Fürstenfeldbruck:Ein brodelnder Vulkan

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Mit ihrer Darbietung überzeugen Netzer und Scheytt beim Auftakt zu Reihe "Blues & Boogie First". (Foto: Günther Reger)

Netzer, Scheytt und Dennerlein geben Auftakt in Fürstenfeld

Von Jörg Konrad, Fürstenfeldbruck

Die Akkorde waren rau und kantig, die Harmonien vermittelten etwas leidvoll Nostalgisches. Die Melodien klangen schmerzverzerrt, fast gequält, die Bluesharp jubilierte in Moll und die Stimme war ein faszinierendes Jammertal. Und die Orgel? Sie fauchte und galoppierte, provozierte und peitschte ein, sie dröhnte und brodelte wie ein dampfender Vulkan. Ihre grundierenden Bassmanuale hielten das Gebräu zusammen und gaben dem Ganzen ein integrierendes Fundament. Am Donnerstag war, nach einem langen Sommer, endlich Eröffnung der Saison in Fürstenfeld. Eine Art musikalischer Gemischtwarenladen, unter der groben Überschrift "Blues & Boogie First". Natürlich gab es Blues und Boogie - aber auch Bop und Soul, Südamerikanisches und Funk, etwas Jazz und sensitive Balladen. Gespielt und gesungen von drei Musikern, die man gedanklich nur schwer zusammenbekommt. Hier das Duo Netzer & Scheytt, mit ihren rudimentären zwölftaktigen Schemen, für die sie gerade den German Blues Award erhielten. Da die grazile, aber schwerstarbeitende Organistin Barbara Dennerlein an der Hammond B3. Unentwegt auf Tour ("ich relaxe kaum") und dabei immer nach neuen Projekten Ausschau haltend.

Ignaz Netzer gehört zu diesen hemdsärmeligen, launigen, immer zu Späßen aufgelegten Blues-Größen. Trends scheinen für ihn nicht von Interesse - Moden erst recht nicht. Er liebt den Blues, fertig. Er ist sein Segen und seine Obsession zugleich. Gitarre spielt der Allgäuer mit lasziver Energie, exzellent und selbstbewusst. Wenn er singt, hat man eine Ahnung davon, wie Joe Cocker klingen würde, wäre er nach Woodstock dem Blues treu geblieben und hätte sich nicht von einer großen Karriere verlocken lassen. Und seiner Mundharmonika, die er leider viel zu selten spielte, entlockte er an diesem Abend eine ganze Blues-Galaxie.

Thomas Scheytt verkörperte den Antipoden zum charismatischen Netzer - könnte man glauben. Obwohl ganz eng dem Boogie Woogie verhaftet, outet er sich nicht als Tasten-Derwisch, sondern als ein nachdenklich wirkender, im positiven Sinn zögerlicher Pianist. Das ist ein neuer Ansatz und mindestens so spannend wie die Herangehensweise der großen Virtuosen dieses Stils. Eine Zeitung nannte ihn anlässlich seiner Nominierung für den Preis der Deutschen Schallplattenkritik, einen "Philosophen am Klavier". Scheytt ist gehaltvoller Erzähler. Seine Geschichten klingen wohl abgerundet, haben eine Einleitung, einen Mittelteil und einen Epilog, wobei selten etwas zum staccatohaften Feuerwerk gerät.

Völlig anders hingegen Barbara Dennerlein. Sie wirkt umgänglich und mitteilsam in ihren Moderationen und scheint alles ihrem Spiel auf der alten, sperrigen Hammond Orgel unterzuordnen. Dieses Instrument, beherrschte mit seinen rotierenden Zahnrädern, elektrischen Tonabnehmern, Magnetspulen und Röhrenverstärkern den Äther. Barbara Dennerlein, stets bemüht, den immer ein wenig nach Unterhaltung klingenden Sound eine künstlerische Note beizumischen, ist heute eine der Spezialistinnen an diesem klangschichtenden Instrument. Sie beherrscht die verschiedensten Musikstile, wechselt blitzschnell die Register und versteht es auch, von den solistischen Herausforderungen im ersten Teil des Konzertes in eine Gruppendynamik einzudriften, wie sie für eine Trio-Konstellation eines blues spielenden Kammerensembles notwendig ist.

© SZ vom 15.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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