Fürstenfeldbruck:Getreideernte vor 7700 Jahren am Haspelsee

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Bei der Auswertung der Funde von Proto-Hörbachern findet ein Archäologe Hinweise auf einen sehr frühen Ackerbau

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Unkontrollierte Einwanderung brachte einst die neuesten kulturellen Errungenschaften aus dem Nahen Osten nach Bayern: Ackerbau, Keramik und Viehzucht. Die ersten Bauerndörfer entstanden um 5500 vor Christus im Norden des heutigen Freistaates. Das ist der Stand der Wissenschaft. Möglicherweise hatten aber ein paar gewitzte Jäger und Sammler am Haspelmoor die Nase vorn. Um diese Frage zu klären, möchte der Historische Verein nächstes Jahr eine Grabung organisieren. Ein Zwischenergebnis hat am Donnerstag der Archäologe Robert Graf auf einer Pressekonferenz im Brucker Museum präsentiert.

Mit den neuesten Methoden der Wissenschaft hat Graf die bisherigen Funde aus der mittleren Steinzeit ausgewertet. So ließ er in Budapest und im südafrikanischen Durban Fragmente von Obsidian mit einem Laser untersuchen. Bis dahin hatte man gemeint, der Splitter aus vulkanischem Glas stamme aus den Karpaten. Nun stellte sich heraus, dass der Obsidian von der griechischen Insel Melos stammt. Dass die Jäger und Sammler vom Haspelmoor solche weitreichenden Verbindungen hatten, ist eine der spektakulären Ergebnisse seiner Dissertation, die nun in gedruckter Form vorliegt.

Während die ersten Menschen, die am Haspelmoor, damals noch ein See, ihr Lager aufschlugen, sich das Material für ihre Steinwerkzeuge aus einem Bereich von 70 bis 80 Kilometer im Südwesten holten, orientierten sich ihre Nachfolger in Richtung Donau. Vom Basislager am See zogen sie zu weiteren Stellen in Eismerszell, Jesenwang und Purk. Dort suchten sie nach heimischen Steinen, die aber wohl nicht die richtige Qualität hatten, reparierten und ergänzten Waffen oder legten vielleicht auch nur eine Rast während der Jagd ein.

Rund 13 000 steinerne Relikte von Klingen und Pfeilspitzen belegen die frühe Besiedlung des Haspelmoors. (Foto: Günther Reger)

Die zweite Erkenntnis besteht darin, dass am Haspelsee möglicherweise schon vor etwa 7700 Jahren Getreide angebaut wurde. Jedenfalls gibt es Indizien aufgrund der Pollenanalyse. Michael Peters, Leiter der Arbeitsgruppe für Vegetationsgeschichte am Institut für Vor- und Frühgeschichtliche und Provinzialrömische Archäologie, hat diesen untersucht und einen kleinen Aufsatz zur Publikation von Graf beigesteuert. Er ist vorsichtig, weil Pollen von frühen Getreidesorten von Süßgraspollen schwer zu unterscheiden sind.

Er vermutet, dass zu dieser Zeit kein regulärer Ackerbau betrieben wurde. "Die Proto-Hörbacher haben versucht, Getreide anzubauen, aber es hat wegen des Klimas nicht funktioniert", meint er. Ziemlich sicher ist, dass die ersten Ackerbauern sich in unserer Region um 5400 bis 5300 vor Christus am Lech auf fruchtbaren Lössterrassen ansiedelten. Die Siedlungen bei Kaufering und Scheuring waren aber zu weit weg, als dass Pollen bis ins Haspelmoor geflogen sein könnte. Und selbst diese ersten Siedler gaben bald wieder auf, weil es immer kälter und regnerischer wurde, je mehr sie sich von Norden her entlang des Lechs den Alpen näherten. Auch die Werkzeuge waren primitiv, es wurden einzelne Löcher für die Körner gegraben. Vermutlich haben die Proto-Hörbacher mit der neuen Technik experimentieren.

Kreisheimatpfleger Toni Drexler ließ jedoch nicht locker. Er verwies auf Relikte von Holzkohle als einen Hinweis auf Brandrodung, was wiederum bedeuten würde, dass nicht bloß ein paar Löcher für einzelne Körner in den Boden gepopelt wurden. "Brandrodung ist ein großes Wort. Vielleicht waren es Lagerfeuer, die außer Kontrolle gerieten, oder man hat Kiefern abgebrannt, um Platz für Haselbüsche zu bekommen", entgegnete Peters. Die eiweißreichen Nüsse waren eine wichtige Nahrungsquelle. Aufschluss könnte nur eine Grabung im Moor geben, da waren sich die Experten am Donnerstag einig. Denn die bisherigen Erkenntnisse beruhen auf Funden, die Toni Drexler und Roswitha Spohd im Lauf der Zeit zusammengetragen haben. Es handelt sich um rund 13 000 steinerne Relikte, Kernsteine und Mikrolithen, das sind Klingen und Pfeilspitzen. Diese Funde stammen jedoch von Flächen, die die Bauern umgepflügt hatten. Damit sind die nur Millimeter dicken Schichten, in denen sie geborgen waren, zerstört.

Jochen Haberstroh (Zweiter von rechts) befasst sich in seiner Disseration mit der Besiedlung des Haspelmoors. (Foto: Günther Reger)

Was die Archäologen sich erhoffen, ist ein Platz im Moor, der von den Drainagen noch nicht so mitgenommen ist. Dort könnte man auf intakte Schichten aus der Zeit des Mesolithikum, der mittleren Steinzeit, stoßen, und damit die Funde zuordnen. Außerdem hoffen die Wissenschaftler, dass sich im nassen Boden noch Pflanzenreste oder Relikte von Werkzeugen aus Geweih und Knochen und weitere Pollen erhalten haben. Solche Stellen sind wegen der Drainagen aber immer schwerer zu finden. "Die Uhr läuft gegen uns", mahnte Graf.

Das Landesamt für Denkmalschutz muss einer Grabung zustimmen, verhielt sich aber in jüngster Zeit restriktiv, etwa als der Historische Verein auf der Amperinsel bei Schöngeising nach einem Römerturm graben wollte. "Wir werden darüber nachdenken", versprach Jochen Haberstroh, der Referatsleiter der Behörde, der bei der Präsentation anwesend war. Wichtig sei aber nicht nur eine Ausgrabung, "auch die Auswertung muss garantiert" sein. Zuallererst müsste man im Haspelmoor nach einer geeigneten Stelle suchen. An einer solche Prospektion könnte sich das Landesamt beteiligen. Der Arbeitskreis Vor- und Frühgeschichte des Historischen Vereins ist jedenfalls bereit.

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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