Partnerstädte:Kommunale Kuppelei

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In Bruck verweisen Flaggen am Straßenrand auf die Länder der Partnerstädte. (Foto: N/A)

Städtepartnerschaften waren nach zwei Kriegen beliebt. Heute ist das Interesse etwas abgeflaut

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Plötzlich ist er da: Der Schlüsselmoment, in dem man die Dinge schlagartig begreift, der die Gedanken zurechtrückt und die Dinge an ihren Platz fallen lässt. Für Karl Danke, den Referenten für die Brucker Partnerstädte, liegt dieser Moment nicht so lange zurück. "Vor Kurzem habe ich eine Fotoausstellung anlässlich des hundertsten Jubiläums des Ersten Weltkriegs in Livry-Gargan besucht", erzählt er. Da hingen die Aufnahmen aus dem Krieg, die Gesichter der Soldaten. "Plötzlich ist mir bewusst geworden, dass wir heute miteinander feiern, zusammensitzen und miteinander reden können. Vor 100 Jahren saßen wir uns in den Schützengräben gegenüber", sagt er. Und da sei ihm wieder klar geworden, worin der große Gewinn der Städtepartnerschaften liegt. "Sobald man mit den Menschen redet, ihnen gegenübersitzt, tut man sich schwer, sie als Feind zu sehen", sagt Danke.

Genau das spiegelt einen der Grundgedanken der Städtepartnerschaften wieder. Zwar reichen die Wurzeln dieses Konzeptes schon weiter zurück - die erste offizielle Städtepartnerschaft entstand 1925 zwischen Kiel und Sonderburg - aber gerade nach den beiden großen Kriegen des 20. Jahrhunderts wollte man mit Hilfe der freundschaftlichen Beziehungen von Kommunen den Frieden in Europa fördern. Vor allem in den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurden viele dieser Verbindungen geschlossen, heute hingegen zeigt sich ein anderes Bild.

"Man merkt schon, dass das Interesse in den vergangenen Jahrzehnten etwas zurückgegangen ist", erklärt Lyudmyla Dvorkina, die bei der Deutschen Sektion des Rats der Gemeinden und Regionen Europas für Kommunalpartnerschaften zuständig ist. Für viele Kommunen stelle sich hier schlichtweg die Frage der Finanzierung. Eine Städtepartnerschaft muss mit Leben gefüllt werden. Das bedeutet auch, dass gegenseitige Besuche essenziell sind. Ist kein Geld dafür vorhanden, wird das schwierig.

Das sieht auch Hans Seidl, der Bürgermeister von Maisach so. Maisach ist eine der wenigen Gemeinden im Landkreis, die keine Städtepartnerschaft zu einer anderen Kommune unterhält. Zwar liege das vor allem daran, dass es keine historisch gewachsenen Verbindungen mit anderen europäischen Gemeinden gebe und dass seitens des Gemeinderats eine Partnerschaft nie ernsthaft angestrebt wurde. Allerdings, so betont er, hätten in zurückliegenden Jahren auch die Finanzen eine Rolle gespielt. Jetzt sei die Gemeinde zwar finanziell besser aufgestellt, aber aktuell gebe es kein Bestreben, eine fest Verbindung zu knüpfen. In Maisach pflege man eher lockere Kontakte ins Ausland. Zu Festen lade man etwa gerne Musikgruppen aus dem Ausland ein. "Das geschieht eher punktuell, mit Kommunen aus ganz verschiedenen Ländern", so Seidl. Er persönlich sehe die Angelegenheit der Städtepartnerschaften zwiespältig. "Bei einer festen Partnerschaft kann man natürlich eine tiefere Bindung aufbauen. Aber ich sehe auch einen Reiz darin, wenn man öfter Leute aus ganz verschiedenen Ländern und Kulturen zu Gast hat. Das eröffnet ein ganz anderes Spektrum", findet er.

