Fürstenfeldbruck:Die Leistungsschau der Tradition

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In Fürstenfeld wird zum Kirta nicht nur musiziert und in prächtigen Trachten getanzt. Am Tag des Kirchweihfests präsentiert sich am Sonntag auch das Handwerk. An König Ludwig freilich geht all das bunte Treiben ziemlich vorbei

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

König Ludwig II. verzieht keine Miene. Er blickt über einen Stadtsaalhof, der fast als bayerische Seenplatte durchgehen könnte. Zum Kirchweihfest gehört eigentlich ein weiß-blauer Himmel. Über Seiner Exzellenz aber hängen am frühen Samstagnachmittag bleigraue Wolken. Der Andrang an den Schiffsschaukeln unter dem aufgemalten Konterfei des Königs hält sich entsprechend in Grenzen. Ein paar wetterfeste Passanten flanieren zwar zwischen Gebäck- und Käseständen und Kinder drehen sich auf dem Rücken von Giraffe und Bär auf dem kleinen Kinderkarussell im Kreise. Der Großteil der Fürstenfelder Kirta aber findet, vor des Königs Augen verborgen - in der Tenne statt.

Perfekte Choreographie am laufenden Band: Tänzer des Trachtenvereins Almfrieden Gröbenzell. (Foto: Günther Reger)

Regenwetter hin oder her, der Kirta bleibt auch unterm Dach so etwas wie ein Pflichttermin für Trachtler. Mit den populären Oktoberfestverkleidungen können diese eher wenig anfangen. Ein Blick hinüber zu den Leuten von Almfrieden Gröbenzell in ihren zünftigen Gewändern beweist das. Während vier kleine Mädchen vor der Bühne gebannt den Auftritt der Blasmusik Schöngeising verfolgen, bereiten sich die Gröbenzeller ohne jede Hektik auf ihren bevorstehenden Auftritt vor. Auf den Tischen stehen kleine, geflochtene Brotzeitkörbe, daneben liegen Hüte mit weißen Federn. Die vielen Mädchen und Jungen beweisen, dass Themen wie Tradition, Trachten und Volkstanz mitnichten als altmodisch empfunden werden. Der 1920 gegründete Heimat- und Gebirgstrachtenerhaltungsverein ist beim Fürstenfelder Kirta Stammgast.

Helmuth Reichwein aus Jetzendorf offeriert Trachtenschmuck. (Foto: Günther Reger)

An Kirchweih wird seit dem vierten Jahrhundert an die Weihe des Kirchenbaus erinnert. Besonders für die ländliche Bevölkerung war Kirchweih viele Jahre eines der wichtigsten Feste, gab es doch nur selten Gelegenheit, bei Tanz, Musik und einer ordentlichen Brotzeit zusammenzukommen. Ursprünglich wurde am Weihetag des jeweiligen Gotteshauses gefeiert. Weil bei den Dorfkirchweihfesten an den vielen verschiedenen Terminen aber offenbar allzu oft über die Stränge geschlagen wurde, führte die Obrigkeit in Bayern den dritten Sonntag im Oktober als "zentralen" Kirchweihtag ein.

In Fürstenfeld ist der Kirta, der vom Brucker Jugendblasorchester eröffnet und auch von den Trachtenvereinen D'Maisachtaler und D'Moasawinkler sowie dem Olchinger Trio Alpentschäss gestaltet wurde, mehr als "nur" Musik und Tanz. Er ist so etwas wie die Leistungsschau der Tradition. Das zeigt sich im Obergeschoss der Tenne. Da wird vorgeführt, wie man Dirndl schneidert, es gibt Schmuck für Trachtler sowie Trachtlerin und eine Lederhosengerberei stellt ihre Arbeit vor. Etwas weiter lädt ein Schild dazu ein, sich selbst am "Einfilzen von Seife" zu versuchen. Darüber steht auf gut Bairisch: "Workshop". Von ordentlicher Arbeit eine Ahnung hat auch Michael Jaumann, der aus einem Lindenholzblock mit Hilfe von Schnitzeisen und Klöppel vor den Augen der Besucher ein Krippenrelief buchstäblich herausschält. Bis das fertig ist, wird es freilich noch an die 30 Stunden dauern. Der Holzbildhauer in dritter Generation ist Chef der Gröbenzeller Kreutz-Holzbildhauerei. Gab es vor gut 20 Jahren noch an die 25 solche Geschäfte im Landkreis, so ist Jaumanns Betrieb der einzig noch verbliebene. Sein Erfolgsrezept: Die drei angestellten Holzbildhauer und die weiteren Heimarbeiter spezialisieren sich auf einen Bereich. Es muss also nicht immer die Marienfigur oder die Krippe, ein Rauschgoldengel oder einer der durchaus gefragten "Schutzengel" für Kinder sein. Bei Kreutz werden auch schon mal echte Kürbisse geschnitzt, Stempel für große Industrieunternehmen oder auch Grabinschriften. Für Qualität seien Kunden durchaus bereit, auch etwas mehr hinzulegen, sagt Jaumann. Hilde Kachelriss aus Fürstenfeldbruck hat es in gewisser Weise sogar noch besser. Sie hält ebenfalls ein traditionelles Handwerk hoch, muss damit aber nicht ihren Lebensunterhalt finanzieren. Im Erdgeschoss der Tenne sitzt sie inmitten mehrere Frauen der Handspinngilde. Die zwölf Frauen treffen sich zweimal im Monat, um gemeinsam zu spinnen. Natürlich wird darüber regelmäßig gewitzelt, aber Hilde Kachelriss nimmt das locker. "Stimmt ja auch, wir spinnen wirklich." Vor 30 Jahren hat sie bei der Volkshochschule Spinnen gelernt. Nun sitzt sie hinter einem aus Birkenholz handgedrechselten Rad. Aus einer Handvoll Rohwolle wird ein Faden auf die Spule aufgewickelt, der später für die eigene Strickjacke verarbeitet werden wird. Weil der sehr dünn sein soll und zweifädrig versponnen, ist schon Fingerfertigkeit gefragt. Ein Schicksal wie Dornröschen bleibt der Bruckerin übrigens erspart: Die hatte im gleichnamigen Märchen mit einer Handspindel gearbeitet und sich an dem spitzen Dorn gestochen. So etwas kann mit dem Spinnrad von Hilde Kachelriss nicht passieren, weshalb ihr der hundertjährige Dornröschenschlaf erspart bleibt und sie ihren achten Auftritt bei der Fürstenfelder Kirta noch in vollen Zügen genießen kann.

© SZ vom 19.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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