Katholiken sammeln für Flüchtlinge:"Die Herausforderung annehmen"

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An diesem Wochenende sind Katholiken im Pfarrverband Fürstenfeld aufgerufen, für Flüchtlinge zu spenden. Christen, die Fremden in ihrer Not nicht beistehen, verlieren ihre Glaubwürdigkeit, meint Dekan Bauernfeind

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Dekan Albert Bauernfeind hat die Katholiken im Pfarrverband Fürstenfeld aufgerufen, bei der Kollekte in den Gottesdiensten an diesem Samstag und Sonntag, 1. und 2. August, für die Flüchtlingsarbeit zu spenden. Der Pfarrer erinnert daran, dass zwölf Millionen Menschen aus Syrien und dem Irak auf der Flucht sind. Warum Christen nicht abseits stehen dürfen, wenn Menschen in Not sind, erläutert der Seelsorger im SZ-Interview.

Tun wir nicht schon über die staatlichen Einrichtungen genug für Flüchtlinge?

Deutschland ist in Europa das Land, in dem sicher überdurchschnittlich viel geleistet wird in dieser wohl größten menschlichen Tragödie, die sich in der Welt derzeit abspielt. Wie der Innenminister bereits bemerkte: wir werden herausgefordert, aber nicht überfordert. Die Herausforderung annehmen, das ist das Gebot der Stunde.

Gilt das auch für die Kirchen?

Die Kirchen stehen da in gleicher Weise in der Pflicht und müssen daher ihren Beitrag leisten - auch sie stehen hier nicht abseits und es geht dabei auch um ihre Glaubwürdigkeit. Genug ist nicht genug, weil die Tragödie unbeschreiblich ist.

Wollen Sie die Menschen aufrütteln, weil wir uns zu wenig um Asylbewerber aus dem Nahen Osten und Afrika kümmern?

Auf dem Hintergrund der Kolonialgeschichte in diesen Ländern, besonders in Afrika, hat Europa eine besondere Verpflichtung zur Hilfeleistung. Politische Lösungen brauchen Zeit - die Menschen in ihrer konkreten Not können diese Zeit aber nicht abwarten, sie wollen jetzt überleben! Unser Wohlstand basiert ja zu einem großen Teil auf deren Armut und auf der Unterstützung oft korrupter Systeme in den Ländern, aus denen die Flüchtlinge kommen. Es bedarf eines ständigen Bewusstseinsprozesses, um den Menschen in den Zonen der Armut Gerechtigkeit widerfahren zu lassen. So gesehen muss die theologische Rede immer aufrüttelnd sein.

Sind wir auf unseren Wohlstand fixiert?

Vielfach gehen wir davon aus, dass unser Wohlstand selbstverständlich ist und es wird zu wenig danach gefragt: Woher kommt er und wie kommt er wirklich zu Stande. In einer globalen Weltwirklichkeit hängt aber alles zusammen, es entsteht ein Netz der gegenseitigen Verantwortung, ohne die das Leben nicht funktioniert. Wenn wir durch den Wohlstand blind werden für die Verantwortung, dann läuft etwas schief.

Was bringt es uns, Fremden zu helfen?

Fremde, Heimatlose zeigen uns, dass auch wir letztlich nur Vorübergehende sind. Heimat ist ein großes Gut. Millionen unserer eigenen Landsleute haben es nach dem Krieg in der eigenen Lebensgeschichte erlitten, der Heimat verlustig geworden zu sein. Wer Fremden beisteht sieht ein, dass Heimat nicht selbstverständlich ist. Überdies bereichern Fremde unsere Kultur.

Was passiert wenn wir die Augen vor der Not verschließen?

Christen würden ihre Glaubwürdigkeit verlieren. Jeder Gottesdienst würde wie ein Götzendienst sein, ohne Gehalt und Wahrhaftigkeit. Der nicht christliche Bürger brächte durch die Haltung des Egoismus die humane Werteordnung in Gefahr. Wer möchte da in einer Gesellschaft von Egoisten und Nationalisten, die sich für etwas Besseres halten, leben?

2014 gewährten Sie einem Flüchtling Kirchenasyl. Wie ging die Geschichte aus?

Das Kirchenasyl ist positiv zu Ende gegangen und hat gezeigt, dass wir bei aller Unwägbarkeit in einem funktionierenden Rechtsstaat leben - ein hohes Gut bei aller Brüchigkeit! Hohe Anerkennung gilt da allen, die sich im Asylhelferkreis ehrenamtlich engagieren - ein Beweis für politische Sensibilität und kritischer Wahrnehmung mündiger Bürgerinnen und Bürger. Kirchenasyl wird es auch in Fürstenfeldbruck dann wieder geben, wenn es nötig ist. Kirchenasyl ist der Politik ein Dorn im Auge - es ist aber kein leichtfertiges Instrument in der jeweils individuellen Anwendung. Jeder Flüchtling ist ein Mensch, wie jeder von uns - das vergessen wir allzu oft und da wird das Kirchenasyl konkret.

In den vergangenen Monaten sind Asylbewerber im Landkreis mit Wohlwollen aufgenommen worden. Kippte die Stimmung inzwischen?

Von einem Stimmungsumschwung kann ich nichts bemerken - wir sollten diesen aber auch nicht herbeireden.

Was halten Sie von den von der CSU propagierten Abschiebelagern?

Es ist ein Trauerspiel der anderen Art, wenn das Quoten-und Zahlengeschacher in der Asylfrage Thema wird. Manchmal mutet es an, als wäre man auf einem Viehmarkt - das ist Europa unwürdig! Wenn in diesem Zusammenhang immer neue Ideen entstehen, wie wir uns abschotten können, dann ist das ebenso bedenklich, wie es zurückgewiesen werden sollte. Wenn aber Flucht innerhalb von Europa für Menschen der Ausweg aus prekären Verhältnissen ist, dann versagt die Idee Europa auf ganzer Linie.

Gilt das auch für Flüchtlinge aus Balkanländern?

Menschen vom Balkan sollten sicher und menschenwürdig dort leben können. Es ist falsch, was die Kanzlerin sagt: "Scheitert der Euro, dann scheitert Europa." Vielmehr scheitert Europa bereits dann, wenn die Grenzen dicht gemacht werden und Europäer selbst in ihren Heimatländern keine Zukunft haben.

© SZ vom 01.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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