Fürstenfeldbruck:Das Spezielle im Allgemeinen

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Toni Hofreiter ist auf dem Weg ins Festzelt, wo ihn Vertreter des Bauernverbandes demonstrativ auffordern, mit ihnen über Agrarpolitik zu sprechen. (Foto: Günther Reger)

Toni Hofreiter spricht auf dem Brucker Volksfest darüber, was die Grünen bewegt. Der Fraktionsvorsitzende meidet dabei lokale Themen und ein Gespräch mit protestierenden Bauern

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Die Grünen verteilten Traubenzucker, der Bauernverband Gummibärchen, doch die Veranstaltung der Grünen im kleinen Zelt des Brucker Volksfestes am Mittwochabend war alles andere als süß. Denn an Toni Hofreiter, Fraktionschef der Grünen im Bundestag und Redner der einzigen Parteiveranstaltung während des Volksfestes, konnten sich nicht nur die Vertreter der Landwirte aus den Landkreisen Fürstenfeldbruck und Dachau reiben, auch im Zelt saßen viele, die mit den Grünen gar nichts am Hut zu haben schienen und die Rede mit Unmutsäußerungen begleiteten. Toni Hofreiter aber tat so, als kenne er alle diese Begleiterscheinungen einer Volksfestrede und spulte seine bundes- und europapolitischen Themen ab, ohne groß auf den Landkreis einzugehen, in dem er auftrat.

Von der S 4 über Seehofers Saudi-Arabien-Trip bis hin zur Massentierhaltung und dem Raubbau für Gen-Soja in Südamerika graste Hofreiter die Themenwiese ab, die sich den Grünen derzeit als Oppositionspartei bietet. Themen, die auch direkt oder indirekt die Menschen im Landkreis Fürstenfeldbruck betreffen, wenn sie sich an der Energiewende beteiligen oder sie ablehnen, wenn sie ihre Lebensmittel vom Direktvermarkter kaufen oder im Discounter, wenn sie Flüchtlingen bei der Integration helfen oder gegen die Aufstellung von Containern klagen. Doch Hofreiter blieb im Allgemeinen, kam im Speziellen nur auf die S-Bahn, mit der er von München nach Fürstenfeldbruck gefahren war. Die S 4 ist für ihn ein Symbol dafür, dass die Staatsregierung die Probleme des Münchner S-Bahnsystems "souverän ignoriert", und für Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), "der nicht einmal weiß, wo die S-Bahn liegt". Die S-Bahn brauche keinen zweiten Tunnel, sie müsse an manchen Stellen ausgebaut werden. Mit "kleinere Maßnahmen" sei doch schon etwas zu machen, forderte Hofreiter die Regierenden auf Bundes- und Landesebene zum Handeln auf und schwenkte zur Asylpolitik und dem menschenverachtenden System der Abschreckung auf dem Mittelmeer. Er zählte die Kriege im Nahen Osten und in Afrika als Fluchtursachen auf, er erinnerte an die Rettungsaktion "Mare Nostrum", die nur neun Millionen Euro gekostet und "auf Druck von Deutschland" eingestellt worden sei und geißelte die dafür gestartete "Triton-Mission", die nichts anderes zum Ziel habe, die Flüchtlinge in ihren Booten von Europa fernzuhalten. Während sich Hofreiter auf der Bühne in Rage redete, wurde es in den hinteren Reihen unruhig. Für Hofreiter waren sie bei all dem Volksfestlärm ums Zelt herum wohl nicht vernehmbar, und so polterte er weiter über die Reise von Horst Seehofer nach Saudi-Arabien und dessen Ankündigung, dem Land doch Waffen zu verkaufen: "Es mangelt nicht an Waffen in dieser Region, es mangelt an Friedensinitiativen", sagte der Fraktionsvorsitzende.

Bereits da, etwa zur Hälfte seiner dreiviertelstündigen Rede, war es im Zelt lauter geworden, Hofreiters Vortrag für viele gar nicht interessant. Ein Gast lief scheinbar ziellos umher und plärrte "Ruhe, Ruhe", an einem Tisch begannen trachtengewandete junge Männer und Frauen an ihre Masskrüge zu klopfen. Es kam aus der Ecke, in der die etwas 50 Vertreter des Bauernverbandes saßen, die eingangs mit Plakaten gegen die grüne Agrarpolitik protestiert hatten und sich spätestens, als Hofreiter beim Thema Massentierhaltung - dem das Publikum laut applaudierte und dann wieder ins frische Grillhendl biss - auf die verbrecherischen Machenschaften der Futterhersteller in Südamerika einging, das Zelt verließen. Nur um erneut am Eingang ihre Transparente mit Slogans wie "Information statt Ideologie - Wir machen Euch satt" zu postieren. "So weit sind wir gar nicht auseinander", sagte Bauernobmann Johann Drexl, der berichtete, man habe mit Hofreiter persönlich reden wollen. Dafür konnten Drexl und seine Kollegen viele Gäste beim Heimgehen in Gespräche verwickeln. Der Sicherheitsfirma des Zelts war die kleine Bauernrevolte zu viel, ein Mitarbeiter kündigte Drexl an, die Polizei gerufen zu haben. Das wurde mit einem Schulterzucken quittiert.

© SZ vom 02.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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