Fürstenfeldbruck:Kleine Genießer

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Ingo Barlovic, Jahrgang 1963, studierte Betriebswirtschaft mit dem Schwerpunkt verhaltenswissenschaftliche Marktforschung. Seit 1995 ist er Geschäftsführender Gesellschafter von Iconkids & Youth in München. (Foto: Günther Reger)

Der Nachwuchs ist nicht automatisch gegen gesundes Essen. Allerdings muss es zunächst einmal gut aussehen und gut riechen. Das ist eine von vielen Erkenntnissen der Fachtagung Kita- und Schulverpflegung im Veranstaltungsforum Fürstenfeld

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Es soll gut aussehen und auch so riechen. Wenn diese beiden wichtigsten Punkte erfüllt sind, ist es gar nicht mehr so schwierig, Kinder selbst für gesundes Essen zu begeistern. "Das Produkt muss passen. Wenn das Produkt passt, essen die sogar bio und regional", unterstreicht Ingo Barlovic. Er ist Geschäftsführer des auf Kinder und Jugendliche spezialisierten Marktforschungsinstituts Iconkids & Youth International Research GmbH in München. An diesem Mittwochvormittag erläutert er bei der Fachtagung Kita- und Schulverpflegung in Fürstenfeldbruck, was dem Nachwuchs beim Essen wichtig ist und wie man ihn auch für gesunde Lebensmittel begeistern kann.

Die Veranstaltung ist für Menschen, die in Gemeinschaftsverpflegungseinrichtungen tätig sind. Sie findet einmal im Jahr im Veranstaltungsforum Fürstenfeld statt und wird vom Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ausgerichtet. Fast hundert, überwiegend weibliche Teilnehmer aus Oberbayern-West sind in diesem Jahr gekommen. Es gibt mehrere Fachvorträge und am Nachmittag die Möglichkeit zum thematischen Austausch.

Doch zurück zu "Lebenswelt und Essverhalten zwischen Dichtung und Wahrheit", wie Barlovics Vortrag betitelt ist. Der Referent zitiert Studien, denen zufolge Kinder und Jugendliche heute im Schnitt nicht schlechter ernährt sind als vor ein paar Jahrzehnten. Doch ein genauerer Blick zeigt, auch beim Essverhalten entsteht eine Zwei-Klassen-Gesellschaft: die ausgewogen Ernährten, die sich auch viel bewegen, und die sozial Abgehängten, die oft zu Fertigprodukten und süßen Getränken greifen und selten Sport treiben. Die zweite Gruppe ist zwar kleiner, doch sie wächst.

Wie schafft man es nun, dieser Entwicklung entgegenzuwirken? Barlovic empfiehlt, die Kinder schon möglichst früh für gesunde Ernährung zu begeistern. Das fängt bei der Benennung der Lebensmittel an, zumindest wenn erst einmal die beiden Grundvoraussetzungen - gutes Aussehen, guter Geruch - erfüllt sind, kann man dem Marktforscher zufolge mit den richtigen Kniffen viel bewirken. Allein schon die Begrifflichkeiten würden eine Menge ändern. So schlägt er für jüngere Kinder vor, ihnen zum Beispiel Brokkoli als "Kraftbäumchen" zu servieren oder rote Paprika als "rotes Teufelsgemüse".

Überhaupt haben Kinder eine Vorliebe für Nahrungsmittel, die sich unkompliziert verspeisen lassen und dabei auch noch einen gewissen Spaßfaktor bieten, wie der Redner am Beispiel von Gummibärchen erklärt: "Man kann ihnen den Kopf abbeißen, sie einzeln lutschen oder sich 20 auf einmal in den Mund stecken."Ähnlich beliebt und erfolgreich bei Kindern und Jugendlichen ist demnach Eis mit einer Schokoladenhülle wegen seiner unterschiedlichen Textur.

Doch freilich hilft es wenig, wenn die Kinder einmal am Tag in Kita oder Schule eine gesunde, frisch zubereitete Mahlzeit bekommen, sich aber im familiären Umfeld ansonsten ungesund ernähren. Deshalb helfe eigentlich nur, so Barlovic: "Man muss die Eltern mit ins Boot nehmen." Denn mehrere Untersuchungen haben gezeigt, dass sich der Body-Mass-Index (BMI) der Kinder entsprechend der Ernährungsgewohnheiten im Elternhaus entwickelt. So haben 48 Prozent der Kinder Normalgewicht, bei denen Zuhause frisch gekocht wird - in Haushalten die überwiegend Fertigprodukte verzehren, sind es mit 24 Prozent nur halb so viele.

Um nachhaltig in den Köpfen zu wirken und im besten Falle eine Bewusstseinsänderung mit Ernährungsumstellung zu erreichen, empfiehlt der Referent, die Eltern zu Kochkursen einzuladen. Das wirke weit besser als immer wieder irgendwelche Fakten vorzutragen. Und auch bei Kindern und Jugendlichen wirken laut Barlovic beim gemeinsamen Kochen erworbene Erkenntnisse viel nachhaltiger.

© SZ vom 13.07.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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