Fürstenfeldbruck:In Widersprüche verstrickt

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Gericht spricht 28-Jährigen vom Vorwurf der Vergewaltigung frei

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck/München

Der 28 Jahre alte Mann aus Nigeria, der im November in Fürstenfeldbruck eine 51-Jährige vergewaltigt haben soll, ist von der 1. Strafkammer am Landgericht München II freigesprochen worden. Für die Richter stand zwar fest, dass es zwischen den Beiden zum Geschlechtsverkehr mehr oder weniger auf offener Straße gekommen war. Doch "ob der mit oder gegen den Willen der Geschädigten stattgefunden hat, kann die Kammer nicht sagen", begründete der Vorsitzende der 1. Strafkammer, Richter Martin Rieder, die Entscheidung. Der Staatsanwalt hatte eine Freiheitsstrafe von sechseinhalb Jahren gefordert, die Nebenklagevertreterin die Strafhöhe dem Ermessen des Gerichts überlassen. Der 28-Jährige, der seit 22. Januar in Untersuchungshaft saß, brach nach dem Urteilsspruch vor Erleichterung regelrecht zusammen.

Der Angeklagte, der zur Tatzeit in der Erstaufnahmeeinrichtung für Flüchtlinge in einem Teil des Fliegerhorstes untergebracht war, traf die Frau am frühen Morgen des 2. November an der Maisacher Straße. Er kam, mit leicht erhöhtem Promillepegel, aus einem Club in München. Sie hatte in einem Brucker Lokal offenbar einiges getrunken; sie hatte mehr als zwei Promille. Beide bestätigten in der Verhandlung, dass sie nach einem kurzen Gespräch, während dem sie Richtung Fliegerhorst gingen, Sex auf einem Feldweg neben der Straße hatten. Allerdings war der nach der Darstellung des 28-Jährigen freiwillig, die Frau sprach von einer Vergewaltigung.

Die Tatsache, dass das Paar direkt nach dem Akt in ein Taxi gestiegen und zur Polizeiinspektion gefahren war, wertete das Gericht als Indiz für die Unschuld des Mannes. Wobei es für die Kammer, bestehend aus drei weiblichen und einem männlichen Richter, in erster Linie darum ging, zu beurteilen, ob dem 28-Jährigen in dem Moment bewusst war, dass die Frau keinen Sex mit ihm wollte. Sie selbst hatte erklärt, sich nicht gewehrt zu haben, aus Angst, ihn wütend zu machen. "Das kann ich mir nicht vorstellen, dass der sich ganz gemütlich ins Taxi reinsetzt, wenn ihm klar gewesen wäre, was er der Frau gerade angetan hat", sagte Rieder.

Weitere Widersprüche erhärteten die Zweifel des Gerichts. So hatte der Taxifahrer berichtet, die Fahrt zur Polizei sei seine Idee gewesen, nachdem ihm die Frau erzählt hatte, was ihr gerade passiert war. Die 51-Jährige sagte indes aus, sie habe zur Polizei gewollt. Zudem hatten die Polizisten, die sie an jenem Morgen erlebt hatten, nicht den Eindruck gewonnen, die Frau vor ihnen sei soeben vergewaltigt worden. Darüber hinaus hatten medizinische Gutachten im Intimbereich der 51-Jährigen Spermaspuren von mindestens drei verschiedenen Männern nachgewiesen. Das Gericht wisse also auch nicht, was vor der Begegnung mit dem 28-Jährigen passiert sei, argumentierte der Vorsitzende.

In der Summe seien das "Widersprüche, die ganz vernünftige Zweifel aufkommen lassen", erläuterte Rieder. Pflichtverteidiger Günter Reisinger sprach von einem "erstklassigen Freispruch", sein Mandant fiel nach der Urteilsverkündung auf die Knie und betete.

© SZ vom 04.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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