

Die Staatsforsten streben nach eigener Aussage in älteren naturnahen Beständen einen besonders hohen Totholzvorrat von 40 Kubikmetern und im Durchschnitt dauerhaft zehn Biotopbäume pro Hektar an. Im gesamten bayerischen Staatswald gebe es aktuell rund 15 Kubikmeter Totholz pro Hektar.

© SZ vom 16.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: