Fürstenfeldbruck:Acht Geschwister suchen ein Zuhause

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Eine syrische Familie lebt derzeit getrennt in Flüchtlingsunterkünften in Fürstenfeldbruck und München. Die anerkannten Asylbewerber wollen zusammenziehen, finden aber bisher keine geeignete Wohnung im Landkreis

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Sie wollen zusammenbleiben. Acht Geschwister, die vor dem Bürgerkrieg in Syrien geflohen sind, aber nun im Landkreis keine Wohnung finden. "Wir verstehen uns gut und haben fast immer zusammengelebt", sagt Doraid Al Omar. Jetzt sind sie seit mehr als eineinhalb Jahren getrennt, vier leben in der Unterkunft am Hartanger in Bruck, die anderen in einer Einrichtung in Moosfeld in München, jeweils zu viert in Zimmern, die etwa zwölf bis fünfzehn Quadratmeter groß sind. Seit Monaten suchen sie nach einer Wohnung oder einem Haus, mindestens vier Zimmer sollten es schon sein, erhalten aber nur Absagen. Die vier, die in Bruck untergebracht sind, gehören zu den etwa 900 Fehlbelegern im Landkreis, wie sie im Amtsdeutsch heißen: Als anerkannte Asylbewerber sollten sie die Unterkunft längst verlassen haben.

Im Großraum München eine Bleibe zu finden, ist schwierig, für größere Familien fast unmöglich und Flüchtlinge müssen obendrein mit Vorurteilen von Vermietern und Nachbarn kämpfen. Wobei ihnen das bisher noch keiner so direkt ins Gesicht gesagt hat. "Wenn wir anrufen, heißt es immer, sorry, schon vergeben oder, da haben sich schon 50 Besucher angemeldet", erzählt Maan, der älteste Bruder. Ständig checken sie Angebote, behalten Internetportale im Auge, Dutzende Bewerbungen haben sie abgeschickt. Einmal blinkte bei der 24-jährigen Ola mitten im Sprachkurs eine Meldung auf dem Handy auf. Sie reagierte sofort, aber die Wohnung war angeblich schon wieder weg. "Es ist fast aussichtslos", bestätigt Dagmar Berkenberg vom Asylhelferkreis Fürstenfeldbruck.

Die Geschwister Al Omar aus Syrien leben getrennt in verschiedenen Flüchtlingsunterkünften. Alle Bemühungen von Betreuerin Dagmar Berkenberg (dritte von links) um eine große Wohnung blieben bisher erfolglos. (Foto: Günther Reger)

Die Familie stammt aus Qamischli, einer Stadt mit etwa 200 000 Einwohnern im Nordosten Syriens. Kurden und Araber, Christen und Muslime leben dort, ein Teil der Stadt wird von Regierungstruppen kontrolliert, der andere von kurdischen Milizen. Außerhalb der Stadt liegen Gebiete, die der IS okkupiert hat. Die Familie besitzt in der Stadt ein großes Haus, in dem sie alle genug Platz hatten.

Dass die acht Geschwister noch ledig sind, sei ungewöhnlich für Syrien, habe aber auch mit dem langen Krieg zu tun, erzählt Doraid. Die Schwestern Ola und Seham studierten Mathematik, Doraid Wirtschaft und Maan, der einige Zeit als Lastwagenfahrer gearbeitet hatte, Jura in der Distrikthauptstadt Al Hasaka. Dort hatten sie wiederum zusammen eine kleine Wohnung angemietet. Die Straße zwischen den beiden Städten ist aber unsicher, ständig wird man von Bewaffneten an Checkpoints aufgehalten. Wenn man Glück hat, wird man bloß kontrolliert, manchmal aber auch festgehalten. Über den Jungen schwebte permanent die Gefahr, von der Armee oder einer Miliz eingezogen zu werden. Der 26-jährige Ouday, der vor dem Krieg in den Libanon gegangen war, um als Beikoch zu arbeiten, kehrte deswegen nicht nach Hause zurück.

Zwar gilt Qamischli als ruhiger als andere Teile Syriens, aber das ist relativ. Vergangenen Sommer kamen bei einem einzigen Bombenanschlag 55 Menschen ums Leben, mehr als 160 wurden verletzt. Die ständige Gefahr hat die Familie zermürbt. Doraid, Maan, Ammar und Fadia, eine Mathematiklehrerin, machten sich vor eineinhalb Jahren auf den Weg. In der Nacht passierten sie die türkische Grenze, heimlich durch einen Tunnel, der metertief in die Erde gegraben war. Über die Balkanroute gelangten sie nach Deutschland und waren zeitweise in der Erstaufnahme auf dem Fliegerhorst. Die Schwestern Hamas, Ola und Sehan machten sich als nächste auf den Weg, unterwegs in der Türkei trafen sie ihren Bruder Ouday. Ihre Eltern mussten sie zurücklassen. Für sie wäre die Reise zu beschwerlich gewesen.

Alle acht sprechen schon ganz passabel Deutsch, einige sogar ziemlich fließend, Ammar arbeitet als Koch in einem Emmeringer Wirtshaus, Maan macht ein Praktikum, Ouday sucht einen Job, die anderen absolvieren Sprachkurse. "Wir sind froh, dass wir sicher leben können, über die gute Behandlung in Deutschland und die netten Leute", betont Maan. Das einzige, was ihnen fehlt, ist eine neue Bleibe.

© SZ vom 27.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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