Für das nachlassende Interesse gibt es aber noch andere Gründe. Verbindungen müssen wie Freundschaften gepflegt werden. Und hier zeigt sich für die Städtepartnerschaften das gleiche Problem wie für viele Vereine, betont Dvorkina: Der Nachwuchs fehlt. Viele junge Leute können oder wollen die Zeit und Arbeit nicht mehr investieren, die nötig wäre, eine Partnerschaft aufrecht zu erhalten, erklärt sie. Und noch etwas hat sich seit den 1950er Jahren verändert. Früher boten Städtepartnerschaften eine einmalige Gelegenheit zu reisen und fremde Länder zu entdecken. "Mittlerweile geht das ganz einfach. Viele Länder werden regelmäßig angeflogen", so Dvorkina. Ein Flug in ein Nachbarland kostet nicht mehr die Welt.

Dennoch, die freundschaftliche Verbindung zweier fremder Kommunen sei nach wie vor relevant und erwünscht, betont Dvorkina. Der Rat der Gemeinden und Regionen Europas hat dafür eigens eine Partnervermittlungs-Plattform namens Twinning, zu deutsch verkuppeln, im Internet eingerichtet. Was im Bereich der zwischenmenschlichen Liebe schon ein etabliertes Mittel zur Kontaktanbahnung geworden ist, findet dort auf vergleichbare Weise für Kommunen statt. Eine Stadt oder Gemeinde kann hier ihr Partnerschaftsgesuch einstellen. "Wir unterstützen bei der Kontaktaufnahme, alles Weitere sowie Einzelheiten zu den Verträgen werden unter den jeweiligen Kommunen geregelt", erklärt Dvorkina.

Im Landkreis Fürstenfeldbruck gibt es momentan 23 Städtepartnerschaften und zusätzlich einen Partnerlandkreis. Bald schon sollen, wenn es nach Grafrath geht, zwei weitere Partner hinzukommen. Neben der bestehenden Städtepartnerschaft der Gemeinde zu Polgardi in Ungarn, möchte man die zu Petrifeld in Rumänien und dem französischen Lyons-la-Foret so bald wie möglich offiziell machen. Der Kontakt kam nicht via Twinning zustande, sondern traditionell über persönliche Kontakte. "Man redet immer von der EU und ich denke, durch die Städtepartnerschaften kann man das auf kommunaler Ebene gut leben", findet Bürgermeister Markus Kennerknecht. Solche Partnerschaften haben sich nicht überholt, meint er. Die Vorteile von damals gelten auch heute noch. Zudem könne eine Verbindung wie diese auch das Vereinsleben vor Ort bereichern. Etwa das des deutsch-französischen Vereins in Grafrath, der in den vergangenen Jahren den Kontakt zu Lyons-la-Foret aufrecht erhalten hat. "Man muss schauen, dass man die Partnerschaft pflegt", findet Kennerknecht.

Eine Gemeinde in der das bereits seit Jahrzehnten gut funktioniert, ist Olching. Bereits seit 1963 besteht die Verbindung mit Feurs in Frankreich. Sie ist damit die älteste Städtepartnerschaft im Landkreis und wird mit regelmäßigen, gegenseitigen Besuchen gepflegt. In Fürstenfeldbruck mit seinen fünf Partnerstädten, versucht Karl Danke, den intensiven Austausch untereinander aufrechtzuerhalten. Unter anderem mit der Veranstaltung "Musik ohne Grenzen", bei der im kommenden Jahr Musiker aus den Partnerstätten einen gemeinsamen Konzertabend gestalten sollen. "Ich möchte ab nächstem Jahr auch einmal jährlich eine touristische Reise in eine der Partnerstädte organisieren", so Danke.

In den nächsten Wochen wird sich die SZ-Serie "Sehenswerte Partnerstädte" mit Städtepartnerschaften im Landkreis befassen. Darin geben Einwohner und Ortskundige Tipps für Sehenswürdigkeiten und Besonderheiten ihrer Heimat.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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