Fürstenfeldbruck:Die Entwicklung der Suburbia

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Wie der Landkreis zur Vorstadtzone Münchens wurde, beschreibt Stadtarchivar Gerhard Neumeier in der Zeitschrift Amperland

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg ist in Westeuropa und Nordamerika die Zeit der Suburbanisierung. Menschen ziehen aus den Städten ins Umland in neue Siedlungen auf der grünen Wiese und pendeln zur Arbeit in die Zentren. Wie sich dieser Prozess im Landkreis Fürstenfeldbruck vollzog, beschreibt der Brucker Stadtarchivar Gerhard Neumeier in einem Beitrag im aktuellen Heft der Zeitschrift Amperland.

Die Verstädterung im Kaiserreich und in der Weimarer Republik bezog sich auf die Großstädte, in der Bundesrepublik hingegen auf kleinere und mittelgroße Städte sowie das Umland von Metropolen wie München und Köln. Neumeier hat festgestellt, dass der Trend in Fürstenfeldbruck etwas früher beginnt. Vorreiter war Maisach, das sich bereits Ende des 19. Jahrhunderts von einem Bauerndorf zu einer Siedlung aus Kleinbürgern und Arbeitern entwickelt hatte.

Der Grund ist leicht feststellbar. Maisach bekam bereits 1839 als eine der ersten Gemeinden in ganz Bayern einen Eisenbahnanschluss. 1898 wurde das Dorf an den Münchner Vorortverkehr angeschlossen. Damit entwickelte sich Maisach zu einem der frühen Orte mit Pendlern und die Einwohnerzahl stieg an. Die meisten Zuwanderer kamen aus den umliegenden Dörfern und aus München. Für Neumeier ist das ein Indiz dafür, dass es von Anfang an eine Gruppe von Lohnabhängigen gab, die die Möglichkeiten des großstädtischen Arbeitsmarktes mit den günstigeren Immobilienpreisen und Lebenshaltungskosten des Umlandes kombinierten. Allerdings war die Fluktuation zur damaligen Zeit hoch. "Die meisten Zuwanderer zogen nach kurzer Zeit wieder weg", sagt der Archivar.

Neumeier beschäftigt sich seit geraumer Zeit mit der demographischen Entwicklung Fürstenfeldbrucks und ihren Ursachen. Basis sind Daten aus Heirats- und Sterbebüchern sowie die Verzeichnisse der An- und Abmeldungen in den Rathäusern. Die Ergebnisse seiner Recherche erscheinen als Serie im Amperland.

Schwieriger als die Entwicklung Maisachs ist zu erklären, warum die Suburbanisierung im Umland den Landkreis Fürstenfeldbruck so außergewöhnlich stark betraf. Auffällig ist, dass Fürstenfeldbruck Anno 1861 mit rund 18 500 Personen im Vergleich mit den drei Landkreisen Dachau, Ebersberg und Erding die geringste Einwohnerzahl hatte. 1910 hat Fürstenfeldbruck Dachau und Ebersberg überflügelt, 1952 auch Erding. Über die Ursachen kann man aber nur spekulieren. "Eigentlich ist das eine Forschungslücke", räumt Neumeier ein.

Möglicherweise lagen Erding und Ebersberg einfach zu weit von den Betrieben der Landeshauptstadt entfernt. Dachau geriet bereits ins Hintertreffen, als die Bahnlinie München-Augsburg die Postkutschenverbindung ablöste. Als Erklärung für das Wachstum in Bruck und im gesamten östlichen Landkreis schon vor dem Zweiten Weltkrieg kommt in Betracht, dass das Gebiet von drei Bahnlinien erschlossen wird und mitten zwischen den großen Industriebetrieben von MTU, MAN, BMW im Münchner Westen, der Dornier-Fabrik und dem großen Bahnausbesserungswerk in Aubing, der Dornier-Flugwerft in Oberpfaffenhofen sowie dem Fliegerhorst in Bruck mit seinen Soldaten lag. Alle diese Standorte boten einschließlich Zulieferern und Dienstleistern hunderte bis tausende von Arbeitsplätzen. Vor Ort, im Landkreis selbst, waren in den Nachkriegsjahren vor allem das Baugewerbe und die Textilindustrie von Bedeutung.

Als wesentlichen Faktor für die Suburbanisierung führt Neumeier an, dass bereits in den 1960er-Jahren die Mieten in München so stark stiegen, dass sich das Ausweichen in die Suburbs lohnte. Damals wanderten Menschen aus allen Bundesländern in Fürstenfeldbruck ein, dazu Menschen aus dem Mittelmeerraum. Verändert hat sich die Altersstruktur der Migranten. Im Kaiserreich und in der Weimarer Republik waren die Zuwanderer sehr jung, die meisten waren nicht einmal 21 Jahre alt. In der NS-Zeit und in den Nachkriegsjahren stellte die Gruppe zwischen 21 und 25 Jahren den größten Anteil. Das ist zum einen auf die Flüchtlinge zurückzuführen, schätzt Neumeier, zum anderen aber sicher darauf, dass junge Menschen sich ein paar Jahre mehr Zeit ließen, bevor sie ihren Heimatort verließen.

Amperland. Heimatkundliche Vierteljahresschrift für die Kreise Dachau, Freising und Fürstenfeldbruck, Heft 3, 2017, fünf Euro. Die Hefte können im Buchhandel bestellt werden.

© SZ vom 30.08.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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