Fürstenfeldbruck:Die Leben der anderen

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Zum Scheitern verurteilt: Die Beziehung von Monika (Aline Pronett) und Thomas (Till Förster), zerplatzt vor den Augen des Publikums. (Foto: Johannes Simon)

Überzeugende Inszenierung der Gesellschaftsstudie "Diebe" im Theater 5

Von Valentina Finger, Fürstenfeldbruck

Wenn das Theater 5 mit seiner allsommerlichen Produktion in die Räume der Neuen Bühne Bruck einzieht, sieht der Bühnenraum immer ein bisschen anders aus. Die erhöhte Bühne weicht dann einer ebenen Spielfläche, die die Truppe auch braucht. Denn meist sind an den Veranstaltungen des Theater 5 weitaus mehr Schauspieler beteiligt, als man es von den Hausherren der Neuen Bühne gewohnt ist. Für Dea Lohers 2010 uraufgeführtes Drama "Diebe", das das Theater 5 in diesem Jahr unter der Regie von Matthias Weber zeigt, stehen elf Darsteller auf jener Spielfläche, die alle eine enorme schauspielerische Qualität auf die Bühne bringen. Niemals stehen sie dort alle zusammen. Und doch sind die Lebenswege aller Figuren auf die eine oder andere Weise miteinander verstrickt.

Gerade die Zerstückelung der einzelnen Lebensgeschichten macht Lohers Drama interessant. Es sind die Beziehungen zunächst scheinbar voneinander unabhängiger Menschengruppen, die Szene für Szene im Wechsel beleuchtet werden. Da wäre als Erstes Linda Tomason, gespielt von Katrin Leinfelder. Sie besucht ihren Vater Erwin jeden Monat im Altenheim, doch hätte der lieber seinen Sohn, Lindas Bruder Finn, der ihn jedoch nie besucht, an ihrer Stelle. Wenn Jupp Peters als Erwin Tomason flehend und vorsichtig hoffnungsvoll über den Verbleib seines Sohnes spricht, kann es einem das Herz zerreißen.

Die Schmitts glauben, einen Eindringling entdeckt zu haben. Während Claus Hilgers als Herr Schmitt sein Weinglas schwenkend über das ominöse Tier im Garten spekuliert, greift seine Frau, gespielt von Eva-Maria Hörmann, zur Schnapsflasche. Diese eigene Welt aus selbst erdachten, die Öde des Alltags durchkreuzenden Sensationen, in der das Ehepaar Schmitt vor sich hin vegetiert, veranschaulichen Hilgers und Hörmann so köstlich, dass sie zu einer Art Comic-Relief-Figuren zwischen den oft ernsten Momenten in den Leben der Anderen werden.

Eine solche ist auch Anne Urbanek als Gabi Nowotny. Sie geht mit Rainer, gespielt von Hagen Ullmann. Auch dann noch, als der versucht, sie im Wald wegen ein paar geliehener Tausender zu erdrosseln. Ihren großen Auftritt hat Urbanek, als sie jene Vorkommnisse in einem niemals abbrechenden Kaffeeklatsch-Redefluss auf dem Polizeirevier schildert, um dann herrlich naiv zu fragen, ob sie Rainers Tat bei erneutem Vorkommen nachträglich anzeigen könne.

Gabis Freundin Mira, gespielt von Larissa Kahr, ist die Frucht einer anonymen Samenspende und nun als Minderjährige selbst schwanger von ihrem viel älteren Liebhaber, dem Bestatter Josef. Dass auch ihr Kind seinen Vater niemals kennenlernen wird, weiß sie noch nicht. Doch auf der Suche nach Miras Spendervater wird Josef, gespielt von Andreas Beer, mit Pfanne und Hammer von dem Ehepaar Schmitt erschlagen, zu dem ihn die Spur führt. Die Frage, die man sich bei dieser Verschleierungstat stellt, ist diese: Wieso einen Status quo beschützen, der vor Eintönigkeit und Ziellosigkeit nur so übersprudelt?

Außerdem sind da noch die anderen Tomasons: Thomas und Monika, gespielt von Till Förster und Aline Pronnet, sind so ein Paar, bei dem man die Trennung kommen sieht. Monika steht eine Beförderung ins Ausland bevor, Thomas ist als Innendienstler an die Heimat gebunden. Als nicht nur ihre Ehe, sondern auch das Jobangebot platzt, steht Monika vor dem Nichts, was eine ungemein starke Szene mit einer zutiefst erschütterten Aline Pronnet zur Folge hat.

Finn Tomason, gespielt von Steffen Buckmiller, ist es, der einige der Erzählstränge schließlich zusammenführt. Nach mehreren defätistischen Monologen kommt es bei diesem zum totalen Zusammenbruch. In der wohl beklemmendsten und von Buckmillers abgestumpftem Gesicht fesselnd begleiteten Szene, verschluckt Finn alle Münzen, die er noch besitzt, löscht alle Lichter aus und kündigt damit bereits seinen wenige Szenen später folgenden Selbstmord an. Für ihn gibt es kein Happy End und auch für sonst keinen. Außer für das Publikum, denn Matthias Webers Inszenierung wird den psychologischen Tiefen von "Diebe" durchaus gerecht.

Die nächsten Aufführungen von "Diebe" an der Neuen Bühne Bruck sind an diesem Freitag und Samstag jeweils um 20 Uhr zu sehen. Karten unter 08141/66 65 444

© SZ vom 07.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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