EAV: Kult aus Österreich in Germering:Küss die Hand, Kabeljau!

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Die Kultband Erste Allgemeine Verunsicherung bringt jede Menge Schmäh in die Germeringer Stadthalle. Eine Dreifach-Kritik

Petra Fröschl, Jasmin Menrad und Alexandra Fitz

Mehr als 1000 Fans des österreichischen Humors haben am Mittwoch das Neue-Helden-Konzert der Ersten Allgemeinen Verunsicherung (EAV) in der Germeringer Stadthalle, "einem der berühmtesten Kulturtempel im Schengener Raum" (Klaus Eberhartinger), miterlebt. Für die SZ waren Alexandra Fitz, Jasmin Menrad und Petra Fröschl mit dabei. Ihr übereinstimmendes Fazit: Alles leiwand.

EAV-Gitarrist Thomas Spitzer: Geballter Humor. (Foto: Günther Reger)

Das erste Konzert bleibt einem bekanntlich ein Leben lang in Erinnerung. Etwa 20 Jahre dürfte es her sein, als ich - damals noch Grundschülerin - im Circus Krone die Ehre mit der EAV hatte. Ihre Hits "Märchenprinz", "Heiße Nächte in Palermo" und "Ba-Ba-Banküberfall" liefen damals bei uns Zuhause rauf und runter und die "Fata Morgana" hatte es sogar in das Liederbuch der Schule geschafft. Zwar verstand ich die politischen Botschaften von Klaus Eberhartinger und Co. damals noch nicht, doch die Show war trotzdem ein unvergessliches Erlebnis. Wie tief sich die Songtexte früher vom Mitträllern in mein Unterbewusstsein eingebrannt hatten, wurde mir erst kürzlich wieder bewusst, als bei einem Hüttenabend jemand die Gitarre hervorholte. Nach all den Jahren war ich noch absolut textsicher!

Genau wie am Mittwochabend in Germering, als nach gut zwei Stunden geballten EAV-Humors auch noch die alten Klassiker erklangen - und es das zuvor eher zurückhaltende Publikum nicht länger auf den Stühlen hielt. Doch auch für jemanden, der die neueren Songs noch nicht kannte, war die Show von Anfang bis Ende genial. Ein vor Energie nur so sprühender Eberhartinger - mal als George Bush, mal als russischer Mafiaboss oder Fernsehkoch ("Supermann war gestern, Suppenmann ist heute") verkleidet - verstand es, zu aktuellen Themen wie dem Rauchverbot, den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche oder der Ölpest im Golf von Mexiko in gewohnter EAV-Manier seine Meinung zu äußern.

Die Suche nach Helden in Zeiten der Krise zog sich dabei wie ein roter Faden durch das Konzert. Bestes Beispiel war Barack Obama, der laut Eberhartinger eine zweite Chance verdient: "Obama, du Armer, folge deinem Karma, du bist unser Superheld, bitte rette diese Welt" heißt es im gleichnamigen Song. Nach zwei Zugaben und "Morg'n, Morg'n" ging ein Konzert zu Ende, das sicher noch ebenso lang in Erinnerung bleibt wie das vor 20 Jahren im Circus Krone.

Petra Fröschl

Wäre meine schwäbische Freundin Melanie beim EAV-Konzert gewesen, hätte sie sich einer schwierigen Aufgaben stellen müssen. Als Kind hatte sie sich daran versucht, den Burli zu zeichnen - stilecht mit Schwammerl auf dem Wasserkopf, links und rechts drei Ohrli. Nach dem Konzert hätte sie ihre Werke nochmals überarbeiten müssen. So hat es auch die EAV mit ihrem Burli gemacht: "Jetzt hat er schon 87 Ohrli, am Orsch hot er drei Nosn, an jeder Hand an Fuaß. Aus Tschernobyl an schenen Gruaß."

Die EAV hat ihre größten Hits geliftet, umgetextet und zeigt ihre Helden im Heute. Es gibt ein Wiedersehen mit Dorli, Ludmilla und dem Märchenprinz. Nach dem Vogerltanz im Stützkorsett kommt er in die Ambulanz und mit den Frauen will es wie vor 25 Jahren einfach nicht klappen. Die EAV präsentiert sich trashig wie eh und je, Klamauk wechselt sich mit Polemik über Deutschland, Österreich und die USA ab. In seinen Ansagen äußert sich Frontmann Klaus Eberhartinger zu jedem relevanten gesellschaftspolitischen Thema.

Recht hat er, die Tatsachen sind hinlänglich bekannt, ich kann sie nur abnicken und über die Spitzen des Sängers laut lachen. Berlusconi tauge leider nicht zum Helden, sagt Eberhartinger, er habe sich durch seine Affären selbst ins Aus geschossen. Abgenickt. Lautes Gelächter als Eberhartinger ihm dennoch Respekt zollt: "Der Mann ist 74 Jahre alt und hatte eine Affäre mit einer Siebzehnjährigen. Dafür muss er sich vor ihr nackert gemacht haben. Das ist mutig."

Dass ich die Hälfte der Lieder zum ersten Mal höre, stört nicht. Für mich bewegt sich die EAV seit jeher zwischen politischer Satire und sehr guter Musik. Meiner Freundin Melanie werde ich eine EAV-CD schenken, vielleicht inspiriert sie das zu einer neuen Burli-Zeichnung.

Jasmin Menrad

"Küss die Hand schöne Frau, ihre Augen sind so blau, tirili tirilo tirila" war mein absoluter Lieblingstext der EAV. Als kleines Mädchen stand ich im Zimmer und sang die Texte der Austro-Rocker rauf und runter. Zum Ärger meiner Schwester klaute ich ihr ständig die CD der Kultband und brachte sie nicht mehr zurück.

Da steh' ich nun also in der Stadthalle, schließe meine Augen, höre auf den Text und es wird mir klar, dass ich seinerzeit wohl nicht alles verstanden habe. Halb so schlimm, jetzt bin ich ja in Germering, meine Landsleute und Helden meiner Kindheit stehen auf der Bühne. Mit spitzer Zunge verschont Klaus Eberhartinger keinen - weder Obama noch den Papst. Noch nicht einmal die Germeringer.

Als sich auf die Frage, ob es Helden im Publikum gibt, niemand meldet, meint Eberhartinger: "In Germering sind Realisten, da gibt es keine Helden." Dennoch empfindet er das Stadthallenpublikum als "das beste seit gestern" und heimst dadurch einen weiteren Lacher ein. Zwischen den Nummern führt Eberhartinger mit seinen Bandkollegen ein wahres Kabarett auf. Aus meinem "Küss die Hand schöne Frau" wird im Rahmen einer Kochshow schnell einmal "Küss die Hand Kabeljau". Sein Publikum nötigt Eberhartinger zu einer Mantra-Übung. Als sich dann der komplette Saal erhoben hat und brav mitmacht, gibt er zu: "Na, setzt's euch hin, des is a Blödsinn, ich muss einfach labern - hinten bauen's um."

Bei den Klassikern wurde dann vehement applaudiert und bei "Drei weiße Tauben, die machen guru" - hielt es niemanden mehr auf dem Stuhl. Mit "Küss die Hand messieurs dames, trink ma aus und geh ma hoam" wurde das Publikum verabschiedet. Die Germeringer haben ihre Helden an diesem Abend gefunden: Die Erste Allgemeine Verunsicherung.

Alexandra Fitz

© SZ vom 10.12.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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