Unterbringung von Flüchtlingen:Von der Trainingsstätte zur Herberge

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Werden weitere Turnhallen mit Flüchtlingen belegt, kann das für Sportvereine existenzgefährdend werden. Der Klaus Pleil setzt deshalb auf eine Alternative: Winterfeste Zelte

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Bestürzt, verärgert, besorgt oder verständnisvoll. So reagieren Eltern, Sportvereine und Kommunalpolitiker auf die Ankündigung von Landrat Thomas Karmasin (CSU), im Herbst in weiteren Schulturnhalle Flüchtlinge einzuquartieren. Der Vater einer fünfjährigen Tochter fühlt sich vom Landrat "erpresst", wie er schreibt, weil dieser ihn dazu aufforderte, Unterbringungsalternativen zu benennen. Ansonsten könne seine Tochter keinen Sport mehr treiben. Vereine mit in hochklassigen Ligen spielenden Sportlern wie die Handballer vom TuS-Fürstenfeldbruck befürchten eine Katastrophe, sollten deren Heimspiele der dritten Liga nicht mehr wie bisher in der Wittelsbacher Halle ausgetragen werden können. Müsste der FC Puchheim noch auf eine weitere Sporthalle verzichten, könnte das für den FC, aber auch für andere Vereine existenzgefährdend werden.

Die Unsicherheit ist groß. Niemand kann sich sicher sein, dass der Schulsport wie geplant stattfinden kann oder die Trainingszeiten oder die Spielpläne noch einzuhalten sind. Vor diesem Hintergrund wird klar, warum Klaus Pleil (BBV), der Oberbürgermeister von Fürstenfeldbruck, den Landrat in dieser Woche dazu aufgefordert hat, als Alternative zu Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen das Aufstellen von beheizbaren Zelten mit Toilettenanlagen zu prüfen. Diese Alternative ist im Landratsamt bisher noch nicht in die Überlegungen einbezogen worden. Für Pleil, der übrigens ein Verfechter der Willkommenskultur ist und in Flüchtlingen eine Bereicherung für die Stadt sieht, wäre das jedoch nur das kleinere Übel. Hinter dem Pleil-Vorstoß steckt also die Sorge, sonst in den Wintermonaten keinen regulären Sportbetrieb mehr gewährleisten zu können.

Dass es sich bei dieser Debatte um eine Gratwanderung handelt, ist den Beteiligten durchaus bewusst. So betont Harald A., der Vater des fünfjährigen Mädchens, ausdrücklich, Akademiker zu sein und "keiner rechtsradikalen Gruppe" anzugehören. Der Gröbenzeller verweist aber auch auf sein "gutes Recht", für das "schutzwürdige Interesse" seiner kleinen Tochter zu kämpfen, damit diese in einer der Puchheimer Schulturnhallen weiter den gewohnten Sport treiben kann. In seinem Antwortschreiben an Harald A. äußert Karmasin zwar Verständnis für den Ärger des Gröbenzellers. Er gib aber zu bedenken, für den massenhaften Zustrom von Zuwanderern weder verantwortlich zu sein, noch ihn steuern zu können.

Der Vater ist kein Einzelfall, auch wenn sich der Protest insgesamt in Grenzen hält. Laut einer Pressesprecherin des zurzeit verreisten Landrats, sind unmittelbar nach der Belegung der drei Schulturnhalle mit Flüchtlingen zwölf Beschwerdebriefe direkt an Karmasin eingegangen. Etwa die gleiche Zahl von Betroffenen wandte sich an den für die Flüchtlinge zuständigen Abteilungsleiter im Landratsamt. Ähnliche wie Karmasin erging es dem Maisacher Bürgermeister Hans Seidl (CSU). Dort hat sich nach einer Gesprächsrunde mit Vereinsvertretern die Lage allerdings wieder beruhigt. Auch wenn sie nicht glücklich sind, wie der geschäftsleitende Rathausbeamte Peter Eberlein feststellt, wollen alle Beteiligten versuchen, das Beste aus der Situation zu machen.

Konkret bedeutet das, in diesem Herbst in Maisach den Trainingsbetrieb auf Samstage und Sonntag auszuweiten und damit die Kapazitäten zu erhöhen. Bisher gab es in den Hallen in der Gemeinde an Sonntagen lediglich einen Spiel-, aber keinen Übungsbetrieb. In Maisach hat man sich auch darauf eingestellt, dass die Einfachturnhalle der Real- und Mittelschule den ganzen Winter über nicht von den Vereinen genutzt werden kann.

