Fürstenfeldbruck:Den Einstieg wagen

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Unternehmen erzählen von Erfahrungen mit Arbeitslosen

Die Vorurteile sind groß. Langzeitarbeitslose wollten ja gar nicht arbeiten, würden gut von der "Stütze" leben können, heißt es dann. In der Tat, das räumen auch Arbeitsvermittler ein, ist die Differenz zwischen sämtlichen Leistungen für Arbeitslose und etwa dem Mindestlohn für Beschäftigte gering. Doch "die überwiegende Zahl der Leistungsempfänger fühlt sich nicht wohl, auf Kosten des Steuerzahlers zu leben", weiß Ralf Holtzwart, bei der Bundesagentur für Arbeit Vorsitzender der Geschäftsführung der Regionaldirektion Bayern. Viele Arbeitgeber üben sich dennoch in Zurückhaltung, wenn es darum geht, Langzeitarbeitslose einzustellen. Der Arbeitgeberservice des Jobcenters versucht "Vorurteile abzubauen", sagt Stephanie Fisch. Denn viele Arbeitgeber wollten nur "den perfekten Bewerber". Das Brucker Jobcenter lud deshalb Arbeitgeber ein, die die Podiumsdiskussion mit der Schilderung ihrer Erfahrungen mit den Arbeitslosen ergänzten.

TTI Electronics

"Hast du nichts anderes?", werde sie manchmal gefragt, wenn es darum gehe, Langzeitarbeitslosen eine Chance zu geben, erzählt Angela Mair, Personalreferentin beim US-amerikanischen Unternehmen TTI Electronics, das seine Europa-Zentrale seit 2005 mit etwa 500 Mitarbeitern im Maisacher Ortsteil Gernlinden hat. Natürlich habe man mit Herausforderungen zu tun, räumt sie ein: die Motivation der Mitarbeiter etwa, warum dieser arbeiten solle, wo er doch Hartz IV und die Miete bezahlt bekomme. Oder Mitarbeiter, die dann bemängelten, der Neue bekomme ein Coaching, andere nicht. Dennoch stellte TTI Mair zufolge 23 Langzeitarbeitslose über das ESF-Programm ein, die Erfolgsquote betrage 65 Prozent. Vor allem der Start hatte das Unternehmen beflügelt: Die ersten drei Langzeitarbeitslosen, die vor drei Jahren eingestellt wurden, hätten mittlerweile unbefristete Arbeitsverträge, sagt Mair, es seien "drei Glücksgriffe" gewesen. Die Jobsuchenden arbeiten zunächst auf Probe und umsonst und werden längere Zeit von Mitarbeitern des Jobcenters betreut. Mair lobt die Zusammenarbeit mit dem Jobcenter, denn "die Wirtschaft muss verstanden werden".

Busunternehmen Griensteidl

Wenn es um die Einstellung von Langzeitarbeitslosen geht, "steckt in den Köpfen drin, dass da viel "Bürokratie auf einen zukommt", sagt Christian Glück, Geschäftsführer der Busunternehmens Griensteidl aus Gröbenzell, das eine Tochtergesellschaft der Berliner Transdev ist. Doch ihm sei viel Organisationsarbeit von den Arbeitsvermittlern des Jobcenters abgenommen worden. Christian Glück braucht Busfahrer in seiner Firma. Mehr als 300 würden im Großraum München gesucht, erläutert er: "Das ist ein zukunftssicherer Job." Über das ESF-Programm, ein für zwei Jahre gefördertes Projekt des Europäischen Sozialfonds', hatte er drei Busfahrer für ihre neue Aufgabe qualifiziert. Glück lobt das Programm, am Ende freilich blieb nur ein Bewerber übrig. Die beiden anderen hätten sich "nicht zurechtgefunden mit Stoff und Arbeitsbedingungen". Der eine, aus der Türkei stammend, hatte beim Erlangen des Busführerscheins zu große Probleme mit der deutschen Sprache, der andere, ein Äthiopier, habe eingeräumt, dass ihm die notwendige Erfahrung im Straßenverkehr fehle. Dennoch ist Glück von der Wirksamkeit solcher Arbeitsbeschaffungsprogramme überzeugt.

Rock Your Company

Einen anderen Lösungsansatz zeigte Jasper Schlump, Geschäftsführer der Münchner Firma Rock Your Company, auf: "Wir sorgen dafür, dass junge Menschen von Anfang an Betreuung bekommen." Und zwar mit speziellen Mentoring-Programmen für Auszubildende, Berufseinsteiger, Geflüchtete. Der Ansatz soll die Abbruchquote in vielen Ausbildungen reduzieren helfen und jungen Menschen Orientierung und Unterstützung beim Berufseinstieg geben. Man müsse jungen Menschen "jede Chance geben, sich auf dem Arbeitsmarkt zu etablieren", sagt Schlump. Dafür erhält er vom Auditorium Applaus.

© SZ vom 03.05.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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