Fürstenfeldbruck:Arbeitskampf im Brucker Westen

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Mit einem Warnstreik wollen 200 Coca-Cola-Mitarbeiter der Nacht- und Frühschicht ihren Lohnforderungen Nachdruck verleihen. Alles bleibt friedlich, die Konzernleitung signalisiert Gesprächsbereitschaft

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Für mehr als neun Stunden geht nichts mehr an der Industriestraße: Etwa 200 Mitarbeiter der Nacht- und Frühschicht der Brucker Coca-Cola-Niederlassung haben am Dienstag von 4.30 bis 14 Uhr die Arbeit niedergelegt und die gesamte Abfüllung nebst Auslieferung zum Erliegen gebracht. Mit dem Warnstreik wollten sie ihren Lohnforderungen Nachdruck verleihen, nachdem die Verhandlungen über einen Haustarifvertrag mit dem Getränkemulti bereits in der ersten Runde abgebrochen worden waren.

Leichter Nieselregen hat am Dienstagvormittag vor dem Werk eingesetzt. Viele der Streikenden, die gelbe Warnwesten der Gewerkschaft tragen, stehen unter den auf der Einfahrt aufgestellten Pavillons. Die meisten sitzen an Biertischen und in Liegestühlen, die unter dem gläsernen Dach aufgestellt worden sind. Das überspannt bereits Teile des Betriebsgeländes - die Geschäftsführung in Fürstenfeldbruck duldet das und verzichtet auf Gegenmaßnahmen. Entsprechend friedlich ist die Stimmung - die Mitarbeiter kommen offenbar im Allgemeinen gut klar mit ihrem neuen Chef Damodar Hegde. Gleichwohl finden sie, es sei an der Zeit, endlich mehr Geld in die Lohntüte zu bekommen. Und ganz ohne Nachdruck lassen sich solche Forderungen nicht durchsetzen. Die Gewerkschaft Nahrung Genuss, Gaststätten (NGG) hat am 25. Januar den Verhandlungstisch verlassen, aus Protest gegen das als viel zu niedrig empfundene Angebot des Arbeitgebers. Dieser wäre bereit, die Löhne um mindestens 1,3 Prozent anzuheben, die NGG fordert eine Erhöhung aller Entgelte um pauschal 160 Euro sowie ein Plus bei den Ausbildungsvergütungen von 100 Euro.

Mitarbeiter haben auf roten Liegestühlen Platz genommen und blockieren die Zufahrt zum Werk des Getränkekonzerns an der Fürstenfeldbrucker Industriestraße. (Foto: Carmen Voxbrunner)

"Gerade hier in Fürstenfeldbruck und in der Münchner Region ist es schwierig, mit den Löhnen über die Runden zu kommen", sagt Hans Sauer, stellvertretender Betriebsratsvorsitzender in Bruck und Mitglied der Tarifkommission. Auf etwa 2400 Euro beziffert er den Grundlohn eines Schichtarbeiters. "Das reicht nicht für eine Familie bei Kaltmieten um die 800 Euro." Mustafa Öz, NGG-Geschäftsführer für die Region München, nickt. Er hält den Slogan " ... und jetzt Wir!", der auf den Transparenten zu lesen ist, für mehr als gerechtfertigt. Schließlich sei die Zahl der Beschäftigten in bundesweit von etwa 12 000 im Jahr 2007 auf aktuell 8000 heruntergefahren worden. Die verbliebene Belegschaft müsse nun die Mehrarbeit auffangen, und das gelte es auch zu honorieren. Öz hat unter den 550 Mitarbeitern in Bruck Verunsicherung ausgemacht. Die würden sich fragen, wie sicher der Standort trotz all seiner nachgewiesenen Profitabilität noch ist nach den vollzogenen oder andauernden Schließungen in Hof und Traunreut.

Denn noch ist die Umstrukturierung des bundesweit größten Getränkeunternehmens, das sich um Abfüllung, Verkauf und Vertrieb kümmert, nicht abgeschlossen. Drei eigenständige Gesellschaften wurden bereits zur einheitlichen "Coca-Cola-European Partners"-Aktiengesellschaft mit Sitz in London gebündelt, die der NGG nun am Verhandlungstisch gegenübersitzt. Vor zwei Jahren hatte man sich immerhin noch auf ein Tarifpaket geeinigt, das für die Dauer von fünf Jahren Regelungen für einen sozial verträglichen Arbeitsplatzabbau vorsah. Mitarbeiter in Bruck hatten bereits 2013 zweimal die Arbeit bei Warnstreiks niedergelegt.

Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten, die die Verhandlungen führt, hat zu dem Ausstand aufgerufen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Dass dies erforderlich ist, bestreitet die Firmenleitung nachdrücklich. "Wir haben ein gutes und faires Angebot unterbreitet und sind jederzeit bereit, das Gespräch mit den Arbeitnehmervertretern wieder aufzunehmen", betont Brigitte Faust, die für Deutschland zuständige CCEP-Geschäftsführerin und Arbeitsdirektorin am Dienstag kurz nach dem Beginn des Warnstreiks. Gleichwohl sei der "Spielraum für Entgelterhöhungen" angesichts des umkämpften Marktes für alkoholfreie Getränke begrenzt. Zudem sei Coca-Cola mit der Erhöhung der Altersvorsorge bereits Forderungen der Gewerkschaft entgegengekommen. Werde dies ebenso berücksichtigt wie die Aufstockung des Urlaubsgelds, dann beziffert Coca-Cola sein Angebot nicht auf 1,3 Prozent, wie von der NGG angegeben, sondern auf 2,5 Prozent.

© SZ vom 05.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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