Fürstenfeldbruck:Defizite bei Deutschkursen und Betreuung

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Toni Hofreiter lobt bei einem Besuch der Asyl-Erstaufnahmestelle Ehrenamtliche, Kommunen und Bezirksregierung. Spitzenpolitiker der CSU und das Bundesministerium aber sollten dem Grünen-Fraktionschef zufolge auf Stimmungsmache verzichten und ihre Hausaufgaben machen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die kommunalen und staatlichen Stellen machen weitgehend ihre Hausaufgaben bei der Unterbringung von Flüchtlingen, und die Asylhelfer leisten unverzichtbare Arbeit - das sagt der Grünen-Fraktionsvorsitzende Toni Hofreiter am Donnerstag nach einem Besuch der Asyl-Erstaufnahmestelle am Fliegerhorst. Gleichwohl wirft er Ministerpräsident Horst Seehofer und seinem Adlatus Markus Söder (beide CSU) verbale Ausrutscher und gezielte Stimmungsmache gegen Flüchtlinge vor.

Die Asyl-Erstaufnahmestelle ist am Fliegerhorst in Fürstenfeldbruck untergebracht. (Foto: Günther Reger)

Der 46 Jahre alte Politiker wird begleitet von seiner Parteifreundin Beate Walter-Rosenheimer. Die Germeringer Bundestagsabgeordnete kennt die Erstaufnahmestelle von mehreren Besuchen und ist ebenfalls der Meinung, dass die Unterbringung der Asylbewerber in Bayern wie auch in Fürstenfeldbruck insgesamt recht gut funktioniert. Durch schier endlose Gänge geht es durch die Einrichtung, in der zurzeit 1058 Menschen untergebracht sind, davon 80 Prozent Männer. Es geht in die Kleiderkammer und zum Trakt 101, in dem ein separater Flügel mit 235 Plätzen für allein reisende Frauen, Frauen mit Kindern oder auch Familien reserviert ist. Angeführt wird die kleine Delegation von Einrichtungsleiter Lars Raff sowie Regierungsvizepräsidentin Maria Els, Regierungssprecher Martin Nell und dem im Landratsamt zuständigen Martin Schuster. Während Hofreiter und Walter-Rosenheimer ein zurzeit leer stehendes, mit Stockbetten möbliertes Zimmer ("Stube 50, Erstbewerber") betreten, drängen sich vor der Tür Kinder und beobachten die Entourage neugierig. Es gibt offenbar keine Berührungsängste oder Vorbehalte, auch wenn Hofreiter später auf die Traumatisierung vieler Flüchtlinge hinweist und die maßgeblichen Politiker zu größeren Anstrengungen bei der psychologischen Betreuung ermahnt. Einen kurzen Einblick in die Asylsozialarbeit gibt es in einem der Büros, in dem die Bruckerin Jeanne-Marie Sindani, die selbst kongolesische Wurzeln hat, gerade eine Mutter berät, die mit ihren kleinen Kindern gekommen ist.

Asylsozialarbeiterin Jeanne-Marie Sindani informiert Toni Hofreiter und Beate Walter-Rosenheimer (von links). (Foto: Günther Reger)

Während draußen ein heftiges Gewitter tobt und die aufgehängte Wäsche klitschnass wird, umreißt Els in einem der Sitzungsräume die Eckdaten der Einrichtung. Nach der bis zu 18-stündigen Aufnahme im Münchner Ankunftszentrum und einigen Tagen in der Kurzaufnahme der ehemaligen Bayernkaserne werden die Flüchtlinge bis zu sechs Monate in anderen Bereichen der Bayernkaserne oder auch einer der sieben Dependancen, wie jener in Bruck, untergebracht. Die Einrichtung am Fliegerhorst ist zurzeit auf 1100 Personen ausgelegt. Ob sie zu einem vollwertigen Ersatz der Bayernkaserne ausgebaut wird, darüber verhandelt die Stadt gerade mit der Regierung. Die durchschnittliche Verweildauer in Bruck beträgt vier Monate, zurzeit gibt es zehn sogenannte Fehlebeleger, also Personen, die das Asylverfahren positiv abgeschlossen haben, aber nur schwer eine Wohnung außerhalb der Einrichtung finden. Relativ neu ist die Einrichtung einer eigenen Schulklasse für Zehn- bis 16-Jährige, die nach drei Monaten Aufenthalt der Schulpflicht unterliegen. Gleiches gilt für die Sechs- bis Zehnjährigen, die eine Übergangsklasse in der Philipp-Weiß-Schule besuchen.

In ehemaligen Kasernengebäuden leben zurzeit 1058 Flüchtlinge. Anton Hofreiter von den Grünen trifft sich mit Asylhelfern. (Foto: Günther Reger)

Wesentlich düsterer sieht es bei den Flüchtlingen aus, die keiner Schulpflicht mehr unterliegen. Lediglich 200 Plätze stehen in der Berufsschule zur Verfügung, diese sind nach Worten von Birgitt Epp aber vor allem den jugendlichen unbegleiteten Flüchtlingen vorbehalten. Bedarf aber gäbe es für etwa 600 Bewohner in den Brucker Unterkünften, schätzt die Vorsitzende des etwa 30 Mitglieder zählenden Brucker Helferkreises Asyl. Gemeinsam mit anderen Ehrenamtlichen und Vertretern des mehr als hundert Mitglieder zählenden Fursty-Helferkreises empfängt sie Toni Hofreiter und Beate Walter-Rosenheimer im Bürgerpavillon an der Heimstättenstraße. "Was wir hier bräuchten, das ist der nächste Schritt", pflichtet Andrea Gummert von der Caritas bei. Die Erstversorgung funktioniere gut, nun aber seien größere Anstrengungen bei der Integration vonnöten. Dazu gehören auch Deutschkurse. Diese werden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) nur für Menschen genehmigt, die aus Syrien, Eritrea, Iran oder Irak kommen. Um andere Nationalitäten müssen sich bislang die Ehrenamtlichen kümmern. Deren Engagement ist nach Worten Hofreiters äußerst wertvoll und unverzichtbar. Beate Walter-Rosenheimer will sich dennoch bei Bamf und Arbeitsagentur für mehr Unterstützung gerade in diesem Bereich einsetzen.

Nach ihren Besuchen in Füstenfeldbruck wollten die beiden Grünen-Bundestagsabgeordneten am Donnerstagabend noch die vom Grünen-Kreisverband veranstaltete Diskussionsrunde unter dem Titel "Gut angekommen - und jetzt? Reden wir über Integration" im Bürgerzentrum Gernlinden besuchen.

© SZ vom 22.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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