Fürstenfeldbruck:Authentische Geschichten

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"Was ist schon einfach? Geschichten vom Lenerl", von Ursula Schmitz, 127 Seiten, Liliom Verlag, 18 Euro. (Foto: Liliom Verlag/oh)

"Was ist schon einfach?" von der Bruckerin Ursula Schmitz

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Wenn Erwachsene versuchen, die Welt durch Kinderaugen zu beschreiben, dann geht das oft gehörig schief. Zu schmal ist der Grat zwischen einer Übernaivisierung und dem Abdriften in zu erwachsene Darstellungen. Umso erfreulicher ist es deshalb, wenn so ein Buch gelingt und es als (Vor-)Leseempfehlung taugt. So ein Fall ist das aktuelle Buch "Was ist schon einfach?" von Ursula Schmitz. Ihre "Geschichten vom Lenerl" wirken authentisch und beschäftigen sich mit einer für ein Kinderbuch ungewöhnlichen Thematik: den Erfahrungen eines jungen Mädchens in der Nachkriegszeit. Erinnerungen dieser Art gibt es zwar häufig, aber aus der Perspektive des Kindes für Kinder findet man so etwas selten.

In zwanzig kleinen Episoden erzählt Schmitz ungefähr den Zeitraum eines Jahres aus Lenerls Leben. Sie wächst auf in einer Zeit, die sie überhaupt nicht versteht. Sie und ihre Mutter sind gegen Kriegsende aus der Stadt aufs Land geflüchtet und dort in der riesigen Villa eines alten Ehepaars einquartiert worden. Deshalb versteht das junge Mädchen auch nicht, warum die Herrin des Hauses stets unfreundlich ist und die beiden spüren lässt, dass sie nicht willkommen sind. "Warum ist die alte Hexte nur so böse auf sie? Lenerl weiß es nicht. Sie war nie frech zu der alten Frau. Sie hat noch nie Dreck oder Lärm im Treppenhaus gemacht", heißt es gleich zu Beginn der ersten Geschichte mit dem Titel "(K)ein Zuhause. Lenerl versteht auch nicht, warum ihr Vater nicht wieder kommt, obwohl er im Krieg doch nur "gefallen" ist. Richtig erklären will es ihr die Mutter aber auch nicht. Auch mit "Onkel Werner", der bald zu "Papa Werner" wird, kommt das Mädchen nicht recht klar.

Noch während sie all das zu verarbeiten versucht, kommt ein großer Umbruch. Im Dorf bricht eine Typhusepidemie aus. Lenerl muss aus Bayern nach Norddeutschland zu Werners Eltern. Die Kinder dort versteht sie anfangs weder sprachlich noch kulturell. Das erste Zusammentreffen mit den Kindern in der neuen Heimat führt sogar zu einer kleinen Rangelei. Doch langsam gewöhnt man sich aneinander und entwickelt ein aufrichtiges Interesse. So kommt in einer Schul-Pause ein Mädchen auf Lenerl zu und begrüßt sie herzlich: "Also, ich bin Britta und ich möchte ganz viel über Bayern wissen, weil ich da auch mal hin will mit mein'n Eltern. Ich bin da schon richtig neugierig drauf. Du musst uns alles erzählen."

"Was ist schon einfach?", ist eine kleine Abenteuergeschichte, in der nicht nur die Protagonistin einiges lernt, sondern auch die jungen Leser oder Zuhörer. Und auch der reale historische Rahmen bietet einige Möglichkeiten, sich den Geschehnissen der späten Vierzigerjahre zu nähern, mit all den Problemen und Umbrüchen, ohne die Kinder dabei zu überfordern. Andere Themen wie Freundschaft, die Welt entdecken und die Konflikte mit rationalen Erwachsenen sind ja sowieso zeitlos. Schmitz schreibt in einer einfachen und schönen Sprache, lässt ab und an die Figuren auf Bairisch und Plattdeutsch reden.

Eine Handvoll alter Fotografien ergänzt die Geschichten. Kirchen, eine Straßenszene mit zwei radelnden Jungs, Bauarbeiten und Bilder vom Lenerl schaffen eine Atmosphäre, in der die Ereignisse noch besser nachvollziehbar sind. Somit ist "Was ist schon einfach?" ein empfehlenswertes Buch von einer Autorin aus dem Landkreis.

© SZ vom 10.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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