Fürstenfeldbruck:Immer unter Strom

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In der Halle von Werk vier ist Thomas Eibl in seinem Element. Gefragt sind Fingerspitzengefühl, eigenverantwortliches Handeln und Teamwork. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Thomas Eibl ist Elektromonteur in der Brucker Caritas-Werkstatt

Von Nina Storner, Fürstenfeldbruck

Thomas Eibl steht gerne um sechs Uhr in der Früh auf, denn seine Arbeit macht ihm Spaß. Mit öffentlichen Verkehrsmitteln schafft es der 29-Jährige wochentags in nur einer Viertelstunde in die Industriehalle voller Kabel, Geräte und fleißiger Kollegen. Mit ihnen kommt der Aicher gut zurecht, genauso wie mit seinem täglich Brot, der Elektromontage.

Zehn Jahre arbeitet der 29-Jährige bereits in den Werkstätten der Caritas. Eibl ist einer von rund 200 Menschen mit Behinderung, die in den drei Werkstätten der Fürstenfeldbrucker Einrichtung beschäftigt sind. Dabei gibt es ein breites Angebot an Produktionsbereichen und Dienstleistungen, wie Verpackung und Mailing, die eigene Schreinerei, Garten- und Landschaftspflege oder Hauswirtschaft. Hinzu kommen die Metallverarbeitung und Elektromontage an der Bahnhofsstraße. Seit 2010 gibt es endlich mehr Platz, denn im Keller des Werks eins an der Maisacher Straße war es zu eng geworden für Maschinerie, Produkt und Mensch. Nun arbeiten im Werk vier auf 1800 Quadratmetern knapp 60 Mitarbeiter.

Mit Rat und Tat steht Thomas Kirzdörfer seinen Leuten beiseite. Dabei gerät der Zweigstellenleiter zuweilen aus der Puste. "Bei 117 Metern Hallenlänge läuft sich so ein Sicherheitsschuh schnell durch", so der 48-Jährige. Als ausgebildeter Flugzeugmechaniker mit sonderpädagogischer Zusatzqualifikation verfolgt er mit drei weiteren Metallmeistern und je einem Metall-und Elektrogesellen den Betrieb und unterstützt, falls nötig, die Arbeiter. Auch eine Pflegekraft und Studenten sind in der Werkstatt anzutreffen. "Sieben Personen sind schon knapp kalkuliert, es sind ja auch nicht immer alle da ." Den Überblick zu behalten, das sei die Kunst.

In der Elektrohalle des Werks vier ist Eibl in seinem Element. Schon als Teenager machte er die ersten Praktika in den Werkstätten der Caritas. Erfolgsversprechend, denn schnell merkte der junge Mann, dass Verpacken und Postversand keine Option darstellten, ebenso wenig wie die Küchenarbeit. Dann kam Eibl in die Elektroabteilung. Das breite Spektrum tat es ihm an, er blieb. Heute verbindet er in der Vormontage Kleinteile, die zu Tausenden beim Bau von Messeständen ihre Verwendung finden. Auch das Abmanteln und Isolieren von Kabeln sowie die Verdrahtung mit Steckern gehören zu seinen Aufgaben.

Nicht jeder seiner Kollegen kann wie er die Werkstatt in den Pausen selbständig verlassen. Eine sonnige Gartenterrasse und die hauseigene Mensa schaffen hier Wohlfühlatmosphäre. Um etwas mehr Bewegung zu haben, spaziert Eibl mittags regelmäßig zum Einkaufscenter um die Ecke. Donnerstags jedoch habe er dafür Sorge zu tragen, dass genug Leberkäs-Semmeln auf den Tisch kommen. Die Bestellungen zu koordinieren und beim Kiosk zu bezahlen sind gute Übungen für Alltag und Arbeitsleben.

Vielgestaltiges Lernen liegt ganz im Sinne der Caritas-Werkstätten. Im neunten Sozialgesetzbuch ist der Auftrag zur "Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen am Arbeitsleben" festgehalten, welcher neben der beruflichen und persönlichen Bildung auch eine der Arbeitsleistung angemessene Vergütung vorsieht. In den Brucker Werkstätten entspricht das derzeit einem durchschnittlichen Entgelt von 240 Euro pro Monat. "Uns ist es wichtig, so viel Handarbeit wie möglich beizubehalten." Nur so sei die Förderung ganzheitlich effektiv. Die Zeit der rein manuellen Fertigung ist dennoch vorbei und der Umgang mit computergesteuerten Vorrichtungen gehört für seine Arbeiter genauso dazu wie für Kirzdörfer die soziale Arbeit mit den Angestellten. Ohne Soft Skills geht das nicht. "Deswegen gestaltet sich die Vermittlung an externe Arbeitgeber relativ schwierig." Der Betreuungsaufwand sei so unterschiedlich wie der Grad der Behinderung bei den Mitarbeitern. Auch deshalb werde ihm selbst nie langweilig.

Regelmäßig setzt sich Kirzdörfer, der als Zivildienstleistender bei der Caritas anfing, mit den anderen Meistern zusammen, um die fünf bis zehn Kundenanfragen, die Tag für Tag eingehen, zu prüfen. Welches Equipment wird benötigt? Lohnt sich die Stückzahl? Gibt es genug Leute, die das bewerkstelligen können? Derzeit versorge die Außenstelle Metall-Elektro 34 Firmen mit einem Sortiment von mehr als tausend verschiedenen Produkten. Auf Vorbehalte stoße man immer wieder, aber Querdenken bringe mehr voran als Schubladen-Denken. Deshalb gibt es auch den Tag der offenen Tür, erklärt der Zweigstellenleiter. Da werde auch gezeigt, "dass das mit Behinderung möglich ist."

An diesem Freitag, 24. April, sind die Türen der drei Caritas-Werkstätten von 11 Uhr an geöffnet. Es gibt ein vielseitiges Programm sowie Speisen und Getränke. Bis 17 Uhr werden Führungen durch die Einrichtung angeboten. Danach haben dann auch Mitarbeiter wie Thomas Eibl Feierabend.

© SZ vom 24.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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