Fürstenfeldbruck:Genitalien aus Plüsch

Lesezeit: 2 min

"Wenn man auf einen Menschen trifft, den man mag": Besucher der Ausstellung betrachten Schautafeln. (Foto: Günther Reger)

Eine Ausstellung in der Volkshochschule soll Flüchtlinge über Sexualität und Geschlechtskrankheiten aufklären

Von Linda Zahlhaas, Fürstenfeldbruck

Auf der Höhe der Leiste einer weibliche Silhouette befindet sich eine kleine Box mit Klappe. Öffnet der Besucher diese, findet er darin eine realistisch gestaltete Vagina aus Plüsch an einer Kordel zum herausnehmen: Ein anatomisches Modell ist dargestellt, das durch den Plüscheinsatz dennoch hinreichend abstrakt wirkt, um keine Berührungsängste auszulösen. Gleich dahinter eine andere Klappe. In dieser verbirgt sich ein Penis, ebenfalls aus Plüsch. Beide Plüschmodelle sind sogenannte Aufklärungskissen und Teil der Wanderausstellung "Only Human. Leben. Lieben. Mensch sein." Sie ist bis Donnerstag, 27. April, in der Volkshochschule zu besichtigen. Der Diözesan-Caritasverband und die Erzdiözese München und Freising haben die Ausstellung konzipieren lassen, um besonders junge Flüchtlinge über Sexualität und Geschlechtskrankheiten aufzuklären.

Wie entwirft man solch eine Ausstellung anschaulich, ohne dass es für die Besucher komisch wird? Wie erklärt man Menschen, die aus Ländern kommen, in denen es weder genügend Medikamente, geschweige denn eine Krankenkasse oder ein Gesundheitssystem gibt, was sexuelle Aufklärung bedeutet? "Es ist nicht optimal, wenn die Besucher viel lesen müssen, deswegen arbeiten wir mit wenig Text, kurzen Überschriften, Schlagwörtern und vielen Bildern", erklärt Alexandra Mayer, Asylkoordinatorin der Caritas im Fachbereich Gesundheit. Sie ist auch für geflüchtete Menschen die erste Anlaufstelle, wenn es um das Thema Aufklärung geht. Knapp ein Jahr haben sie und ihr Team zusammen mit Religionswissenschaftlern und Experten vom Forum für Islam die Ausstellung in zehn verschiedenen Sprachen erarbeitet. Alle Themen, die Mayer auch in ihrer Arbeit während einer normalen Prävention erklärt, werden aufgegriffen, eingeteilt in die drei Bereiche Frauen- und Männergesundheit, HIV und weitere sexuell übertragbare Krankheiten sowie Beziehungen und Geschlechterrollen in der Ausstellung. "Sowohl bei Deutschen als auch bei Flüchtlingen gibt es viel Erklärungsbedarf", berichtet Mayer.

Anschauliches Erklären gelingt am besten durch Spiele, Bildtafeln, Filme und Apps, die in der interaktiven Ausstellung den Zugang in die Thematik vereinfachen. Dass es sich mit Bildern leichter lernt, zeigt sich zum Beispiel bei dem Thema Verhütung: Kurze Comics zeigen Kondome, Anti-Baby-Pille oder Vaginalringe und stehen so selbsterklärend für die unterschiedlichen Verhütungsmethoden. "Die Ausstellung ist wirklich interessant und organisiert aufgebaut", sagt Jasmin aus Kroatien. Die 19-Jährige lebt seit Herbst 2016 in Deutschland. Sie habe vieles gelernt, was in ihrer Heimat nicht thematisiert werden würde, erzählt sie.

Eine Bilderreihe mit dem Titel: "Wenn man auf einen Menschen trifft, den man mag", zeigt, wie sich zwei junge Menschen kennen lernen, und begleitet sie bei ihrem ersten Date. Eine App erklärt die Begriffe der Genitalien in acht verschiedenen Sprachen und erläutert warum Vorsorgeuntersuchungen auch für Männer wichtig sind. Durch das Spiel "Catch the Sperm", lernt der Besucher unverkrampft, wie eine Eizelle befruchtet wird.

Die Ausstellung richtet sich aber nicht nur an Flüchtlinge, sondern soll auch Menschen, die in der Flüchtlingsarbeit tätig sind, wie die Sprachlehrer der Volkshochschule. Derzeit lernen 130 Menschen aus verschiedene Ländern Deutsch an der Volkshochschule. Besonders das Erklärvideo, wie ein Arztbesuch in Deutschland abläuft und welche Dokumente dafür benötigt werden, geben dem Unterricht neue Impulse.

Nur die Reaktionen der anwesenden Sprachlehrer auf die Aufklärungskissen sind verschieden: "Driftet der Plüschpenis nicht ins Lächerliche ab?", fragt eine der Lehrerinnen. Überhaupt nicht, das lockere die Atmosphäre viel mehr auf, antwortet ihr Mayer. Es zeigt sich, mit Humor müssen Sexualität und die damit verbundenen Fragen kein Tabuthema bleiben, sondern können Spaß machen.

© SZ vom 19.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: