Eichenau:Schulen für die Armen

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Das Leid der Straßenkinder in Kenia hat Helga Schuricht bewegt, sich um deren Bildung und Zukunft zu kümmern. Die von der Eichenauerin gegründete Initiative bietet deshalb kostenlosen Unterricht an

Von Maria Häfner, Eichenau

"Es gibt nur eines, was auf Dauer teurer ist als Bildung: keine Bildung." Diese Worte des ehemaligen US-Präsidenten John F. Kennedy hat Helga Schuricht zu ihrem Motto gemacht. Die 77-jährige Unternehmerin aus Eichenau ist Vorsitzende der "Initiative zur Förderung und Verbesserung der schulischen Ausbildung in Kenia". Ende 2013 erhielt sie für ihr soziales Wirken das Bundesverdienstkreuz. Die "Initiative zur Förderung und Verbesserung der schulischen Ausbildung in Kenia" entstand, nachdem Helga Schuricht im Jahr 1975 in dem ostafrikanischen Land Urlaub gemacht hatte. Weil sie eine Bindung an das Land verspürte, baute sie sich dort ein Haus. Die Hotels, das hatte sie schon gesehen, waren recht teuer, und sie wollte wiederkommen.

Während ihrer Besuche beobachtete Schuricht oftmals Straßenkinder, die meist Halb- oder Vollwaisen waren und von dem lebten, was sie an Früchten fanden. Geprägt von ihren Erfahrungen in Kenia kehrte Helga Schuricht nach Deutschland zurück und begann damit, Freunde und Bekannte über die Zustände in der ostafrikanischen Republik zu informieren. Für damals 30 D-Mark im Monat - viele gingen dafür einmal in der Woche zum Essen - konnte sich ein Kind in Kenia die obligatorische Schuluniform kaufen und Bildung erlangen. Schuricht wurde von da an, wenn sie Kenia besuchte, oft von interessierten Bekannten und Freunden begleitet. Ihre Begleiter interessierten sich zwar für Schurichts Projekt, blieben aber selbst nicht als ehrenamtliche Helfer vor Ort. Selbstverständlich war jedoch die Übernahme einer Patenschaft für ein Kind in Not bei jeder Person, die die Wohltäterin begleitete.

Da Grund- und weiterführende Schulen sowie Kindergärten in Kenia kostenpflichtig waren oder von den Eltern durch Spenden finanziert wurden, war Bildung nur für diejenigen zugänglich, die das dafür nötige Geld aufbringen konnten. Patenschaften für ganz arme Kinder und Waisen bargen die Chance, zumindest einigen dieser Buben und Mädchen eine bessere Zukunft zu ermöglichen. Spender für Kinder in Afrika waren schnell gefunden.

Ihre aktive Arbeit in Kenia nahm Schuricht 14 Jahre nach ihrem ersten Besuch dort auf. Nach erfolgreich vermittelten Patenschaften ließ "Mama Sabina", wie die Eichenauerin von den Einheimischen genannt wurde, den ersten Trakt einer Schule bauen, weitere folgten. Inzwischen entstanden eine weitere Schule mit drei Trakten und neun Klassenzimmern sowie einem Lehrergebäude und eine kleine mit zwei Klassenzimmern, sowie mehrere Kindergärten und ein Krankenhaus. Viele Schüler kommen nun extra für das im Jahr 2003 eingeführte, kostenlose warme Mittagessen, das es in allen von der Initiative gegründeten Schulen gibt. Die "Secondary School" bietet verschiedene Qualifikationen, die die Absolventen erwerben können, sowie Stipendien für sozial schwache Schüler. Außerdem gehören zum Angebot Nachhilfe- und Förderunterricht. Der Verein trägt ebenfalls Sorge für Arbeitsplätze im späteren Berufsleben und bildet Lehrer fort. Zudem bezahlt er Schulgelder, Examensgebühren, Bücher und Unterrichtsmaterial sowie Schuluniformen und Unterkünfte in Internaten. Die Besucher der Grundschule gehen jeden Nachmittag nach Hause, während die der weiterführenden Schule ihre Familien nur am Wochenende sehen. Dies hilft, den Kindern bestmögliche Bildung zu vermitteln, da gerade Jugendliche oft im Haushalt mithelfen müssen und deshalb weniger Zeit zum Lernen oder für Hausaufgaben haben. Außerdem lassen sich auf diese Weise die schulischen Leistungen sowie der gesundheitliche Zustand der Schüler einfacher überwachen.

