Fürstenfeldbruck:Beklemmung über Nazis in Feierlaune

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Vier Vorstellungen des Dokumentarfilms "Blut muss fließen" ziehen in Fürstenfeldbruck mehr als 400 Zuschauer an

Von Peter Bierl

Eine "europaweite Partymeile der Nazis", wie sie es nennen, zeigen der Regisseur Peter Ohlendorf und der Journalist Thomas Kuban in ihrem Film "Blut muss fließen", der am Dienstag und Mittwoch in Fürstenfeldbruck gezeigt wurde. Rechtsrockkonzerte von England bis Italien, von Ungarn bis Frankreich hat Kuban mit einer Knopflochkamera gefilmt.

Schockierender Film: Im Squash-Palast in Bruck informieren sich 200 Schüler über Rechtsrockkonzerte. (Foto: Günther Reger)

Die meisten Konzerte gibt es zwar in Deutschland, aber deutsche Nazis reisen gerne auch ins Ausland, um zu feiern. Mindestens drei Rechte, kenntlich an Tätowierungen, mischten sich am Dienstag unter die rund 80 Besucher der Vorstellung im Scala-Kino in der Buchenau.

Nach der Vorführung verließen sie den Saal gleich wieder. Andernorts hätten Nazis schon mal mit diskutiert, erzählt der Regisseur. Man lasse sie gewähren, so lange sie keine menschenfeindlichen Parolen verbreiteten. Davon zeigt der Film schon genug. Seit 2003 ist Kuban, der Name ist ein Pseudonym, unterwegs und dokumentiert das Treiben der Rechtsrockbands mit versteckter Kamera. Die Bilder gleichen sich: Horden von Männern und Frauen saufen Bier, recken die Hände zum Hitlergruß und grölen Hassparolen.

Die Texte der Bands sind eindeutig. Sie feiern den Nationalsozialismus und fordern zu Mord und Totschlag an Ausländern, Juden und Linken auf. Der Filmtitel stammt aus dem Refrain eines Liedes, das zum Repertoire aller Nazibands gehört und vom Publikum eingefordert und mitgesungen wird. "Blut muss fließen, knüppelhageldick, und wir scheißen auf die Freiheit dieser Judenrepublik", schreit der Sänger von der Bühne. "Adolf Hitler, steig vom Himmel nieder / und regiere Deutschland wieder", lautet eine Zeile aus einem anderen Lied.

"Musik ist die Einstiegsdroge", sagt Maria Marosvölgyi in dem Film. Die Kulturwissenschaftlerin kann dies anhand ihres Heimatlandes Ungarn belegen, wo der rechte Mob ungestraft Roma, Juden und Liberale attackiert. Mancher, der sich für solche Hassmusik begeistert, wird die Gewaltfantasien irgendwann umsetzen, das zeigen die Taten des NSU.

Kritisch setzen sich Ohlendorf und Kuban auch mit Polizei und Politik auseinander. So gebe es in Berlin kaum Nazikonzerte, weil die Polizei Druck mache, während die Rechten in Ostdeutschland und Bayern ungestört feierten. Keine gute Figur macht Günter Beckstein (CSU), bayerischer Innenminister, als Kuban ihn 2007 auf der Pressekonferenz zum Verfassungsschutzbericht mit der Frage konfrontierte, warum Polizei und Justiz nicht einschreiten würden. Gespenstisch ist die Szene aus einer Location in Österreich, wo Nazis und Polizisten beieinanderstehen, zwei schütteln sich sogar die Hände. Dann ziehen die Uniformierten ab und die Party geht los.

Fünf Jahre lang haben Kuban und Ohlendorf an dem Film gearbeitet, kein öffentlich-rechtlicher Sender wollte das Werk bislang aufführen, erzählt der Regisseur. Beim Bayerischen Rundfunk werde darüber intern diskutiert. Seit der Film 2012 auf der Berlinale lief, kann er sich vor Anfragen kaum retten. Über 500 Vorführungen gab es bislang, in Turnhallen, Schulen und Volkshochschulen, im Ostkurvensaal des Weserstadions in Bremen und sogar in Polizeiakademien. "Die Einladungen kommen von der Antifa bis zum Rotary-Club", beschreibt der Regisseur das Spektrum.

Oft sind es Initiativen von jungen Leuten wie in Bruck, wo Florian Weber und Sebastian Pittrich vier Aufführungen mit Hilfe der Brucker Bürgervereinigung (BBV) organisierten, zu denen insgesamt gut 400 Zuschauer kamen. Am Mittwoch schauten sich 200 Schüler des Viscardi-Gymnasiums das Werk an. Beim Graf-Rasso-Gymnasium habe man vor fünf Wochen angefragt, aber die hätten keinen Termin frei gehabt, erzählt Pittrich. Das ließe sich nachholen, denn im September zeigt Ohlendorf das Werk in Germering.

© SZ vom 18.07.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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