Dem FC Puchheim ist es gelungen, den Verlust der Turnhalle des Gymnasiums zu 70 Prozent zu "neutralisieren", beteuert Andrea Aichinger vom geschäftsführenden Vorstand. Das ging durch die Kooperation mit anderen Sportvereinen, die Zusammenlegung von Stunden oder das Kürzen und Streichen von Trainingseinheiten. Die restlichen 30 Prozent gelten als verkraftbar, wenn Kommunalpolitiker weiter dazu beitragen, das Problem zu lösen, und wenn der Winter mild wird. Aichinger weist auch darauf hin, dass die Schulen zur Aufrechterhaltung ihres Sportangebots auf Trainingszeiten zurückgreifen, die bisher den Vereinen vorbehalten waren. "Fällt noch eine weitere Halle weg, wäre das existenzgefährdend" ergänzt Aichinger. Schließlich bestehe die Aufgabe des Vereins ja darin, ein Sportangebot zu erhalten. Wichtig ist der Puchheimerin der Hinweis auf den Beitrag des FC zur Integration. Das Angebot an Flüchtlinge, beim FC Sport zu treiben, werde bereits angenommen.

Erich Raff (CSU), Zweiter Bürgermeister und zudem Sportreferent des Stadtrats von Fürstenfeldbruck, hält es für wichtig, in der Kreisstadt nicht die berechtigten Interessen von Sportlern oder Sportvereinen gegen die berechtigten Interessen von Flüchtlingen auszuspielen. Diesen Konflikt gelte es unbedingt zu vermeiden. Laut Raff geht es darum, einen dritten Weg zu gehen und Alternativen zu finden, damit weitere Hallen frei von Asylbewerbern bleiben. Schließlich lasse sich nicht jedes Spiel einfach nach Belieben in eine andere Halle verlegen. So müssten die in der Bayernliga vertretene Brucker Basketballer ihre Punktespiele in der Halle des Graf-Rasso-Gymnasiums austragen, weil nur dort die hierfür unverzichtbaren Spezialmarkierungen vorhanden sind.

Der dritte Weg könnte für Raff darin bestehen, für die kommenden Monate beheizbare Zelte anzumieten, die sich im Winter durch eine zusätzliche Außenisolierung gegen Kälte schützen lassen. Ob das eine realistische Option ist, weiß der Bürgermeisterstellvertreter jedoch nicht.

Karmasin sah solche Alternativen noch nicht, als er Anfang August ankündigte, alle Turnhallen im Landkreis auf ihre Eignung als Flüchtlingsquartier zu prüfen. Auch die Belegung von kommunalen Gebäuden wie Kulturzentren oder von Tiefgaragen schloss der Landrat damals nicht mehr aus. Der Landrat wollte mit seiner Ankündigung durchaus provozieren und aufrütteln, um den Ernst der Situation zu verdeutlichen. Diese Botschaft ist bei den Betroffenen angekommen. Inzwischen liegt das Ergebnis der Prüfung aller Schulturnhallen, deren Eigentümer der Landkreis ist, vor. Für Sportvereine ist das keine gute Nachricht. Demnach sind alle geeignet, wenn auch nach zwei Kategorien unterschieden wird. Es gibt nämlich solche Hallen, die geeignet und solche, die nur bedingt geeignet sind. Zu letzteren gehören die Turnhalle, die über keinen eigenen Eingang verfügen, sondern nur über ein Schulgebäude zu erreichen sind.

Im Landratsamt geht man davon aus, in den nächsten Monaten Woche für Woche mindestens 43 neue Flüchtlinge zugewiesen zu bekommen. Nur mit dem Zuwachs von 14 Tagen ließe sich schon eine größere Turnhalle füllen. Die nächste Turnhalle, in die Asylbewerber einziehen sollen, ist die des Max-Born-Gymnasiums in Germering.

Wie in Fürstenfeldbruck setzen auch die Kommunalpolitiker in Gröbenzell darauf, mit vernünftigen anderen Lösungen eine Zweckentfremdung der Turnhallen noch vermeiden zu können. So lange der Gemeinderat mitredet und selbst konstruktive Vorschläge macht, so die Hoffnung, könne das Schlimmste, nämlich die Beschlagnahmung öffentlicher Gebäude, verhindert werden. In Gröbenzell sucht man allerdings nicht nach Not- oder Übergangslösungen wie es sind Zelte sind, sondern der Gemeinderat strebt den Bau von Fertighäusern mit späteren Sozialwohnungen auf kommunalen Grundstücken an, in die zuerst Flüchtlinge und später andere Bewohner einziehen sollen.

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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