Doch trotz aller Bemühungen kann Helga Schuricht nicht alle Kinder retten. Bis jetzt musste sie jedoch erst einen Schüler der Schule verweisen, weil er stahl. Auch wenn die Regierung von Kenia die Schulgelder für die "Primary School" im Jahr 2003 abgeschafft hat, gibt es noch immer viel zu viele Kinder, die ohne schulische Bildung oder medizinische Versorgung aufwachsen müssen, betont die 77-Jährige. Sie war in den vergangenen Jahren oftmals in Kenia. Sie und ihre ehrenamtlichen Helfer haben mehr als genug Pläne, die umgesetzt werden wollen. Da die Spenden zur Gänze direkt vor Ort verwendet werden, haben die Helfer nun die Möglichkeit, sich darauf zu konzentrieren, das schon vorhandene Krankenhaus auszubauen und einzurichten. Die Nothilfestation hat bis jetzt ein eigenes Labor, allerdings kann dort nicht operiert werden.

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(Foto: Helga Schuricht)

Die von der Eichenauerin Helga Schuricht gegründete Initiative bietet kostenlosen Unterricht an.

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(Foto: Gert Krautbauer)

Für ihr Engagement in Kenia ist Helga Schuricht von Ministerin Emilia Müller ausgezeichnet worden.

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(Foto: Helga Schuricht)

Inzwischen entstand eine weitere Schule und sowie mehrere Kindergärten und ein Krankenhaus. Hier sieht man den Schuldirektor.

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(Foto: Helga Schuricht)

"Bildung ist die Lösung": Dieses Motto steht an der Hauswand der Kiriba Primary School.

Laut eigener Aussage sucht Schuricht bereits seit zehn Jahren händeringend nach jemandem, der ihre Arbeit in Deutschland und Kenia weiterführt. Die Zukunft der Initiative ist ungewiss, da niemand weiß, ob der Verein auch ohne das Engagement und die Leitung der Gründerin bestehen wird. Mehr als 100 Reisebegleiter hat Schuricht schon nach Kenia mitgenommen, Hunderten Menschen hat sie die Arbeit des Vereins erklärt und gezeigt, was mit den Spendengeldern alles bewirkt werden kann. Die Vereinssitzungen finden regelmäßig in Eichenau statt. Obwohl Schuricht im Rollstuhl sitzt, erscheint sie jedes Mal. Auch beim jüngsten Treffen vor den Sommerferien wurde das Problem fehlenden Vereinsnachwuchses besprochen. Alle neun Mitglieder des Vereins sind ehrenamtlich tätig und zahlen keinen Mitgliedsbeitrag. Wenn die 77-Jährige - wie heuer an Weihnachten - plant, nach Kenia zu fliegen, zahlt sie das aus eigener Tasche. Im Rollstuhl geht es für sie dann für drei Monate in das ostafrikanische Land, so wie auch im vergangenen Jahr. Schuricht wird den Helfern dort die Spendengelder übergeben und die Ausbauarbeiten am neuen Krankenhaus mitverfolgen. Begleiten wird sie vorerst niemand, aber das stört sie nicht. Sie meint, die meisten sagten sowieso Sachen wie: "Du hast das schon schön hier, aber für mich wäre das nichts."

© SZ vom 29.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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